Hat Thilo Sarrazin recht?
27.01.2011 um 19:41
Sarrazin hat ein Thema angesprochen, dass viele Deutsche beschäftigt und dass sich keiner traut, anzusprechen.
Noch immer haben die Deutschen Angst als Nazis abgestempelt zu werden und sie werden es auch.
Ich selbst bin sehr zwiegespalten bei dem Thema. Auf der einen Seite bin ich der Meinung, wir haben ein Recht darauf, wieder einen Stolz zu haben. Wir haben ein Recht darauf, Deutschland nach unseren Vorstellungen zu gestalten und zu sagen, was uns stört -auch Ausländer betreffend! Man kann nicht uns als Nazis bezeichnen und eine italienische Politik, niederländische Deutschenfeindlichkeit, internationalen Zigeunerhass dabei völlig ignorieren aufgrund unserer Vergangenheit. Man kann davon ausgehen, dass das deutsche Volk als Ganzes Ausländerfragen am wohl meisten reflektiert. Wohl kein Land ist in der Hinsicht so erzogen worden wie wir. In der Schule gab es im Geschichtsunterricht kaum ein anderes Thema. Wir wurden so erzogen, dass Fremdenfeindlichkeit zu den schlimmsten Dingen der Welt gehört und wissen besser als jeder andere, wie weit er führen kann -in welchem anderen Land ist das denn so?
Doch noch immer müssen wir kriechen, uns dafür rechtfertigen. Nie spielt der Rassismus in anderen Ländern eine auch nur ansatzweise so große Rolle wie bloße Meinungsäußerung bei uns.
Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass auch bei mir schnell die Alarmglocken läuten und ich stimme Sarrazin keinesfalls nur zu. Dennoch finde ich, der Begriff "Rassist" wird zu schnell verwendet.
Auf deutschen Straßen habe ich oft das Gefühl, nur als Deutschländer Rassist sein zu können
Wenn man bei uns durch die Straßen läuft, sieht man mit fettem Rot ein "Nie wieder Deutschland" leuchten. Proletende Jugendliche laufen durch die Straßen und lassen sich über das Scheiß-Deutschland aus. Ist das kein Rassismus?
Was Sarrazin anspricht IST ein Problem. Und es nützt nich, darüber zu schweigen, nur weil wir deutschen eine Scheiß-Angst davor haben als Rassisten bezeichnet zu werden.
Ich bin NICHT seiner Meinung, was Assimilierung angeht, doch für die Integration MUSS etwas getan werden. Und zwar im Interesse ALLER Beteilgten.
Die Forderungen, dass Einwanderer Deutsch lernen müssen, dass ihre Kinder Bildung erlangen sollen, dass man sich als deutscher Staatsbürger um einen Job bemühen sollte sind gerechtfertigt!
Ich finde jedoch nicht, dass Multi-Kulti und Integration einander ausschließt!
Ich finde, es ist eine Respektsache dem Land gegenüber, dass man die Sprache lernt, dass man die Menschen kennen lernt. Es sollte nicht Sinn und Zweck sein, sich auszugrenzen.
Dennoch finde ich es ebenso albern und unreflektiert in der heutigen Zeit zu erwarten ein Land in seiner Ursprünglichkeit beibehalten zu können.
Deutschland ist Multi-Kulti. Amerika ist Multi-Kulti. Alle Länder sind oder werden langsam Multi-Kulti. Jede Kultur hat ihre Eigenarten und bringt diese mit, wenn sie zu einer anderen Kultur "überwechselt". Ich persönlich finde das eine sehr schöne Sache. Ich finde, Offenheit anderen Kulturen und Menschen gegenüber sollte immer vorhanden sein. Ich finde es schön zu sehen, wenn Menschen aus anderen Kulturen offenherzig empfangen werden -egal wo- und ich finde es traurig und schlimm, wenn sie es nicht werden.
Doch in dem Fall habe ich nicht das Gefühl, dass die Feindlichkeit in erster Linie von den Deutschen ausgeht, sondern auf jeden Fall auch von den Türken. Ich spreche nicht von allen Türken, aber ich spreche von denen, die Sarrazin kritisiert.
Das türkische Volk hat einen Stolz, den ich persönlich interessant, aber auch erschreckend finde. Mein Vater formulierte es mal so: "Die Türken waren ein Wandervolk. Sie sind es gewöhnt, sich niederzulassen und ihre Kultur beizubehalten." Ich finde das ansich nichts Schlechtes. Aber wir in Deutschland haben auch eine Kultur. Es ist in meinen Augen nichts gegen Verschmelzung einzuwenden. Wenn ich durch eine Straße gehe, sind da drei Dönerladen, zwei Italiener, ein chinesisches und ein japanisches Restaurant und n Grieche. Das ist doch cool!
