Ich wachte kurz auf, als John neben mir auftauchte, und sich das M60 nahm. Ich protestierte nicht, ich war so erschöpft, ich hätte es wahrscheinlich sowieso nicht mehr hochbekommen. Ich schlief wieder ein. Plötzlich gellten Schüsse auf; sofort sprang ich auf und zog eine Desert Eagle. John hatte das MG an einem Mauervorsprung aufgestellt: Eine gute Idee, so hatte er einen sehr großen Feuerradius. "Fuck, noch eine Kompanie! 6 Uhr!" rief er mir zu. Ich hatte sie auch schon bemerkt. Ob ich noch ein solches Gefecht überstehen würde? Egal. Ich musste wenigstens die anderen raushauen, ich hatte eh nichts zu verlieren. Ich leerte das kleine Fläschchen mit Hellfire. Es war wohl ein wenig zu viel: Mein Herz begann zu rasen, meine Muskeln spannten sich von selbst. Doch genau das brauchte ich jetzt. Meine Hände zitterten nicht mehr, die Erschöpfung war wie weggeblasen. Ich ging zu John und setzte mich an das M60. "Geh zu den anderen, alter Mann. Weder du, noch die Kleine überleben noch ein solch mörderisches Gefecht noch einmal. Die anderen beiden braucht ihr als Begleitung. Haltet euch Richtung AKW, dorthin werden die anderen wohl gegangen sein. Überlebe ich, folge ich euch. Für jetzt: Verschwindet! Flieht! Ich decke euren Rückzug bis meine Munition ausgeht. Du hast es nicht gesehen, aber auf 8 Uhr kommt eine weitere Kompanie angekrochen. 200 Mann! Das würdet ihr nie überleben. Los jetzt. Grüß Daphne von mir."
Widerwillig nickte John. Natürlich überließ er mich nur ungern dem sicheren Tod, aber er hatte keine Wahl, er wusste, dass ich Recht hatte. Er zog sich zurück und verschwand aus meinem Blickfeld. Nun waren diese Mistviecher dran. Ich musste mir überlegen, wie ich sie davon abhielt, aus der Basis zu stürmen. Zwischen Waffenlager und Baracken gab es nur einen Durchgang zum Tor - dort musste ich hin. Ich hatte ja noch 2 Pistolen und ein Schrotgewehr, wenn das MG überhitzte oder die Munition ausging. Vorsichtshalber nahm ich mir noch 2 Granaten aus dem Waffenlager, und stellte dann das MG auf. "Kommt her, ihr Bastarde! So leicht kriegt ihr mich nicht!"
Aus der Entfernung schoss ich in den Haufen. Sie wurden aufmerksam auf mich, und rannten gierig auf mich zu. In ihren Gesichtern sah ich Hunger. Hunger und Hass.
Ich schluckte. Was konnte ein Soldat tun, der dem Tod gegenübertrat? Richtig, singen.
Also begann ich lauthals zu singen.
"From the halls of Montezuma to the shores of Tripoli,
We fight our country's battles, in the air, on land, and sea!"
Ich erinnerte mich an meine alten Einsätze, im Irak. Als Marine mit Kevlarweste, Nachtsichtgerät und Zielfernrohr Irakis die Lichter auszupusten war etwas gänzlich Anderes, als das hier. Sicher, ich war auch dort oft im Nahkampf gewesen. Ich hatte 16-jährige Burschen mit Bajonetten aufgespießt. Ich hatte Gefangene erschossen, die in ihre Taschen gegriffen hatten. Ich hatte blind Granaten in Häuser geworfen, ohne zu wissen, was dort auf mich wartete: An meinen Händen klebte unglaublich viel Blut. Ich hatte wirklich überall gekämpft, wo man kämpfen konnte. Die erste Welle der Infizierten rannte in den verheerenden Kugelhagel. Sie wurden getroffen, liefen weiter und fielen erst nach einigen Metern. Ein gräßlicher Anblick. Ich schoss und schoss. Sie fielen immer weiter, immer mehr. Ich hatte ihre volle Aufmerksamkeit. Als ich den ersten Patronengurt verschossen hatte, zog ich mich hinter eine Wand zurück und lud in rasender Geschwindigkeit nach. Als ich fertig war, trat ich, das MG in der Hand, der Horde gegenüber. Mit grimmiger Entschlossenheit schritt ich in den Tod.
"First to fight for right and freedom and to keep our honor clean;
We are proud to claim the title of United States Marine!"
Ich fing an zu schießen und rannte blindlings in den Haufen aus Infizierten. Ich drehte mich, jeder Schuss tötete mehr als einen der Bastarde. 7,62x51 war ein äußerst Kaliber mit hoher Durchschlagskraft, das sehr unangenehme Dinge mit Knochen und Fleisch anrichten konnte. Als der zweite Patronengurt leer war, war ich in arge Bedrängnis geraten: Gleich mehrere rissen sich darum, in meine Kehle zu beißen. Ich konnte nichts anderes zu tun, als das M60 am Lauf zu packen und und mit einem Rundumschlag die Schädel der Feinde zu knacken. Ich schrie auf. Trotz meiner fingerfreien Lederhandschuhe hatte ich mir die Hände verbrannt. Ich fiel auf die Knie.
