Theisen-Checkpoint Europa

Der Kölner Manfred Theisen war unter anderem in der Entwicklungshilfe (Äthiopien, Naher Osten) und als Journalist tätig, bevor er freier Schriftsteller vor allem von Jugendbüchern wurde. Dieses Buch aus 2016 greift den Flüchtlingsstrom von 2015 anhand zweier Syrer:innen (Basil und Sahra) auf, die sich auf der Flucht kennengelernt, deren Wege sich jedoch getrennt haben. Der Beginn des Textes ist sehr holprig und es ist ein Kitsch-Fest zu befürchten, was der Text jedoch nicht wird. Es werden sehr kritische Aspekte aufgegriffen, die bis zum heutigen Tag belastend auf europäische Gesellschaften wirken.

Der 17-jährige Basil flieht nach dem Tod seiner Mutter bei Angriffen der Regierungstruppen auf Homs mit dem von seiner Mutter zusammengesparten Geld. Über Istanbul, Griechenland, Italien und Frankreich gelangt er nach Deutschland, wo er nun in Köln in einem Flüchtlingsheim lebt und eine Schule besucht. Mit dem Journalisten Tobias, der ein Buch über ihn schreiben will, fährt er nach Paris, um Sahra, die er auf der Flucht lieben gelernt hat, zu finden. Ein Fluchtgenosse namens Khalil will ihm die Info verkaufen, wo sie lebt, was sich jedoch als Falle herausstellt.

Sahra ist aus Syrien vor ihrem Mann, mit dem sie mit 13 zwangsverheiratet worden ist, und ihrem gewalttätigen Vater geflohen. Sie lebt schließlich bei einer Familie in Saarbrücken, will das Abitur ablegen und Juristin werden. Aus Nostalgie schickt sie Basil eine Nachricht auf Facebook, Basil fährt mit Tobias zu ihr, doch haben beide sich so stark verändert, dass keine neue Liebe entfachen kann.

So endet der Roman und beide werden vermutlich ihre Traumberufe ergreifen können (Fremdsprachenkorrespondent für Deutsch und Arabisch bzw. Juristin).

