Warum überhaupt glauben?
14.08.2004 um 05:20Ich tue es tatsächlich, ich eröffne ein neues Thema, und so wie ich mich kenne, werde ich in mein Posing bereits alles schreiben, also wird wahrscheinlich keiner antworten.
Ich lese gerade »Das Foucaultsche Pendel« von Umberto Eco und stieß dabei auf folgende Zeilen, die ich im Ganzen zitieren möchte:
Auf den ersten Teil möchte ich erst später eingehen, zunächst also zu seinenen Aussagen über Gläubige und Ungläubige.
Nun aber zum ersten Teil. Zunächst möchte ich eine Ungenauigkeit im Ausdruck korrigieren: Selbstverständlich will nicht die Zeitung (also das Medium) möglichst viele Exemplare verkaufen, sondern der Verlag, der die Zeitung herausgibt. Ich möchte nun Apfel mit Birnen bzw. Religionen mit Zeitungen vergleichen.
<b style='font-variant:small-caps'>Anmerkung: Um keine Religion direkt anzugreifen werde ich im folgenden immer von Zeitungen sprechen, wenn ich Gedanken ins Konkrete umsetze![/b]
Die Personen:
Stellen wir uns nun vor, was passieren würde, wenn eine Zeitung so viele Leser hat, daß die anderen unrentabel werden und also die Veröffentlichung einstellen. Diese Zeitung könnte die Meinung in einem Land fast beliebig manipulieren. Sollte sich doch mal wieder jemand trauen, eine neue Zeitung auf den Markt zu bringen, so erscheint einfach ein Artikel in der Monopolzeitung, die alles in der neuen als Unwahr dastellt, und die Monopolstellung bleibt gewahrt. (Einen solchen Fall gab es auch lokal sehr begrenzt meines Wissens weder im Verlagswesen noch in der Religionsgeschichte. Es überlebten immer opositionelle Blätter / Religionen, mit einer teilweise sehr kleinen aber dafür um so treueren Anhängerschaft.) Ein Leser, der nur eine Zeitung ließt und ihr glaubt, unterstützt eine solche Entwicklung, trägt also aktiv dazu bei, die Meinungsvielfalt zu verringern. Es sollte also das Bestreben aller Menschen sein, dafür zu sorgen, daß keine Religion eine Monopolstellung erreichen kann. Und dies geschieht am besten dadurch, daß man die Religionen eben als die Meinung der Gottheit ansieht, die dadurch möglichst viele Gläubige bekommen möchte.
Etwas ähnliches wird in dem Comic »Hellblazer« erzählt, in dem John Constantin sowohl gegen den Himmel als auch gegen die Hölle kämpt, denn der Mensch kann nur frei sein, wenn es beide gibt und keine Seite auf Dauer über die andere triumpfieren kann. Demzufolge wäre die Aussage, Gott hätte dem Menschen den freien Willen gegeben, genauso zu sehen wie der Werbespruch der auflagenstärksten deutschen Tageszeitung: »Bild dir deine Meinung«. Indem die Bildzeitung behauptet, sie würde den Menschen unterstützen, seine eigene Meinung zu bilden, gelingt es ihr in Wirklichkeit, die Meinung der Menschen selbst zu bilden. Indem Gott behauptet, dem Menschen den freien Willen gegeben zu haben, versucht er, sie davon abzuhalten, ihn zu gebrauchen und nur die eine Entscheidung des freien Willens, nähmlich IHM zu folgen, als richtig anzusehen. Tatsächlich entsteht der freie Wille genauso wie die eigene Meinung aus der vielfalt der möglichen Religionen bzw. der erscheinenden Zeitungen.
