@martialis VS mit Sicherheit. Schliesslich war in den 1970ern jeder Linke wegen Berufsverbot und Terrorfahndung ein Staatsfeind - erst recht, wenn er politisch organisiert war und über Kontakte zu "Terror-Organisationen" verfügte. Ich kann mich an offene Observationen erinnern. Besuch hatte ich auch mal. Der gute alte Tesa-Trick.
Aber wir haben brauchbare Gegenspionage geleistet:
Etwas Nostalgie aus Opas Zeiten:
"Anarchos haben Hamburgs Staatsschützer ausgespäht. Eine anonyme Broschüre legt nun den geheimen Arbeitsapparat der Sicherheitsämter offen. Der Schaden, räumt die Behörde ein, ist "schwerwiegend".
Hamburger Bürger bei alltäglichen Besorgungen, arglos, doch hinter ihnen gehen welche -- mit unsichtbaren Funkgeräten. Spruch vom Kiosk: "Er hat Marlboro gezogen." Meldung von der Tankstelle: "Hat zwei Briefmarken gekauft und aufgeklebt." Vor dem "Aldi"-Markt verspricht ein Funker, gleich nachzuschauen, "was er einkauft". Der Kollege vor der Wäscherei bekommt Order: "Mal gucken, was er reinschmeißt, was es für Wäsche ist."
Derlei Meldungen machten Hamburger Staats- und Verfassungsschützer S.31 von Berufs wegen über Leute, die sich unbeobachtet glaubten -- verdächtige "Zielpersonen". Überwacht indes wurden derweil auch die Überwacher: Ihr Funkverkehr wurde von unbekannten Hamburgern aus der Anarcho-Szene zwei Jahre lang mitgehört.
Vorletzten Sonntag wurde das publik. Auf UKW, Kanal 50, waren Staats- und Verfassungsschutz auf einmal mit jedem gewöhnlichen Radio zu empfangen: Eine halbe Stunde lang strahlte ein Piratensender namens "Radio Klabautermann" auf der Jedermann-Frequenz aus, was auf den geheimen Spezialwellen der Staatsschützer besprochen wird: Routinekram über Marlboro und Schmutzwäsche, aber auch Top-Informationen aus den Sicherheitsämtern.
Anderntags kursierte in der Hansestadt dann auch noch das Buch zur Sendung. Unter dem Titel "Die Praktiken von Staats- und Verfassungsschutz am Beispiel Hamburg" vertreiben anonyme Spontis seither ein 126-Seiten-Werk, in dem noch vertieft wird, was der "Klabautermann" an Insider-Wissen angedeutet hatte.
Gedruckt liegt nun offen, was den hanseatischen Staatsschutzstellen bislang getarnte Operationen ermöglichte: alle Funkfrequenzen, an die hundert Beschreibungen von Observationsautos nebst Kennzeichen, Photos von Zivilbeamten, Struktur der Staatsschutz-Fachdirektion "FD 7" der Polizei, Details über Taktik und Methodik bei Beobachtungseinsätzen. "Wie ein brachliegender Eierpfannkuchen" nehme sich nun, höhnen die Buchmacher, Hamburgs Staatsschutzapparat aus.
In der Tat: In keinem Bundesland sind die geheimen Strukturen der Sicherheitsämter bislang derart bloßgelegt, so weitgehend "verbrannt" worden (Behördenjargon) wie in Hamburg. Spitzenbeamte der Landespolizei, die in den letzten Jahren immer wieder durch Amtsskandale von sich reden machte, sind von dem neuen Vorfall schockiert. Staatsrat Jürgen Frenzel, der den urlaubenden Innensenator Werner Staak vertritt, wertet die Situation freimütig als "schwerwiegend": "Wir haben einiges umstellen müssen."
