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Heinrich Heine - Atta Troll
31.08.2024 um 13:40Dieses nicht vollendete Versepos Heinrich Heines aus dem Jahr 1846 spielt in den Pyrenäen und handelt von einem Tanzbärpaar: Atta Troll und seiner Frau Mumma. Atta kann sich befreien und flüchtet in seine ehemalige Höhle zu seinen Bärenjungen, denen er gesellschaftliche Lehren vorträgt über den Hochmut der Menschen, die Ungerechtigkeit von Privateigentum (Proudhons "Eigentum ist Diebstahl" spiegelt sich darin) sowie eine gerechte Herrschaft der Tiere, die sich gegen die Herrschaft der Menschheit wendet. Atta wird schließlich vom Jäger Laskaro mit einer von seiner Mutter, der "Hexe Uraka", angefertigten Zauberkugel erlegt, sein Fell wird verkauft. Seine Frau Mumma endet im Pariser Botanischen Garten (Jardin de Plantes) und verliebt sich in einen russischen Polarbären.
Die Zugänglichkeit des Werks ist durch die vielen Verweise auf die aktuelle deutsche Literaturszene heutzutage erschwert, von den Autoren ist außer Freiligrath heutzutage kaum noch jemand bekannt. Dass das Werk unvollendet und damit auch keine Letztbearbeitung aufweist, ist deutlich merkbar.
Dennoch, so manche Passagen sind schon von einer hohen Dringlichkeit und auf hohem poetischen Niveau.
Atta über die Menschen:
»Aber ach! die Mumma schmachtetIn diesem Kontext dann ein Ausruf des menschlichen Erzählers, der wohl ein politisches Ziel nicht zwischen Mensch und Tier, sondern für die menschliche Gesellschaft formuliert:
In den Fesseln jener Brut,
Die den Namen Menschen führet,
Und sich Herrn der Schöpfung dünkelt.
»Tod und Hölle! Diese Menschen,
Diese Erzaristokraten,
Schaun auf das gesammte Thierreich
Frech und adelstolz herunter,
»Rauben Weiber uns und Kinder,
Fesseln uns, mißhandeln, tödten
Uns sogar, um zu verschachern
Unsre Haut und unsern Leichnam!
»Und sie glauben sich berechtigt,
Solche Unthat auszuüben
Ganz besonders gegen Bären,
Und sie nennen's Menschenrechte!
...
»Menschen, seid ihr etwa besser,
Als wir Andre, weil gesotten
Und gebraten eure Speisen?
Wir verzehren roh die unsern,
»Doch das Resultat am Ende
Ist dasselbe – nein, es adelt
Nicht die Atzung; Der ist edel,
Welcher edel fühlt und handelt.
Ja, ich bin ein Mensch, bin besser,Atta Troll über die Bildung einer Einheitsfront der Tiere:
Als die andern Säugethiere;
Die Intressen der Geburt
Werd' ich nimmermehr verleugnen.
Und im Kampf mit andern Bestien
Werd' ich immer treulich kämpfen
Für die Menschheit, für die heil'gen
Angebornen Menschenrechte.
»Einheit! Einheit! und wir siegen,Dass in der menschlichen Gesellschaft nun nicht mehr aus religiösen Gründen, sondern aus kapitalistischer Gier getötet wird, erklärt Atta seinem jüngsten Sohn bei einem Drudenstein:
Und es stürzt das Regiment
Schnöden Monopols! Wir stiften
Ein gerechtes Animalreich.
»Grundgesetz sei volle Gleichheit
Aller Gotteskreaturen,
Ohne Unterschied des Glaubens
Und des Fells und des Geruches.
»Strenge Gleichheit! Jeder Esel
Sei befugt zum höchsten Staatsamt,
Und der Löwe soll dagegen
Mit dem Sack zur Mühle traben.
»Dieser Stein« – brummt Atta Troll –Die Bequemlichkeit einer Knechtschaft wird anhand Mummas Dasein im Zoo geschildert und kritisiert:
»Ist der Altar, wo Druiden
In der Zeit des Aberglaubens
Menschenopfer abgeschlachtet.
»O der schauderhaften Greuel!
Denk' ich dran, sträubt sich das Haar
Auf dem Rücken mir – Zur Ehre
Gottes wurde Blut vergossen!
»Jetzt sind freilich aufgeklärter
Diese Menschen, und sie tödten
Nicht einander mehr aus Eifer
Für die himmlischen Intressen; –
»Nein, nicht mehr der fromme Wahn,
Nicht die Schwärmerei, nicht Tollheit,
Sondern Eigennutz und Selbstsucht
Treibt sie jetzt zu Mord und Todtschlag.
»Nach den Gütern dieser Erde
Greifen Alle um die Wette,
Und Das ist ein ew'ges Raufen,
Und ein Jeder stiehlt für sich!
»Ja, das Erbe der Gesammtheit
Wird dem Einzelnen zur Beute
Und von Rechten des Besitzes
Spricht er dann, von Eigenthum!
»Eigenthum! Recht des Besitzes!
O des Diebstahls! O der Lüge!
Solch Gemisch von List und Unsinn
Konnte nur der Mensch erfinden.
Und die Mumma? Ach, die Mumma
Ist ein Weib! Gebrechlichkeit
Ist ihr Name! Ach, die Weiber
Sind wie Porzellan gebrechlich.
Als des Schicksals Hand sie trennte
Von dem glorreich edlen Gatten,
Starb sie nicht des Kummertodes,
Ging sie nicht in Trübsinn unter –
Nein, im Gegentheil, sie setzte
Lustig fort ihr Leben, tanzte
Nach wie vor, beim Publiko
Buhlend um den Tagesbeifall.
Eine feste Stellung, eine
Lebenslängliche Versorgung,
Hat sie endlich zu Paris
Im Jardin-des-Plantes gefunden.