Dies wird sogar durch die AT-Schöpfungsgeschichte nahegelegt. Solange Gott alleine im Paradies das Sagen hatte, hatten die Menschen keinen freien Willen, sie fügten sich dem Wollen Gottes. Erst als ein Widersacher Gottes in Form einer Schlange auftrat, konnte sich der Mensch entscheiden. Und fortan gab es den freien Willen, und ich hoffe, daß nie ein Gott über seine Widersacher triumpfieren wird und der freie Wille ewig währt.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit
Vendetta
People say believe half of what you see,
son, and none of what you hear
Creedence Clearwater Revival
Ich lese gerade »Das Foucaultsche Pendel« von Umberto Eco und stieß dabei auf folgende Zeilen, die ich im Ganzen zitieren möchte:
Ich glaube, wir werden das, was unsere Väter uns in den toten Zeiten gelehrt haben, während sie nicht daran dachten, uns zu erziehen. Man formt sich an Abfällen der Weisheit. Als ich zwölf Jahre alt war, wollte ich, daß meine Eltern mir ein bestimmtes Wochenblatt abonnierten, das die Meisterwerke der Literatur in Comic-Form präsentierte. Nicht aus Knausrigkeit, eher aus Argwohn gegenüber Comic strips versuchte mein Vater, sich zu drücken. »Das Ziel dieser Zeitschrift ist«, erklärte ich daraufhin feierlich, den Werbespruch der Serie zitierend, denn ich war ein pfiffiger und eloquenter Knabe, »auf unterhaltsame Weise zu erziehen.« Mein Vater erwiderte, ohne die Augen von seiner Zeitung zu heben: »Das Zeil deiner Zeitung ist das Ziel aller Zeitungen, nämlich so viele Exemplare wie möglich zu verkaufen.«Bitte, bitte erspart uns eine Diskussion darüber, ob Umberto Eco nun recht haben mag oder nicht. Wir wollen nun einfach annehmen (NICHT glauben), daß er recht hat. Das nennt man auch eine Hypothese.
An jenem Tag begann ich, ungläubig zu weren.
Will sagen, es reute mich, gläubig gewesen zu sein. Ich hatte mich von einer Passion des Geistes verführen lassen. Das ist Gläubigkeit.
Nicht daß der Ungläubige an nichts glauben dürfte. Er glaubt nur nicht an alles. Er glaubt jeweils an eine Sache und an eine zweite nur, wenn sie sich irgendwie aus der ersten ergibt. Er geht kurzsichtig vor, methodisch, ohne Horizonte zu riskieren. Von zwei Sachen, die nicht zusammenpassen, alle beide zu glauben, mit der Idee im Kopf, es gebe irgendwo noch eine dritte, die sie vereint – das ist Gläubigkeit.
Auf den ersten Teil möchte ich erst später eingehen, zunächst also zu seinenen Aussagen über Gläubige und Ungläubige.
- Der Erzähler bezeichnet sich selbst als Ungläubigen. Er beschreibt diesen aber mit Attributen, die wohl allgemein als eher negativ gelten: Kurzsichtig, ohne Horizont, ohne Risikobereitschaft. Positiv dagegen wird wohl das Wort »methodisch« ausgelegt werden.
- Die Beschreibung des Gläubigen klingt zwar, als würde der Erzähler diese Haltung missbilligen, man meint aber eine anerkennende, fast neidische Einstellung ihm gegenüber herauszuhören. Schließlich ist die »Idee« eine wichtige Triebfeder menschlichen Handelns und des Fortschritts.
- Die Beschreibung des Gläubigen passt erstaunich gut auf einen wissenschaftlichen Forscher. Denn Forschung muß da entstehen, wo zwei Sachverhalte als wahr angenommen werden, die sich nicht vereinen lassen. Man sucht nach der dritten Sache, um wieder im Einklang zu sein
- Die Beschreibung des Ungläubigen passt erstaunlich gut auf einen »Orthodoxen«, also auf jemanden, der eine Sache (Bibel, Koran, Evolutionstheorie etc.) glaubt, und nur bereit ist, zu akzeptieren, was mit dieser Grundannahmen zu vereinbaren ist.
- Somit ist der Gläubige eigentlich der Ungläubige und umgekehrt. Gläubig ist, wer nicht an etwas bestimmtes glaubt, sondern an mehrere unvereinbare Dinge (z.B. Schöpfungserzählungen und Evolutionstheorie).