So weit so kitschig, wenn da nicht auch der Finger auf klaffende Wunden gelegt würde: Domplattenvergewaltigungen in Köln, Islamismus, Gewalt, Verhöhnung der Polizei, Gewaltverherrlichung in sozialen Netzwerken (Video einer Frauensteinigung in Afghanistan). In Flüchtlingsunterkünften zwingen gewalttätige Islamisten die Scharia auf und der nach Paris geflohene Palästinenser und Antisemit Khalil ist das geronnene Übel: Er hat Basil bei der Flucht zwar geholfen, hat aber auf dem Schiff von Patras nach Ancona einen Wachmann mit einem Stein erschlagen, dass sie unentdeckt bleiben. In Paris steckt er nicht nur 2000 Euro für eine Information ein, die er nicht hat, er fesselt Basil und Tobias in einem Kleinlaster, um Tobias' Kontokarten-PIN zu erpressen. Erst durch das Einschreiten eines Pariser Imam, dem Khalil hörig ist, werden sie freigelassen.
Khalils Augen sind schwarz und voller Hass auf die USA, auf die Juden und auf jeden, der etwas gegen Palästina sagt oder etwas Gutes über die USA.
Khalil ... ist davon überzeugt, dass die Muslime in Deutschland bald eine Partei gründen werden, und dann würden sie bald auch die Wahlen gewinnen. So habe es Erdogan ebenfalls gemacht. Er treibe unsere Sache voran, in der Türkei und in Deutschland. Die Demokratie sei mit uns, denn in der Demokratie bestimme die Mehrheit. Und bald seien wir in der Mehrheit. Wir müssten als Erstes die Schulen ändern, damit die Kinder endlich mehr über den Koran in der Schule lernen könnten, so wie in der Türkei an allen Ecken und Enden Imam-Hatip-Schulen gegründet würden. Erdogan sei ein guter Präsident, ein Stratege.
Khalil ... sagte: "Nur der Tod ist der Sieg. Solange dein Gegner atmet, hat er eine Chance."
Basil über Islamisten in Flüchtlingsheimen:
... fängt Yasin wieder mit seinem Halal-Gerede an. Warum schicken sie ihn nicht in den Irak? Soll er doch für den IS Schiiten töten!
Basil ist verwundert, warum Islamisten überhaupt in Deutschland bleiben können:
Wir haben in der Schule gelernt, dass die Demokratie die Demokraten vor den Nichtdemokraten beschützen muss.
Auch über die Fluchtwege wird sehr deutlich geschrieben.
Die meisten Flüchtlinge hatten in Patras versucht, auf einen der Laster zu steigen und so auf die Fähre und auf das Parkdeck zu gelangen. Sie reißen an einer roten Ampel hinten die Türen der Laster auf und klettern in den Laderaum. Ein zweiter schließt sofort die Tür von außen. Das geht blitzschnell, damit der Fahrer nichts bemerkt. Am besten können es die Afghanen.
Dialog zwischen Basil und Tobias über eine Messerattacke in London:
Das Radio erzählt jetzt von einer Messerattacke in der Londoner U-Bahn, mehrere Leute seien lebensgefährlich verletzt.
»Die Attentäter werden immer unberechenbarer.«
»Das ist ihre Taktik«, sage ich. »Sie wollen uns terrorisieren. Wenn du nicht weißt, wann und wo du plötzlich angegriffen wirst, hast du immer Angst. Das ist ihre Methode.«
»Wir blöden Deutschen fallen auch noch darauf rein.«
Tobias über die Islamistenfinanzierung durch Saudi-Arabien:
... die Belgier hätten die radikalen muslimischen Internate auflösen sollen. ... Unterstützt wird dieser ganze radikale Mist von den Saudis. Ohne deren Geld wären die Salafisten nichts. Die wollten sogar zweihundert Moscheen in Deutschland bauen, aber Flüchtlinge wollen sie nicht aufnehmen. Das ist ein Schweineregime in Saudi-Arabien.
Basil im Dialog mit Tobias über den Koran und den Islamisten Yasil:
Ich sage: »Kämpft gegen diejeni-gen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glau-ben.«
»Ist das aus dem Koran?«
»Sure 9, Vers 29.«
»Und warum hast du das gesagt?«
»Weil ich glaube, dass ihr Deutschen total naiv seid.«
»Sonst wärst du wohl nicht hier. In der Bibel stehen übrigens auch einige Dinge, die ich nicht unterschreiben würde.«
»Aber ihr habt bislang nicht so viele Yasins in Deutschland gehabt, die den Koran wörtlich nehmen.«
Basil über die Scheinheiligkeit radikalisierter Flüchtlinge:
Wir sprachen darüber, dass die Baptisten nett waren, dass sie uns halfen, dass sie uns nicht einmal zum Christentum bekehren wollten, dass wir keine Amerikaner mochten, aber diese Baptisten hier in Athen waren Nordamerikaner, dass wir beide eigentlich gerne in Kalifornien leben würden, dass alle unsere Freunde lieber heute als morgen in Kalifornien leben würden, selbst die Islamisten, jeder, der noch einen Funken Verstand besaß, wollte dort leben. So redeten wir. Allzu oft hatten wir schon Libanesen, Syrer, Iraner und Türken davon reden hören, wie sehr sie die amerikanische Lebensweise verurteilten - aber merkwürdig sei, wie stark sich alle zu Amerika hingezogen fühlten. Die Menschen belogen sich selbst.
Das Verhalten der Staaten gegenüber Flüchtlingen bzw. deren Herkunftsländer wird ungeschönt angesprochen.
Adil sagte: Frag einen Iraner, was er von einem Afghanen hält, und er wird dich fragen, was du von Tieren hältst. Die Iraner mögen es nicht, wenn wir Afghanen durch ihr Land nach Europa reisen. Schließlich könnten wir dort etwas lernen und zurück nach Afghanistan kommen und unser Land aufbauen. Die Iraner wollen das nicht, sie wollen die Afghanen kleinhalten, denn sonst vergessen sie womöglich, dass die Iraner ihre Herren sind.
Die Griechen wollen uns nicht, sie wollen nicht einmal, dass wir uns registrieren.
Die Franzosen rüsten auf. Sie beschießen mein Land und versuchen ihr eigenes sauber zu halten. Ein paar Franzosen und Belgier haben in Paris Franzosen und andere Europäer ermordet und deshalb fliegen sie nun Luftangriffe gegen Syrien. In Köln sind die Bäume zu kleinen Würfeln beschnitten. Die Europäer versuchen alles zu ordnen, sie haben die Grenzen auf der Welt gezogen, in Syrien, im Irak und in Afrika. Sie machen alles, wie es ihnen passt. Früher mussten alle Menschen auf der Welt Christen werden, heute müssen alle Menschen Demokraten sein.
Khalil erzählte, dass ihn gar nicht die Griechen, sondern italienische Wachleute gefasst hätten, als er vom Parkplatz über den Zaun klettern wollte. "Sie haben mich sofort wieder laufen lassen. Einer von den Grenzern hat mir die Cola gegeben. Er sagte: ›Mach, dass du hier wegkommst.‹ Ich soll mich in einen Zug setzen und möglichst nach Frankreich, Österreich, Deutschland oder sonst wohin fahren, nur nicht in Italien bleiben. Italien sei nicht gut für mich. Sie wollten mich überhaupt nicht aufhalten."
Tobias über die arabischen Staaten, die keinen Finger rühren, um den Flüchtenden beizustehen:
... die reichen Araber geben ihr Geld nur für sich aus, für fette Autos, nicht für Bildung. Da wird keine Uni gebaut, nichts! In Köln werden im Jahr mehr Patente angemeldet als in allen muslimischen Staaten zusammen. Selbst die Türkei kann kein einziges Medikament herstellen.
Die haben nichts. Ich frage mich immer, worauf die eigentlich stolz sind? Auf einen Haufen Steine? Auf irgendwelche alten Sachen - Pyramiden, den Koran, ihre Kriegshelden? Nicht einmal Waffen können sie herstellen. Nichts! Wenn wir ihnen keine Autos verkaufen würden, müssten sie wieder auf Eseln reiten.
Ich sage dir nur die Wahrheit über die heutigen arabischen Völker und auch die Perser, die ganzen Leute, die in der Wüste leben und mit ihren Ländern nicht weiterkommen. Sie ruhen sich auf Traditionen aus, die längst überholt sind. Wann kapieren sie, dass nicht Allah, sondern Apple die Welt regiert? Die Amerikaner haben die Waffen. Das stimmt. Aber stell dir mal vor, die Deutschen wären die Weltmacht! Oder die Russen. Oder die Saudis. Was für ein Horror wäre das denn? Die Menschen wollen keinen Gott, sie wollen gut leben, deshalb laufen sie zu uns in den Westen. Sie wollen Frieden und Arbeit und Konsum. Das ist ihr Ziel.
Basil über die Deutschen:
Die Deutschen überraschen mich immer wieder. Kein Syrer hätte damit gerechnet, dass uns ausgerechnet die Deutschen helfen. Kein Araber ist für uns da. Die Deutschen haben keinen Vorteil von uns und trotzdem helfen sie uns.
Basil über die Fluchtroute als Drogenschmuggel-Route:
... dass in der Türkei tonnenweise Heroin aus dem afghanischen Opium produziert wird. Und das wird dann nach Russland, aber auch über die Balkanroute nach Westeuropa gebracht.
Es sind solche Passagen, die dieses nun bereits acht Jahre alte Buch immer noch aktuell halten.