Meine mal, in der norddeutschen Kindheit wurde einem das "mahlzeitliche Schweigegelübte" schon irgendwie beigebracht - aber auch wiederum nicht so richtig streng umgesetzt. Vielleicht weil es den Erwachsenen selber schwer gefallen ist, sich an ihre vermittelten Regeln zu halten. Allein bei Tisch mit der erziehungsberechtigten Tante achtete die mehr darauf, daß vor dem Essen Hände gewaschen, währenddessen nicht geschmatzt bzw. andere Speisegeräusche von sich gegeben wurden oder man den Kopf mit dem Arm aufstützte. Und ich mich nach der Mahlzeit nicht am Tisch reckte und streckte! (war mal eine Zeitlang eine richtige Unart von mir
:() Wenn wir Besuch beim Essen hatten, kann ich mich nicht entsinnen, daß es jemals schweigsam zugegangen ist - aber wie erwähnt: die "Benimmregel" als solches ist mir schon erinnerlich...
Im kommunikativen Bayernland hingegen gehört das "Tischgespräch" zum -im wahrsten Sinne des Wortes- guten Ton und wird auch -daheim wie in der Öffentlichkeit- ausgiebig gepflegt. Natürlich nur in Ausnahmefällen mit vollem Mund...
;)Ansonsten fordern heutzutage selbst strenge "Etikette-Hüter" nicht mehr den "stummen" Essenstisch:
"...Tischsitten sind nicht nur für den angenehmen Ablauf einer Mahlzeit von Bedeutung, sondern auch für das soziale Leben einer Familie. Denn bei einer zusammen eingenommenen Mahlzeit trifft sich die ganze Familie und hat die nötige Zeit, in aller Ruhe von dem vergangenen Tag zu berichten. Damit das Essen reibungslos vonstatten geht, müssen bestimmte Regeln beachtet werden: so sollte erst begonnen werden, wenn alle am Tisch sitzen und der erste kann dann aufstehen, wenn alle fertig sind. Außerdem sollten sich alle auf die Mahlzeit und das Gespräch konzentrieren und nicht durch Fernseher, Radio, Buch oder Zeitung abgelenkt werden. Am einfachsten ist es, wenn jedes Familienmitglied seinen eigenen Stammplatz hat, da so Streitereien und Gerangel vermieden werden..."(Quelle: LEL Schwäbisch Gmünd - Infodienst Landwirtschaft - Ernährung - Ländlicher Raum
https://www.landwirtschaft-bw.info/servlet/PB/menu/1148994_l1/index.html)
Noch weiter diesbezüglich geht der Benehmensratgeber "knigge.de" auf eine entsprechende Anfrage:
"Wer beim Essen keinesfalls eine Unterhaltung, ja gar überhaupt kein gesprochenes Wort zulassen möchte, sollte eine Essenseinladung weder aussprechen noch annehmen. Von den meisten Menschen wird gerade die Kombination gemeinsamen Essens mit einer angeregten Unterhaltung hoch geschätzt, zu Recht. Denn was gibt es angenehmeres, als die schnöde Nahrungsaufnahme durch intelligente, amüsante oder informative Gespräche aufzuwerten. So kann es durchaus sein, dass selbst ein miserables Gericht in guter Erinnerung bleibt."Und gibt, bezogen auf die Grundsatzfrage, ob nun "voller Mund" oder nicht, folgenden Ratschlag:
"Wer soll entscheiden, ob der Mund nun „völlig leer“ ist oder an einem Backenzahn noch ein kleines Salatblättchen hängen geblieben ist? Entscheidend ist allerdings, dass Ihre Aussprache weder akustisch noch optisch leidet. Knigge.de empfiehlt daher, den Mund immer nur soweit zu befüllen, dass er mit 1 -1 ½ Schlucken geleert werden kann. Die eintretende Verzögerung können Sie noch zum Nachdenken über Ihre Antwort verwenden."(Quelle: www.knigge.de
http://www.knigge.de/themen/bei-tisch/tischsitten-2023.htm (Archiv-Version vom 20.06.2012))