Der Fuchs9/10
Tiefbewegende Geschichte. Diese Zartheit inmitten der Grobheit und Brutalität des Zweiten Weltkriegs ist unglaublich berührend.
Der Hauptdarsteller brilliert als wortkarger, kindheitstraumatisierter Soldat, der keine soziale Nähe zu anderen Menschen herstellen kann. Allein durch seine Mimik werden Worte überflüssig.
Der Sound bringt vor allem das "Antisoldatische" zum Ausdruck: Die Weichheit, Verletzlichkeit, Bedürftigkeit der Seele.
Man könnte die Grundidee für eine Schnulze halten: ein Soldat rettet einen Fuchswelpen, während seine Truppe rings herum mordet und brandschatzt. Aber die zarte Liebesgeschichte zwischen Mann und Tier ist nicht zu Herzschmerzzwecken erfunden worden, sondern pure Realität. Franz Streitberger, der Uropa von Adrian Goiginger, hat sie dem damals 15-jährigen Urenkel erzählt, zusammen mit anderen Details aus seinem langen Leben, das hundert Jahre währte. Es war Anfang des 20. Jahrhunderts keine Seltenheit in bettelarmen Bergregionen, dass man Kinder verkaufte, um sie vor dem Verhungern oder dem Tod durch Entkräftung zu retten. Brot statt Liebe, so hat Goigingers Uropa das erlebt. Oder, wie er in einem Brief an den Vater schreibt, dem er lange nicht vergibt: „Ich hatte genug zu essen, aber sonst nichts“. Die zerrissene Bindung hinterlässt schmerzhafte Spuren in dem jungen Soldaten. Er hat nicht gelernt, mit anderen Menschen wie den Kameraden zu reden und sich einzupassen in die Ersatzfamilie der motorisierten Kuriere. Als ihm einer seine Eigenbrötelei vorhält, weiß er nicht wohin mit der Wut, die in ihm aufsteigt. Er rennt weg und drischt auf Bäume ein, sich selbst ein Rätsel.
Auch Goigingers dritter Film nach Die beste aller Welten und Märzengrund (2022) balanciert auf der enormen Fallhöhe zwischen inniger Liebe und brutalem Verlust. Aber anders als in Märzengrund grundiert ein harmonischer Akkord die geradlinige, von Auslassungen geprägte Erzählung. Was die Menschen an Franz verbrochen haben (wenn auch aus Not), lässt sich wieder gut machen. In der Beziehung zu dem Füchslein, das bald wie ein Hund um ihn herumtollt, lernt der junge Mann, aus seinem inneren Panzer auszubrechen, Gefühle zuzulassen, Verantwortung zu übernehmen, quasi wie in einer Therapie mit Pferden oder anderen Tieren. Das klingt nach Küchenpsychologie, aber so inszeniert Goigingers feinfühlige und wortkarge filmische Handschrift die nachgeholte emotionale Reifung nicht. Je wuchtiger die Emotion, desto leiser die Geigen. Je existenzieller der innere Konflikt, desto dezenter die Bildsprache im schmalen 4:3-Format, das mit seinen abgerundeten Ecken an alte Fotos erinnert.
https://www.film-rezensionen.de/2023/03/der-fuchs/