Working Poor - Arm trotz ArbeitWie kann es sein, dass wir in unserer Gesellschaft, in der es eigentlich genug für alle geben sollte, Menschen leben, die ihren Lebensunterhalt nicht von ihrer Arbeit bestreiten können? Oft steht für arme Menschen eine Entscheidung an, die unmenschlicher nicht sein könnte - Kaufe ich mir heute etwas zu essen, oder doch lieber das, was ich dringend benötige - Medizin.
So banal diese Frage auch wirken mag, für manche Menschen ist sie bittere Realität.
Ist es wirklich zu hoher Anspruch, seinen Lebensunterhalt von Arbeit bestreiten zu können, während Unternehmen ihren Managern Millionen in den Rachen schieben, diese dann auch noch steuerlich geltend machen, während der Arbeiter am Fließband sich kaum über Wasser halten kann?
Sandra ist Friseurin. Als solche kommt sie auf knapp 900€ Netto in Vollzeit. Vor kurzem begannen die unerträglichen Schmerzen in ihren Augen. Sie ist erkrankt. Deswegen braucht sie nun besondere Augentropfen, bei denen sie monatlich knapp 100€ Eigenanteil hat. Die Gefahr blind zu werden, wenn sie ihre Augen nicht behandelt, ist groß.
Wenn sie ihre Miete und Rechnungen bezahlt, bleiben ihr noch knapp 250€ zum Leben. Davon gehen noch 50€ für die Monatskarte ab, der Rest steht ihr frei zur Verfügung.
Freie Verfügung? Wohl kaum!
Wer sich von 200€ im Monat ernähren soll, steht schon vor dem Problem, dass damit kaum eine gesunde und vollwertige Ernährung möglich ist. Nun ziehen wir 100€ für ihre Augen ab. Wie sieht es jetzt aus?
Sandra muss sich also entscheiden, ob sie die Schmerzen erträgt und dafür jeden Tag etwas auf dem Tisch stehen hat, oder ob sie etliche Tage hungert, aber dafür diese grauenvollen Schmerzen nicht ertragen muss und etwas gegen die drohende Erblindung tut.
Paul, ihr Chef, hat sich eben erst eine Luxuskreuzfahrt gegönnt.
@Obrien wird nun erzählen, dass wir lediglich einen zu hohen Anspruch haben und die Armut, wie viele Menschen sie erleben, nicht real ist. Ein wenig an unserem Anspruch schrauben und schon ist alles gut. Willkommen in der schönen neuen Welt, in der Bedürftige als zu anspruchsvoll und gierig angesehen werden und deren Leid nur als Gejammer empfunden wird.
Allerdings werden wir im Verlauf der Diskussion feststellen, dass uns auch geistige Armut bedroht, durch die Empathielosigkeit, die wir den ärmsten Menschen in Deutschland zuteil werden lassen und ihr Schicksal herabwürdigen, ihnen schlicht vorhalten, dass sie zu viel von der Gesellschaft verlangen.