Blamabel genug erscheint, daß es den Sicherheitstechnikern nicht gelang, den "Klabautermann"-Sender anzupeilen, der seine Durchsage Tage zuvor in der Sponti-Szene bekanntgemacht und dann auf die Minute pünktlich abgefahren hatte. Mehr noch muß die Beamten die Erkenntnis verbittern, zwei Jahre lang von örtlichen Gegnern ausbaldowert worden zu sein, ohne Argwohn zu schöpfen.
Buchproduzenten und Klabautermänner gelten als nicht identisch. Sie dürften jener Szenerie zuzurechnen sein, die Hamburgs Staatsschützer seit geraumer Zeit unter dem Stichwort "Autonome Gruppen mit anarchistischer Zielsetzung" ("Agaz") zu erfassen suchen. Deren Anhänger, rund 200, grenzen sich zwar gegen orthodoxe Linke, K-Gruppen und militante Atomgegner ab, arbeiten mit ihnen aber auf vielfältige Weise zusammen.
Den "Agaz" liegt, wie beamtete Szenenkenner glauben, "der Gedanke der Revolutionären Zellen" zugrunde: "Selber was tun, andere zum Nachmachen bringen, nur eben nicht Bomben werfen, sondern den Staatsapparat lahmlegen."
Die neueste Tat, das gedruckte Resultat zweijährigen Spähens, Lauschens und Kombinierens ("um einen Hauch von Klarheit in diesen Misthaufen zu bringen"), hebt im Stil eines Fritz-Teufel-Produkts an: Mit einem "Geleitwort von Bundesinnenminister Dr. Gerhart Baum", verfaßt von "ganz tollen Leuten", die "leider anonym bleiben" mußten.
Der Subkultur wird detailliert das gegnerische Personal beschrieben, in "Ratten", "Unterratten", "Rädelsratten" aufgeteilt, mit der Anmerkung: "Der Begriff Ratte ist, seitdem er in S.33 der hohen Politik gepflegt wird, auch bei uns nicht beleidigend gemeint."
Beamte aus den für Observierung zuständigen Gruppierungen der FD 7 "ehen sich so porträtiert: Ein älterer Typ, kurz vor der " " Pensionierung, mit einer wirklich völlig unauffälligen, " karierten Schiebermütze und grauem Gamsbart.
" Ein kleiner rattenhaft wieselartiger Typ mit einer Vorliebe " für kleinkarierte Oberhemden ...
" Ein hagerer, scheulich-smarter Mittdreißiger, der " " mittlerweile zum Pressesprecher der Bullen aufgeamselt ist. "
Der Ton unter diesen Beamten sei "locker", "kollegial", "etwa wie in einer Werbeagentur"; sie ähnelten "den gepflegten Reklamejünglingen von Neckermann und Karstadt". Einer allerdings trägt "verschlissene Lederjacke, kurzärmeliges, blaßgrünes T-Shirt, Flickenjeans, Turnschuhe; na ist ja jetzt egal -- der soll sich noch mal blicken lassen".
Als Observationsobjekte haben die Autoren ausgemacht: Stände der politischen Organisationen und Leute, "die wie Demonstranten aussehen". Gelegentlich geht auch eine Meldung über Kleinkinder mit Trillerpfeife im Demo-Zug über den Äther (siehe Kasten Seite 32) oder auch über einen "Anarchisten, der mit einer Mistgabel über der Schulter sich dem Sternschanzenbahnhof nähert".
Dokumentiert wird aber auch, daß Sicherheitsorgane Versammlungen politisch etablierter Gruppen besuchen: "Es hat bis jetzt gesprochen (der Publizist) Axel Eggebrecht"; "zur Zeit spricht (SPD-Landesvorstandsmitglied) Freimut Duve"; "(NDR-Redakteur) Ortwin Löwa läuft geschäftig am Zug hin und her". Zu den Observierungszielen zählten auch Gewerkschaftsversammlungen und Flugblattverteiler von "amnesty international".