Was ich bemängle und kritisiere und was in meinen Augen auch wirklich ein großes Problem darstellt sind Türken (tatsächlich sind es überwiegend Türken), die dafür sorgen, dass man sich als Deutscher in den Straßen nicht mehr wohlfühlt. Oft sind das junge Türken, die nie die Gelegenheit hatten, auch nur einen Teil Deutschlands kennen zu lernen, da sie zuhause nur Türkisch sprechen und in den Schulen unter ihresgleichen sind. Das sind Jugendliche, die ein Identitätsproblem haben. Häufig sprechen sie weder Türkisch noch Deutsch fließend, sie wissen nicht, wo sie hingehören und so verbinden sie sich und formen in der Masse ihre Hilflosigkeit in Aggression und "Scheiß-auf-alles" um. Ich finde, dass dort angesetzt werden muss.
Ich bin der Meinung, dass von beiden Seiten Kooperation wichtig ist. Ich finde nicht, dass man die Türken bekämpfen, sondern dass man auf sie zukommen muss.
Natürlich ist dies in vielerlei Hinsicht schwierig. Während sich in Deutschland viele Menschen von der Religion abgewendet haben, finden wir bei den Muslimen überwiegend eine starke Gläubigkeit vor. Dies ist für uns, die wir mit den Wissenschaften aufgewachsen sind und die wir von klein auf Dinge wie Religion zu hinterfragen gelernt haben, eine schwierige, ja oft eine unverständliche Sache.
Ich verstehe den Ansatz, zu sagen, das passt in die westliche Welt nicht hinein. Und ja, natürlich passen Frauenunterdrückung und Zwangsheiraten da nicht hinein. Aber es ist anmaßend, eine Religion zu beurteilen über die man nichts weiß. Ja, wir hören von Ehrenmorden und in den Medien wird ständig von Selbstmordattentätern gesprochen. Doch diese Vorfälle werden mit der Religion und, schlimmer noch, mit den Menschen gleichgesetzt. Auch das Christentum ist nicht unbescholten. Auch der Islam besitzt Werte. Wer kann es sich anmaßen, die des Christentums als für besser zu befinden? Erstrecht, wenn er sich mit der Thematik nicht auseinandergesetzt hat?
Erst vor 20 Jahren gab es in Ruanda einen Genozid, bei dem zahlreiche Menschen niedergemetzelt wurden. Ruanda war hauptsächlich christlich. Wer den Verfolgten Unterschlupf gewährte waren überwiegend Muslime.
Man kann einen Mensch nicht aufgrund seiner Herkunft und Religion verurteilen, aber in diese Richtung geht es.
Die Deutschen fühlen sich bedroht. Sie haben Angst, ihre Herkunft, ihr Land zu verlieren.
Diese Angst ist da und es ist wichtig, sie zu thematisieren.
Wenn ein Sarrazin dieses Thema krass forumiert, ist es dennoch kein Weg, darüber zu schweigen und ihn ohne Nachdenken ohne Reflexion in die Ecke Rassist zu stellen.
Es muss etwas geschehen! Es muss darüber gesprochen werden! Deutsche und Türken müssen sich einander annähern! Es muss Verständnis und Kooperationswillen von beiden Seiten da sein!
Was ich aber an Sarrazin definitiv zu kritisieren habe ist, dass er eine kulturalistische Denkweise an den Tag legt und zwischen dem Wert und der Intelligenz von Menschen aufgrund ihrer Herkunft unterscheidet. Das ist etwas, was auch in meinen Augen durchaus in Richtung Rassismus geht und was man keinesfalls akzeptieren sollte. Eine Denkweise, die heutzutage längst als überholt gelten sollte und erstrecht in der Politik nichts zu suchen hat! Hier noch ein kurzer Artikel dazu, den ich eben entdeckt habe:
München (dapd). Der Zentralrat der Juden in Deutschland wendet sich gegen die Verwendung von Begriffen wie "Leitkultur" und "christlich-jüdische Tradition". Der Begriff Leitkultur sei irreführend, sagte Zentalrats-Vizepräsident Salomon Korn der Internetausgabe der "Süddeutschen Zeitung". Wenn Kultur befruchtend und lebendig bleiben solle, sei sie auf den Austausch mit anderen Kulturen angewiesen. "Von 'Leitkultur' zur 'Kulturdiktatur' ist es nur ein kleiner Schritt", sagte Korn. "Kulturen, die keine Einflüsse mehr von außen zulassen, erstarren."
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Korn widersprach auch Thesen des ehemaligen Bundesvorstands Thilo Sarrazin zu erblicher Intelligenz. Sarrazins Weltbild sei stark vereinfacht und damit auch gefährlich. Die Mehrheit der Zuwanderer habe sich in Deutschland gut integriert. "Ein kleiner Teil hat Probleme und macht auch Probleme, nur fällt dieser Teil überproportional auf und dringt über die mediale Wirklichkeit unverhältnismäßig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit", sagte Korn. Sarrazin habe reale Probleme angesprochen, dabei aber falsche Begriffe verwendet. Damit habe er eine Stimmung bei denjenigen getroffen, die sich nach einem starken deutschen Nationalbewusstsein sehnen. "Wer keine gefestigte Persönlichkeit besitzt, sucht Menschen, auf die er hinabschauen kann", sagte Korn. Dies sei eine Abgrenzung vom Fremden, durch die man die eigene Identität zu stärken versuche.