Beecher Stowe-Onkel TomOriginal anzeigen (0,3 MB)

Dies ist vermutlich eines der berühmtesten Anti-Sklavereibücher der Literaturgeschichte. Abgesehen davon, dass Beecher-Stowe tief religiös war und in diesem Buch der Tod eine wünschenswerte Erlösung darstellt (sowohl für den Sklaven Tom als auch für das weiße tuberkulöse Mädchen Evangeline) und die Lage der Schwarzen in den USA aus Sicht einer weißen Abolitionistin geschrieben ist, wird die Sklavengesellschaft der USA in diesem 1852 als Fortsetzungsroman erschienenen Werk scharfsinnig analysiert und die Sklavenbefreiung als alternativlos dargestellt.

Der Rahmen ist, dass ein gutherziger Sklavenbesitzer namens Shelby aufgrund von Schulden einen Teil seiner Sklaven verkauft, darunter auch seinen Gutsverwalter Tom und eine junge Mutter namens Eliza. Während Eliza und ihr von einem Nachbargut fliehenden Gatten Georg sich mit ihrem Kind auf abenteuerlichen Wegen nach Kanada retten können, wo sie die Freiheit erhalten und ein normales Leben sich aufbauen können (Georg als Maschinist, später Student in Frankreich, und ihr Sohn als Schüler an einer angesehenen Schule), wird Tom von einem Sklavenhändler zunächst an einen weiteren gutherzigen Herrn weiterverkauft, der ihn freilassen will, jedoch vor der Freilassung bei einem Streit in einem Gasthaus getötet wird, wodurch Tom weiterverkauft wird, auf einer herabgekommenen Baumwollplantage einem jähzornigen und brutalen Sklaventreiber ausgesetzt ist und schließlich zu Tode gepeitscht wird, da er den Aufenthaltsort zweier flüchtiger Frauen nicht preisgeben will. Shelbys Sohn, der seine Kindheit mit Tom verbracht und ihn freikaufen will, kommt zu spät und kann ihn nur noch bestatten.

Am Ende wird es ein Familiendrama mit gutem Ende. Die beiden flüchtenden Frauen treffen auf die Tochter der Älteren, die freigelassen wurde, und alle fahren nach Kanada, um Georg und Eliza zu treffen. Alle sind Teil der beiden Familien und waren auf Shelbys Gut Sklaven. Nach Georgs abgeschlossenem Studium zieht die Familie nach Liberia, um dort missionarisch und wirtschaftlich tätig zu sein.

Der Sohn Shelbys lässt nach Rückkehr von Toms Beerdigung alle seine Sklaven frei und bekräftigt, dass dies keine Entlassung bedeutet:
"Ihr braucht mich nicht zu verlassen. Das Gut braucht nach wie vor alle Hände zur Arbeit. Aber ihr seid jetzt freie Männer und freie Frauen. Ich werde eure Arbeit entlohnen, das machen wir noch ab. Der Vorteil liegt nur darin, daß ihr, falls ich in Schulden gerate oder sterbe - was geschehen kann -, jetzt nicht geholt und verkauft werden könnt."
Beeindruckend ist die Deutlichkeit, mit der Beecher-Stowe darlegt, wie die Sklaverei gerechtfertigt wird und dass das Gesetz versklavte Menschen als Ware betrachtet. Auch das Selbstverständnis von Sklavenhaltern wie Sklavenhändlern spiegelt dies, so beim Sklavenhändler Harris:
"Wir leben in einem freien Lande - der Mann gehört mir, und ich kann mit ihm tun und lassen, was ich will - und damit basta."
Der Sklavenhändler Haley entgegnet einem der gutherzigen Sklavenhalter dessen Vorwurf, er behandle seine "Ware" schlecht, sehr pointiert:
»Sie sollten sich was schämen, Ihr Leben lang Männer und Frauen aufzukaufen und sie wie das liebe Vieh in Ketten zu legen. Es muß ein feines Geschäft sein.«
»Solange Ihr feinen Leute noch Männer und Frauen kauft, bin ich nicht schlechter. Menschen zu verkaufen ist nicht schlimmer, als Menschen zu kaufen.«
Was die Sklaverei für die als Waren gehaltenen Menschen bedeutet, wird sehr plastisch geschildert:
Wir hören so oft, daß Negersklaven beim Tode ihres Herrn sich einfach untröstlich gebärden. Das hat seinen guten Grund; denn kein Geschöpf auf Gottes Erdboden wird so völlig dem Schicksal preisgegeben wie die Sklaven in diesem Moment.
Dem Kind, das seinen Vater verliert, bleibt der Schutz der Freunde und des Gesetzes; es ist etwas und kann etwas tun - es hat eine anerkannte Stellung und anerkannte Rechte, der Sklave hat nichts von alledem. Das Gesetz betrachtet ihn als bar aller Rechte, einfach als Handelsobjekt. Die einzig mögliche Anerkennung seiner Wünsche und Bedürfnisse, die ihm als Menschen mit einer unsterblichen Seele zustehen, kann ihm nur der unbeugsame und niemand Verantwortung schuldende Wille seines Herrn gewähren; und wenn dieser Herr getroffen wird, bleibt ihm nichts übrig.
Während die Sklavenbefreiung mit dem Neuen Testament und Jesus religiös untermauert wird, sehen sich auch Sklavenhalter durch die Bibel legitimiert, und zwar durch die Verfluchung der Hamiten durch Noah (1. Mose 9,25):
Verflucht sei Kanaan und sei ein Knecht aller Knechte
Auch die Problematik der Nordstaaten wird angesprochen, wo keine Sklaven gehalten werden, aber kaum Afroamerikaner leben. Dabei ist Beecher-Stowe in Bezug auf die Rassenproblematik der USA nach dem Bürgerkrieg beinahe prophetisch. Toms zweiter gutherziger Herr, Augustin St. Clare, zu seiner in den Nordstaaten lebenden Cousine Ophelia:
"Auf meinen Reisen in den Norden habe ich oft bemerkt, wieviel stärker dieses Vorurteil bei euch besteht. Ihr haßt die Schwarzen wie Schlangen oder Kröten. Aber ihr entrüstet euch, wenn ihnen ein Unrecht geschieht. Ihr wollt nicht, daß man sie mißhandelt, aber ihr selber wollt nichts mit ihnen zu tun haben. Am liebsten schicktet ihr sie nach Afrika, damit ihr sie nicht mehr zu sehen und zu riechen braucht ... Tatsächlich sind wir selbst zu faul und zu unpraktisch, um ihnen den richtigen Begriff von Fleiß und Energie beizubringen, damit sie zu Männern werden. Daher werden sie sich nach Norden wenden müssen, wo Arbeit Mode - und allgemeiner Brauch ist. Was meinst du, Kusine, werden eure Nordstaaten genug christliche Nächstenliebe aufbringen, um diesen Prozeß der Erziehung und Aufklärung zu vollziehen? ... Wir sind die sichtbaren Unterdrücker der Neger; aber das unchristliche Vorurteil des Nordens ist ein Unterdrücker, dessen Faust mindestens ebenso schwer auf ihnen lastet."