Sebastian Edathy - Erst Rücktritt dann Hausdurchsung
11.02.2014 um 16:01Edathy weist Kinderporno-Verdacht zurückhttp://www.welt.de/politik/deutschland/article124737906/Edathy-weist-Kinderporno-Verdacht-zurueck.html
SPD-Innenexperte Sebastian Edathy hat den Vorwurf des Besitzes von Kinderpornografie zurückgewiesen und erstattet Strafanzeige. Seine Partei ist über die Ermittlungen bestürzt und fordert Aufklärung.
Der SPD-Politiker Sebastian Edathy hat den Vorwurf des Besitzes von Kinderpornografie zurückgewiesen. "Die öffentliche Behauptung, ich befände mich im Besitz kinderpornografischer Schriften bzw. hätte mir diese verschafft, ist unwahr", erklärte Edathy am Dienstag auf seiner Facebook-Seite.
"Die Tatsache, dass bei einer nur auf Mutmaßungen beruhenden gestrigen Hausdurchsuchung in meiner Privatwohnung die Lokalpresse zugegen war, nehme ich zum Anlass, Strafanzeige zu erstatten. Ich gehe davon aus, dass die Unschuldsvermutung auch für mich gilt. Ein strafbares Verhalten liegt nicht vor."
Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte zuvor die Ermittlungen gegen den SPD-Politiker bestätigt, wollte sich aber nicht zu den Gründen äußern. Die Polizei hatte am Montag die Wohnung Edathys in Niedersachsen durchsucht. Er hatte am Wochenende erklärt, sein Bundestagsmandat am Freitag aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt zu haben.
Zuvor bestätigte SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht in Berlin, dass wegen des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt werde. "Wir sind alle sehr bestürzt", sagte Lambrecht. Die SPD-Fraktionsspitze sei am Montagabend über die Ermittlungen gegen Edathy informiert worden. Lambrecht forderte eine "schnellstmögliche Aufklärung" der Vorwürfe.
Nach Informationen der "Welt" gibt es in dem Ermittlungsverfahren internationale Bezüge. Wie es in Sicherheitsbehörden heißt, hat das Bundeskriminalamt (BKA) im Rahmen der Bekämpfung der Kinderpornografie strafrechtliche relevante Informationen an die zuständige Staatsanwaltschaft Hannover übermittelt. Das BKA selbst wollte sich dazu ebenso wenig äußern wie die Staatsanwaltschaft.
Nach NDR-Informationen handele es sich nach Einschätzungen aus Ermittlerkreisen um einen minderschweren Fall. Edathy soll sich derzeit im europäischen Ausland befinden. In seinem Heimatort Rehburg wurde er am Wochenende noch beim Einkaufen gesehen. Nach Informationen der "Welt" soll der Politiker gesagt haben, dass er "jetzt einmal für eine Woche" wegfahren wolle, dass er seine Wohnung aufgeben wolle, auch das Wort "Burn-out" soll er benutzt haben.
Üblicherweise kann ein Beschuldigter bei einer solchen Razzia dabei sein. Deshalb musste ein Schlosser die Wohnungstür öffnen, meldet der "Focus".
Razzien in Wohnung und Büros
Zuerst hatte die im niedersächsischen Nienburg erscheinende Lokalzeitung "Die Harke" in ihrer Dienstagausgabe berichtet, es seien das Wahlkreisbüro Edathys in Nienburg sowie seine Privatwohnung in Rehburg durchsucht worden.
Kritik an der Veröffentlichungspraxis der Zeitung kam vom niedersächsischen Landesverband des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Fotos, die durch Fenster aufgenommen worden seien, seien "presserechtlich problematisch", teilte dieser über den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter mit.
Die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) bezeichnete die Veröffentlichung des Fotos in ihrem Twitter-Account als "unsäglich". Zudem schrieb sie: "Es gilt die Unschuldsvermutung."
"Die gegen Sebastian Edathy geäußerten Vorwürfe wiegen schwer und müssen sorgfältig, schnell und umfassend aufgeklärt werden", erklärte der Generalsekretär der niedersächsischen SPD, Detlef Tanke, in Hannover. Weitere Stellungnahmen lehnte Tanke unter Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren ab.
Die Staatsanwältin Kathrin Söfker sagte der "Welt": "An diesem Dienstag werden wir uns definitiv nicht mehr zu dem Ermittlungsverfahren gegen Herrn Edathy äußern." Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hannover ließ offen, ob die Behörde am Mittwoch eine Erklärung zu dem Fall abgeben wird.
Erinnerung an Jörg Tauss
Der Fall erinnert an den des früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss. Der Netzpolitiker wurde im Mai 2010 von einer Großen Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe wegen Besitzes, Weitergabe und Erlangen von kinderpornografischem Material in insgesamt 102 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Tauss hatte zunächst alle Vorwürfe bestritten und sich darauf berufen, das Material nur wegen seiner internetpolitischen Arbeit gesichtet zu haben.
Allerdings besteht zwischen Tauss und Edathy ein gravierender Unterschied: Gegen den Niedersachsen gibt es bislang lediglich einen Verdacht. Dagegen ist das Urteil gegen Tauss seit Langem rechtskräftig.
Dieser reagierte auf Twitter: "Ohne zum Fall #Edathy Näheres zu wissen. Offensichtlich wurde, wie bei mir, die Presse im Vorfeld über Durchsuchungen unterrichtet."
Der Sozialwissenschaftler Edathy gehörte dem Bundestag bereits seit 1998 an und war bis vor wenigen Tagen Mitglied im Vorstand der SPD-Fraktion sowie des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. In der vergangenen Legislaturperiode wurde er als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses bundesweit bekannt.
Arbeit wurde hoch geschätzt
Seine Arbeit bei der parlamentarischen Aufklärung im Zusammenhang mit dem Behördenversagen in der neonazistischen Mordserie wurde über alle Parteigrenzen hoch geschätzt – von den Kollegen der Linkspartei, der Union, den Grünen und der FDP. Sie machten sich allerdings schon im vergangenen Jahr Sorgen, weil Edathy sich häufig krankgemeldet hatte und augenscheinlich an schweren Depressionen litt.
Der Politiker engagiert sich bereits seit 1990 in der SPD und kam in den 60er-Jahren aus Indien nach Deutschland, seine Mutter ist Deutsche. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.
Der Innenpolitiker, in Hannover geboren, gilt als eloquent, witzig und intelligent, dabei manchmal auch scharfzüngig. Er ist bei Facebook sehr aktiv. Der SPD-Politiker postet viele Fotos, darunter Begegnungen mit anderen Politikern, Termine im Wahlkreis, auch oft von seinem Hund. "Eigentlich will ich mich nicht wirklich ändern. Eigentlich will ich mich doch ändern. Eigentlich müsste ich mich ändern. Aber eigentlich will ich nicht", schrieb er in einem kurzen Stück im Dezember für die Zeitung "taz" über Vorsätze zum neuen Jahr.
Natürlich gilt auch für ihn die Unschuldsvermutung aber was meint ihr...Könnt ihr euch vorstellen dass er in so etwas verwickelt ist oder haltete ihr es für unwahrscheinlich?
Ich kann es mir schon vorstellen, denn ohne Beweisgrundlage würde man bei einem derart bekannten Politiker wohl keine Hausdruchsuchung machen.