Jan Van Helsing alias Udo Holey, wer glaubt ihm?
03.01.2008 um 13:49
Der neue Mythos des Nazi-Okkultismus
Nach dem Zweiten Weltkrieg zementierten vor allem die rechts-esoterischen Autoren Louis Pauwels und Jacques Bergier alte und neue Mythen sowie den Mißbrauch Tibets. Ihr als populärwissenschaftlich aufbereitetes Sachbuch erschien zuerst 1960 in Frankreich, 1962 im Scherz Verlag und 1975 bei Heyne für den deutschsprachigen Raum unter dem Titel "Aufbruch ins dritte Jahrtausend - Von der Zukunft der phantastischen Vernunft", 1963 erstmals zur weltweiten Verbreitung auf englisch als "The Morning of the Magicians - The classic exposition of occuIt knowledge". Dabei handelt es sich um eine willkürliche Mischung aus grotesken Vorstellungen und Spekulationen, die nicht als solche zu erkennen sind, aus Magie und Fakten. Offensichtlich waren es auch sie, die die Mär von mehreren hundert toten Tibetern oder anderen Bewohnern des Himalaya in die Welt setzten, die in Berlin nach Kriegsende gefunden worden seien. (1996 schlich sich sogar eine Jan-von-Helsing-Jüngerin in das Büro einer Tibetgruppe als Helferin ein, um mehr darüber zu erfahren.) Seither ist eine Flut ähnlicher Bücher erschienen, wobei sich zahlreiche Autoren auf Pauwels und Bergier beziehen und - weil es glaubwürdiger erscheint - wissenschaftlich formal-korrekt zitieren. Neue und alte Mythen und Erfindungen schaukelten sich im Einklang mit Blavatsky im Lauf der Jahre gegenseitig hoch. Einen weiteren Mythos-Bestseller schrieb 1973 der amerikanische Autor Trevor Ravenscroft mit "The Spear of Destiny - The occuIt power behind the spear which pierced the side of Christ", der 1974 in der Schweiz und 1988 in Wien auf deutsch als "Der Speer des Schicksals" erschien.
Rückendeckung erhielten solche Titel durch Romane aus einschlägigen Verlagen, darunter eine Thule-Serie: "Die Türme von Thule" (Volkstum, Wien 1970), "Götzen gegen Thule - Ein Roman von vielen Wirklichkeiten" (sic!), (Hans Pfeiffer Verlag, Hannover 1971), "Wolfszeit von Thule" (Wien 1980) und "Rebellen für Thule - Das Erbe von Atlantis" (Wien 1992). Die letzten drei Titel stammen von SS-Führer Wilhelm Landig. Als Szene-Renner erwies sich 1991 auch der Thriller "Die Schwarze Sonne von Tashi Lhunpo". Der Autor Russel McCloud bedient darin von der SS in Tibet über das unterirdische "Agarthi" bis zur Gruft der Wewelsburg alle Mythen und Klischees. Jens Sparschuh versuchte 1993 in seinem Roman "Der Schneemensch", die SS-Tibet-Expedition unter Ernst Schäfer 1938/39 (s.u.) und das Ahnen-erbe literarisch ins Lächerliche zu ziehen, was allerdings nicht gelang. Stattdessen glaubt man, er würde die okkulten Phantasien aufwärmen (39).
Auf einer anderen Ebene erreicht der "Mystifizierer" T. Lobsang Rampa durch seine vermeintlichen Memoiren "Das Dritte Auge" (Goldmann) und eine Reihe weiterer Bücher seit 1956 Millionenauflagen. Nicht einmal Tibetologie-Studenten wollten zunächst wahrhaben, daß sich dahinter ein britischer Handwerker verbirgt, der nie in Tibet war. Kaum ein Kulturkreis wurde so verklärt, verzerrt und mißbraucht wie der tibetische, was sich teilweise kontraproduktiv auf den Buddhismus und den politischen Kampf um ein freies Tibet auswirkt.
Den Auswirkungen westlicher Projektionen fiel auch der verstorbene amerikanische LSD-"Guru" Timothy Leary in den 60er Jahren zum Opfer. Als tibetische Freiheitskämpfer in den USA von der CIA ein -streng geheimes- Guerilla-Training und eine schulische Fortbildung erhielten, tauchte der Harvard-Professor unangemeldet auf. Er inszenierte vor den "exotischen" Schülern eine psychodelische Show, die, wie er ihnen versicherte, auf normalen tibetischen Tempelpraktiken beruhte. Hymnen singend und trommelnd wirbelte er durch den verdunkelten Unterrichtsraum und konnte kaum glauben, daß niemand der Bürger von Shangri-La die Zeremonie kannte. Ebensowenig hatten diese Tibeter jemals gehört, daß sich jemand durch spirituelle Praxis von seinem Körper lösen konnte (40).
Die Autorin dieses Artikels erhielt mehrfach Anfragen nach geheimnisvollen Tälern, Menschen und Symbolen, insbesondere in Tibet. So wollte eine Dänin 1984 wissen, ob sie einen Prinzen aus Nepal kenne, der vor 1933 eine experimentelle Lebensgemeinschaft in einem verborgenen tibetischen Tal gegründet habe. Zumindest geflüchtete Mönche müßten das doch wissen! Zwischen 1933 und 1945 habe der Prinz deutsche, schwedische und dänische Atomwissenschaftler eingeladen. Die Chinesen würden nach diesem Zentrum suchen und sie sorge sich um die Nepalis und die Wissenschaftler. Die Chinesen seien nun im Besitz von Flugscheiben, kraftvollen Fluggeräten, die vor und während des Krieges bereits für Hitler gebaut worden waren. Diese Deutschen seien nach China geflüchtet, um diese Flugscheiben für Mao zu produzieren... Auch dieses Märchen geistert seit Jahrzehnten in verschiedenen Variationen durch die Welt. Okkult-Autor v. Helsing verlegte sie kürzlich in einem Buch als UFOs in die Antarktis. Rüdiger Sünner, Autor des hervorragenden, aufklärerischen Buches "Schwarze Sonne" (1999), fand heraus, daß der österreichische Förster und Erfinder Viktor Schauberger tatsächlich für die SS mit kleinen Flugscheiben-Modellen experimentierte. Über Ideen und Versuchsanordnungen sei man aber nicht hinausgekommen (41).
Neben den bereits aufgeführten Autoren sollte man die folgenden Mythenbildner am besten nicht beachten (Auswahl): Michel-Jean Angebert, Elisabeth Antebi, Alice Bailey, Raymond Bernard (Walter Siegmeister), Annie Besant, Zam Bhotiva (Cesare Accomani), J.H. Brennan, Dietrich Bronder, Edward Bulwer-Lytton, Robert Charroux, Robert Ernst Dickhoff, Julius Evola, Jean-Claude Frère, René Guénon, Werner Gerson, Hanns Manfred Heuer, Louis Jacolliot, Charles W. Leadbeater, Maurice Magre, Jean-Marc Rivière, Jean Parvulesco, Nicholas Roerich (nur unter Vorbehalt), Joseph Saint-Yves d'Alveydre, Savitri Devi /Savitri Mukherji (Maximiani Portas), Miguel Serrano, Rudolf F.von Sebottendorf, Hermann Wirth.