- Interessant, doch dies nur zum Einstieg.
Nun aber zum ersten Teil. Zunächst möchte ich eine Ungenauigkeit im Ausdruck korrigieren: Selbstverständlich will nicht die Zeitung (also das Medium) möglichst viele Exemplare verkaufen, sondern der Verlag, der die Zeitung herausgibt. Ich möchte nun Apfel mit Birnen bzw. Religionen mit Zeitungen vergleichen.
<b style='font-variant:small-caps'>Anmerkung: Um keine Religion direkt anzugreifen werde ich im folgenden immer von Zeitungen sprechen, wenn ich Gedanken ins Konkrete umsetze![/b]
Die Personen:
- Die Zeitungen / Die Religionen
- Die Leser / Die Gläubigen
- Die Verlage / Die Götter
Stellen wir uns nun vor, was passieren würde, wenn eine Zeitung so viele Leser hat, daß die anderen unrentabel werden und also die Veröffentlichung einstellen. Diese Zeitung könnte die Meinung in einem Land fast beliebig manipulieren. Sollte sich doch mal wieder jemand trauen, eine neue Zeitung auf den Markt zu bringen, so erscheint einfach ein Artikel in der Monopolzeitung, die alles in der neuen als Unwahr dastellt, und die Monopolstellung bleibt gewahrt. (Einen solchen Fall gab es auch lokal sehr begrenzt meines Wissens weder im Verlagswesen noch in der Religionsgeschichte. Es überlebten immer opositionelle Blätter / Religionen, mit einer teilweise sehr kleinen aber dafür um so treueren Anhängerschaft.) Ein Leser, der nur eine Zeitung ließt und ihr glaubt, unterstützt eine solche Entwicklung, trägt also aktiv dazu bei, die Meinungsvielfalt zu verringern. Es sollte also das Bestreben aller Menschen sein, dafür zu sorgen, daß keine Religion eine Monopolstellung erreichen kann. Und dies geschieht am besten dadurch, daß man die Religionen eben als die Meinung der Gottheit ansieht, die dadurch möglichst viele Gläubige bekommen möchte.
Etwas ähnliches wird in dem Comic »Hellblazer« erzählt, in dem John Constantin sowohl gegen den Himmel als auch gegen die Hölle kämpt, denn der Mensch kann nur frei sein, wenn es beide gibt und keine Seite auf Dauer über die andere triumpfieren kann. Demzufolge wäre die Aussage, Gott hätte dem Menschen den freien Willen gegeben, genauso zu sehen wie der Werbespruch der auflagenstärksten deutschen Tageszeitung: »Bild dir deine Meinung«. Indem die Bildzeitung behauptet, sie würde den Menschen unterstützen, seine eigene Meinung zu bilden, gelingt es ihr in Wirklichkeit, die Meinung der Menschen selbst zu bilden. Indem Gott behauptet, dem Menschen den freien Willen gegeben zu haben, versucht er, sie davon abzuhalten, ihn zu gebrauchen und nur die eine Entscheidung des freien Willens, nähmlich IHM zu folgen, als richtig anzusehen. Tatsächlich entsteht der freie Wille genauso wie die eigene Meinung aus der vielfalt der möglichen Religionen bzw. der erscheinenden Zeitungen.
Dies wird sogar durch die AT-Schöpfungsgeschichte nahegelegt. Solange Gott alleine im Paradies das Sagen hatte, hatten die Menschen keinen freien Willen, sie fügten sich dem Wollen Gottes. Erst als ein Widersacher Gottes in Form einer Schlange auftrat, konnte sich der Mensch entscheiden. Und fortan gab es den freien Willen, und ich hoffe, daß nie ein Gott über seine Widersacher triumpfieren wird und der freie Wille ewig währt.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit
Vendetta
People say believe half of what you see,
son, and none of what you hear
Creedence Clearwater Revival