Das Enthüllungswerk verrät zudem der Szene, wer observiert und wie, daß Zivilpolizisten "zumeist irgendwo eine Antenne aus dem Parka ragt", daß ein Staatsschutz-Bully den Reklameaufkleber "Das verrückte Möbelhaus aus Schweden" trägt.
Konkrete Selbsthilfetips gibt der Buchabschnitt "Hilfe, ich werde observiert / Wie du''s merkst / Wie du sie abhängst". Angehängt ist ein ausgedehntes Literaturverzeichnis mit Fachwerken über Spurensicherung, Mini-Spione oder UKW-Funk. Auch politische Lektüre wird anempfohlen, so die SPIEGEL-Datenschutzserie: "Ruhig mal lesen, ganz interessant."
Mit der Zeit haben die Mithorcher auch das geheime System aus "ennwörtern und Kodes entschlüsselt, ins Reine geschrieben: E. P."- " Essenspause Fuß - Spitzel, der sich bequemt zu Fuß zu gehen "
" Logofahren - (Logistik fahren) heißt einfach: Hähnchen mit " Pommes und Majo einkaufen
" Elba - Funkname der Rädelsratte am Johanniswall; z. Z. nicht " mehr gebräuchlich
" Fabrik - Funkbezeichnung für das Landesamt für Verfassungs " "schutz".
Kopekenmacher - Dienststelle für Spesenabrechnung
" London - Rufname der Rädelsratte am Johanniswall; z. Z. " " gebräuchlich. "
Beim Horchen gingen die "Agaz"-Leute mit solider Technik vor. So hatten sie ihre Tonbandgeräte mit "Akustomat" ausgerüstet. Dieser Apparat aktiviert das Gerät selbsttätig nur, solange auf dem angezapften Kanal auch gesprochen wird -- "weil wir natürlich nicht 24 Stunden am Tag vorm Radio sitzen und dem Geplapper irgendwelcher Idioten lauschen wollen".
Erleichtert wurde der Lauschangriff dadurch, daß die elektrischen Sprachverschlüßler, mit denen Funkverkehr abhörsicher gemacht werden kann, praktische Mängel haben. Die amtseigenen "Kryptophone" erfordern umständliche Genauigkeit beim Artikulieren. Selbst der Verfassungsschutz, so mokieren sich die Buchautoren, wickle die Hälfte seines Funkverkehrs aus Bequemlichkeit im Klartext ab.
Zudem: Die Staatsschützer funken auf dem Zwei-Meter-Band, außerhalb jener UKW-Bereiche, die von Radiobastlern mit herkömmlichen Kofferradios empfangen werden können. Die Lauscher über den Zwei-Meter-Bereich: "Den kriegt man mit umgebauten Normalradios nämlich gar nicht, deshalb fühlen sich die Bullen hier auch sehr viel sicherer, und man muß sich somit andere Empfänger besorgen."
Gegen die Tricks, mit denen die Hamburger Behörden nun ihren Funkverkehr abschirmen wollen, planen die Schwarzsender schon jetzt Spezialeinsätze -- mit Störfunk. Ihre als "Medienkritik der Zukunft" angekündigte Wellenaktion wollen die Autonomen mit einem Netz von etwa zwanzig kleinen Sendern realisieren. "Ohne Funk", hoffen sie, "keine Observationen]]]"
Den Klabautermännern, die sich kräftig loben, "das Wissen um den Fieselapparat zu Allgemeingut" gemacht zu haben, mochte letzte Woche auch die Gegenseite eine gewisse Anerkennung nicht versagen.
Ein Hamburger Spitzenbeamter, gequält lächelnd, zum SPIEGEL: "Da waren Profis am Werk."
Der Spiegel, 21.07.80"
Mit dem BND hatte ich nach dem Tode meiner ersten Frau im Libanon natürlich auch Stress. Wie kann eine Hamburger Ärztin, dazu noch PFLP-Mitglied, einfach spurlos verschwinden. Das waren dann schon mehrere richtige Verhöre - aber das ist eine andere Geschichte.