Rabinowich-Hinter Glas

Das ist nun das zweite Buch einer der aktuellen Stars am österreichischen Literaturhimmel, das ich gelesen, besser gesagt: quergelesen habe, und es ist ein Kitschroman (für Fortgeschrittene?).

Alice ist eine hübsche und kluge, aber kränkliche Schülerin, die in der Villa ihrer Eltern aufwächst. Die Mutter ist eine ehemalige, sehr erfolgreiche Schauspielerin, der Vater geht unbekannten Geschäften nach, und die Familie bekommt Unmengen an Geld vom Großvater väterlicherseits, der am selben Grundstück in einer schlossartigen Villa mit Ritterrüstungen lebt. Der Großvater ist an einen Rollstuhl gefesselt, kann aber mit seinem Jähzorn Sohn wie Schwiegertochter ziemlich nerven. Aber was tut man nicht alles, um die Geldquelle zufrieden zu stellen.

In der Schule verliebt sich Alice in einen neuen Schüler, der gerade von einer Weltreise zurückkommt. Er heißt Niko und sieht aus wie Kurt Cobain. Da ihre Eltern ihn Alice nicht in ihrer Villa besuchen lassen, läuft Alice kurzerhand von zuhause weg, und als auch seine Mutter nicht will, dass Alice bei ihnen wohnt, ziehen beide zu einem Freund namens Mick in dessen WG (oder Wohnung?), wo permanent mit Freunden Party gefeiert wird. Ihre Eltern informieren nicht die Polizei, weil Alice droht, irgendwas über die Familie auspacken zu wollen. Bei einem Treffen mit ihrer Mutter, wird ihr ein Bündel 200er Euro-Noten zugesteckt.

Damit die Story nicht zu fad wird, braucht es Action. Alice wird ihr Handy gestohlen und allen ihren Kontakten werden SMS-Nachrichten zugesandt. Da sie der Ansicht ist, dass ihr das Handy an einem S-Bahnhof gestohlen worden ist, fahren Niko, Mick und sie dorthin. Dort sitzt ein ausländischer Bettler auf einer Bank und hält ein Handy in seiner Hand. Niko ruft Alices Handy an und - wahrlich! - es bimmelt das Handy beim Bettler. Als Niko und Mick ihm das Handy wegnehmen wollen, läuft der Bettler weg, reißt eine alte Frau um und stürzt mit ihr auf die Bahngeleise. Beide überleben. Die Jugendlichen laufen weg.

Als Alice ein schlechtes Gewissen bekommt, will sie zur Polizei. Um dies zu verhindern, versetzt ihr Niko einen Faustschlag ins Gesicht. Sie läuft weg und in einem Park läuft ihr ein Hund zu, der sie zur Wohnung ihres Philosophielehrers führt (wtf!). Dieser sorgt für eine ärztliche Versorgung (sie hat eine Gehirnerschütterung, den Hund nur halluziniert, aber sie bekam mal eine Visitenkarte von ihrem Lehrer, nachdem sie von zu Hause ausgerissen war).

Nach der Genesung erstattet sie Anzeige gegen Niko und Mick bei der Polizei, zieht zu ihren Eltern zurück. Diese brechen mit dem Großvater, und Vater, Mutter, Kind reiten gegen Westen der untergehenden Sonne nach. HALT! NEIN! DAS IST LUCKY LUKE! Sie ziehen aus und fahren einem neuen, unbekannten Heim entgegen.

Was für ein Schmarrn!

Von der Kitschgeschichte (reiches Mädchen reißt aus und lernt die Welt kennen, die ist aber nicht so lustig, daher kehrt sie wieder zu den reichen Eltern zurück) abgesehen: Nicht nur der Einfall mit dem Hund ist absurd, es gibt auch massive Kontinuitätsfehler. Als Nick und Alice mit ihren Eltern brechen, zerstören sie ihre SIM-Karten und kaufen neue in einem Handyshop (wohl Prepaid-Karten). Ihre Kontakte kennen jedoch weiterhin deren Telefonnummer (ohne Rufnummernübernahme? - Sie wollen ja nicht getrackt werden!). Und wie soll jemand ein gestohlenes Handy mit dem Login der bestohlenen Person nutzen können? Das iPhone war definitiv 2019 mehr oder weniger nicht zu knacken. Auch bei Android kann ich es mir nicht vorstellen.

Kitschroman für Fortgeschrittene? Ein wenig Gesellschaftskritik muss auch sein. Der Großvater hat den Reichtum von dessen Vater geerbt, den Alice nur von einem Foto in einem Festanzug mit Orden und im Hintergrund mit KZ-Häftlingen hinter Stacheldraht kennt und dessen Reichtum Beutegut aus der NS-Zeit sein soll (genauer wird nicht darauf eingegangen). Als die Familie am Ende ins Glück fährt, ist keine Rede mehr von "aufdecken". Wäre blöd, ohne Geld ein neues Leben zu beginnen. Das ist schon logisch. Und den Porsche will man ja auch nicht verlieren. Und die Mutter eines Mädchens in der WG von Mick stammt aus Grosny und muss trotz Schmerzen ihr Leben als Putzfrau fristen (jetzt kennt sie auch ein Migrantenschicksal).

Und der Titel? Zu Beginn des Romans lernen wir Alice kennen, als sie ihre Sachen packt, um mit ihren Eltern ins Glück zu fahren. Dabei zerbricht sie einen Spiegel in 24 Teile. Diese symbolisieren ihr Leben in 24 Kapitel. Und als er wieder zusammengesetzt ist, ist der Roman zu Ende. Hmmm. Ja. Kann man machen.