Jetzt spürte ich jeden Kratzer, jeden Bluterguss, ich spürte Hunger, Erschöpfung und Verzweiflung. Und doch: So wollte ich nicht sterben! Nicht auf den Knien! Nicht als erbärmlicher Haufen Angst und Müdigkeit. Der alte Soldatenstolz zwang mich hoch. Ich riss beide Deser Eagle aus den Holstern und leerte die Magazine in den Haufen, während ich mich mit Tritten rauskämpfte, aus dem gröbsten Haufen. Wieviele ich getötet hatte, wusste ich nicht. Ich warf die Pistolen weg, dai ch keine Magazine mitgenommen hatte, und zog das Schrotgewehr. Der Spaß hatte gerade erst begonnen.
Die Spas-12 lag ruhig und fest in meinen Händen. Der Rückstoß war mörderisch, doch jeder Schuss saß, mit jedem Treffer gingen Drei oder Vier der Bestien zu Boden. Gerade als sie mich erreicht hatten, verstummte das Gewehr jedoch - das Magazin war leer! Ich drosch dem ersten den Lauf des Gewehrs mit voller Wucht ins Gesicht und zündete eine der Granaten, ehe ich hinter eine Mauer sprang. Für's Erste hatte ich es geschafft. Aber nun war ich praktisch unbewaffnet! Kurze Zeit später entdeckte die Horde mich, und diesmal musste ich fliehen, wenn ich noch mehr der Hunde mit in die Hölle nehmen wollte. Ich hatte meine Erschöpfung unterschätzt: Plötzlich fühlten sich meine Knie weich an, und wollten mich nicht mehr tragen. Ich stürzte. Der Haufen erreichte mich. Ich zwang mich unter unerträglichen Schmerzen hoch und trat ihnen, nur mit einem Kampfmesser bewaffnet, entgegen. Die Granate war griffbereit in einer Brusttasche, damit ich mich mit den Viechern in die Luft jagen konnte, bevor es zu Ende war. Sie hatten mich erreicht. Ich schloss die Augen, und leerte meine Gedanken.
Dem ersten stach ich von unten schräg durch den Hals, und in einer Drehbewegung trat ich einen zu Boden und drosch dem Nächsten den Griff das Messers in den Nacken. Ich verteilte sehr großzügig Tritte mit meinen Stahlkappenstiefeln und Faustschläge mit den gepanzerten Handschuhen. Das Messer triefte vor Blut, und war mittlerweile stumpfgeschlagen. Plötzlich spürte ich etwas längliches, metallisches zwischen meinen Beinen. Ich sah nach unten und schrie vor Freude auf: Dort lag das AK, das John verloren hatte! Mit neu entflammtem Mut griff ich nach unten, lud durch und schoss eine Salve in den Haufen, der um mich herum stand. "Verreckt, ihr Schweine!"
Ich zündete die verbliebene Granate und warf sie genau in die Mitte der Horde.
Sie hatte verheerende Wirkung. Dämonisch lächelnd trat ich ihnen ein weiteres Mal entgegen. Doch das Lächeln verging schnell: Ich hatte keine Munition mehr, nur noch 4 Schuss im Magazin der Kalaschnikov, sogar mein Messer hatte ich im Eifer des Gefechts weggeworfen, und dort standen noch immer etwa 60 Infizierte. Nun war es Zeit, zu kapitulieren. "Ic warte, Hurenbande. Kommt schon her, oder fürchtet ihr euch?"
Und sie kamen. Drei Mal schoss ich in den Haufen, und wartete, bis sie bei mir angelangt waren. Ich schlug den ersten mit dem hölzernen Kolben meiner geliebten Waffe nieder. Die Wucht ließ den Schädel bersten und verteilte eine unangenehm riechende Flüssigkeit vor mir auf dem Boden. Ich hatte keine Zeit, zu überlegen, was es war: Die nächste Welle kam mir direkt entgegen. Ich setzte das Gewehr an meine Kehle, wollte mir gerade den Gnadenschuss verpassen, als... Ein Infizierter zu nahe an mir dran war, und mir die Waffe aus der Hand riss. Nein, so durfte es nicht enden! So will ich nicht sterben! Ich fiel zu Boden, zerbrochen an Verzweiflung, Erschöpfung und Schmerz. Ich spürte Bisse und Klauen, die an meinem Körper rissen. Meine Sicht trübte sich, mir wurde schwarz vor Augen. Tränen liefen über mein Gesicht, als mein Blick auf das letzte fiel, was mich an mein Leben erinnerte: Der Origami-Schmetterling, den Daphne mir geschenkt hatte...
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