Narrenschiffer
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Elisabeth Zöller - Vaters Befehl
09.02.2025 um 16:09
Dieser Roman der Kinder- und Jugendbuchautorin Elisabeth Zöller basiert auf den Erzählungen einer alten Frau, die sie gebeten hat, ihr Leben als 15-Jährige des Jahres 1941 zu fiktionalisieren. Thematisiert wird das Leben als Tochter eines Polizeibeamten in Münster, der aktiv an der Vertreibung der Juden beteiligt war.
Paula wächst behütet auf und hat eine Freundin aus reichem Haus (ihr Vater ist Primar), Mathilda. Gemeinsam reiten sie auf Mathildas Pferden aus, verbringen viel Zeit miteinander, bis die mörderische Politik beide trennt: Mathildas Mutter ist Jüdin, der Vater weigert sich, von ihr scheiden zu lassen, und verliert seine Stelle im Krankenhaus. Obwohl Paula Karriere beim BDM macht und der Lügenpropaganda vom guten Führer Glauben schenkt, gibt sie die Freundschaft nicht auf. Auch als die Schuberts aus ihrer Villa ausziehen müssen, bleiben sie mittels Geheimbriefkasten in einem Baum in Kontakt. Eine Flucht Mathildas über Holland gelingt nicht und sie verstecken sich wieder in Deutschland.
Paulas Weltbild beginnt aus eigener Erfahrung zu bröckeln. Zunächst beobachtet sie, wie ein Mitglied der Swing-Jugend schwer verprügelt aus dem Polizeirevier gezerrt wird (ihr Vater steht dabei), und als sie ihrem Vater bei der Judenvertreibung zu einem Transport nach Riga am Bahnhof nachgeht und eine Nacht lang Zeugin wird, wie mit den Menschen umgegangen wird und dass auch der Gepäckwagen abgehängt wird, dämmert ihr, dass ein kolossales Verbrechen geschieht und ihr Vater Teil davon ist. Auch wird ihr bewusst, dass die neue Villa, in der sie nun leben, nicht redlich gekauft, sondern ein Haus von Vertriebenen ist.
Als sie ihren Vater stellt, die Freundschaft mit Mathilda nicht beenden will und schließlich ihn und Hitler als Mörderbande bezeichnet, schlägt sie ihr Vater grün und blau und sperrt sie in den Dachboden, von wo aus sie in ein Kloster verfrachtet wird.
Im Nachwort berichtet Zöller, dass Mathilda und ihr Vater in die USA ausgewandert sind und Paula nach wie vor Kontakt zu ihr hat. Ihre Mutter hat Mathilda nie wieder gesehen, sie ist höchstwahrscheinlich ermordet worden.
Der Roman ist sehr hochwertig geschrieben. Zu Beginn lernen wir ein naives, gut gelauntes Mädchen kennen, in deren Welt langsam das Beklemmende Eingang findet. Obwohl das Historische bekannt ist, gelingt es Zöller, die Perspektive des Mädchens beizubehalten, das eben nicht weiß, was vor sich geht, und dem langsam ein ungeheures Verbrechen dämmert, in das ihr Vater involviert ist. Durchaus eine Leseempfehlung.