@Wolkenleserin Wolkenleserin schrieb:ich bin auch immer wieder erstaunt darüber, wie Wissenschaftler sich da so sicher sein können, der heutige Mensch ist doch ein solches Gemisch, dass man das überhaupt nicht mehr sagen kann, woher all seine Vorfahen stammen? Nehme ich einmal an.
Genetik machts möglich. Hatte auf Seite 4 schon was dazu geschrieben. Noch ein Beispiel:
Alle afrikanischen Volksgruppen unterscheiden sich in ihren Genen voneinander. Der afrikanische Genpool ist "bunt". Sämtliche außerafrikanischen Völker hingegen unterscheiden sich genetisch voneinander viel weniger, sie entsprechen nur der genetischen Vielfalt einer einzelnen afrikanischen Völkergruppe. Und in der Tat gibt es genetische Bezüge zu einer dieser afrikanischen Völkergruppen (oder auch zu zweien, ich meine, mal sowas gelesen zu haben). Mit anderen Worten, wir können aus dem genetischen Befund folgern, daß die außerafrikanische Menschheit aus einer einzigen (bzw. zwei) afrikanischen Großgruppe(n) hervorgegangen ist. Der Ursprung der Menschheit liegt in Afrika.
Dann finden sich auch Neandertalergene im Menschen. Jedoch nur in Völkern außerhalb Afrikas. Also haben die Auswanderer mit ihren Verwandten rumgemacht, nach der Auswanderung. Wahrscheinlich sogar mehrmals, da der Anteil der Neandertalergene bei den verschiedenen außerafrikanischen Völkergruppen unterschiedlich hoch ausfällt. Selbst das Erbgut des Denisova-Menschen, unseres jüngstentdeckten Verwandten, findet sich bei verschiedenen außerafrikanischen Völkern im Erbgut, aber anders als das Neandertalererbe nicht in sämtlichen Gruppen. Afrikaner haben wieder keinen Anteil. Dem Denisovamenschen sind also nicht alle Auswanderer begegnet. Auch das hilft, den "Stammbaum" der Auswanderer zu zeichnen.
Wolkenleserin schrieb:Und Funde sind ja nur immer Zufallsfunde, die eigentlich nichts über die Wanderung von Menschen aussagen können? Man kann nur die Aussage machen, dass von 100% gefundenen Skelete 95% in Savannen gefunden wurden. Wer sagt, dass rund herum nicht noch viel mehr Funde herum liegen würden? Unter anderem auch von solchen die in Wälder gelebt haben?
In der Tat handelt es sich um Zufallsfunde. Erschwerend kommt auch noch hinzu, daß man in dicht bewachsenen Urwäldern schlechter Ausgrabungen durchführen kann, sowie daß solche Urwälder überhaupt schlechter für die Entstehung von Fossilien sind. Dennoch können wir da zumindest für Afrika sicher sein, wo die Hauptmasse lebte, und wo die Evolution des Menschen hauptsächlich stattfand.
Vor vielleicht 30 Jahren kam die Out-of-Africa-Hypothese auf, die sich in modifizierter Form längst durchgesetzt hat. Der Begründer beschrieb es mal so: Aus Europa, Afrika, Asien hatten wir Funde vom Homo erectus, unserem Vorfahren, und wir hatten Funde von frühen Sapiens-Menschen. Und von jedem dieser Kontinente hatten wir sogar Funde von Menschenformen, die man als Zwischenformen interpretieren könnte. Aber von Afrika hatten wir nicht nur die ältesten Fossilien von solchen Zwischenformen, sondern nur aus Afrika haben wir eine Vielzahl von verschiedenen Zwischenformen, die, chronologisch angeordnet, eine Art allmählichen Übergang vom Erectus zum Sapiens erlauben. Obwohl es sich ja nur um Zufallsfunde handelt, haben wir doch mittlerweile so viele Funde, daß sie dennoch ein Bild ergeben, so wie auch Meinungsumfragen mit weniger als 1000 Befragten ein zuverlässiges Bild über ein Milliardenvolk abgeben können. Die Genetik hat den Fossilbefund ohnehin schon bestätigt, sodaß wir es also auch andersherum wissen: diese Zufallsfunde ergeben ein nichtzufälliges, ein verläßliches Bild ab. In Waldregionen mag es mehr Vor- und Frühmenschen gegeben haben, als wir bisher dachten, aber der eigentliche Ort der Evolution des Menschen lag bis vor gut 50.000 Jahren in der ostafrikanischen Savanne. Nicht mal, nicht ab und zu, nicht immer wieder, sondern die ganze Zeit. Selbst wenn die Entstehung des Erectustyps nach Georgien outgesourct werden müßte, wie einige vorschlagen, so zogen einige von deren Nachkommen wieder zurück nach Afrika und stellten hier dann die Gruppe der Hauptträger der weiteren Entwicklung.
Wolkenleserin schrieb:Und ich habe auch schon die Aussage gelesen, dass in der letzten Eiszeit also vor etwa 45`000 Jahren mehr als 2000 Menschen allein in Europa gelebt haben!
Kommt darauf an. Wenn Du mit "Mensch" einen Vertreter der Gattung Homo meinst (Homo = lat. Mensch), dann waren es doch weit mehr. Meinst Du hingegen mit Mensch den Homo sapiens, also unsere eigene Art im Gegensatz zu z.B. dem Neandertaler, dann gab es vielleicht wirklich schon ne Handvoll Sapiense (also ein paar hundert bis wenige tausend) zu dieser Zeit in Europa. Früher (vor vielleicht 2...3 Jahrzehnten) hieß es, daß der Sapiens vor ca. 40.000 Jahren nach Europa kam, später sank das Datum sogar noch etwas. Mittlerweile datiert man die europäische Einwanderung wieder höher. 45.000 BP scheint aber noch die ungefähre Obergrenze zu bilden Insofern kommt es hin, was Du da gelesen hast.
Der Neandertaler lebte in seinen besten Zeiten von England bis Usbekistan, aber auch in seinen besten Zeiten wird es nicht wesentlich mehr als 100.000 gleichzeitig gegeben haben. Dennoch wird es auch noch ein paar tausend Jahre nach dem von Dir genannten Zeit"punkt" noch deutlich mehr als 2000 Neandertaler in Europa gegeben haben.
Pertti