Rhue-Welle

Ich kannte bisher nur die deutsche Verfilmung von Dennis Gansel und bin nun doch überrascht, dass das Ende des ziemlich kurzen Originals von Morton Rhue (eigentlich Todd Strasser) nicht überdramatisiert in einem Schülerselbstmord endet, sondern nahe am Originalexperiment des Geschichtelehrers Ron Jones an einer Schule im kalifornischen Palo Alto im Jahr 1967 bleibt.

Gut herausgearbeitet wird, dass der Lehrer, der zeigen will, wie schnell eine Gruppe sich einem faschistischen Führer anschließen kann, in seiner Rolle immer zwiespältiger wird, sich in der Führerrolle sogar gefällt, doch als die Gruppe beginnt, gegen Außenstehende auch mit Zwang und Gewalt vorzugehen, findet er letztlich keinen internen Ausweg, um die entstandene faschistische Bewegung zu beenden (Ziel war, die Schüler zur Selbsterkenntnis zu bringen), sondern in einer Versammlung zeigt er den nationalen Führer der Bewegung: Adolf Hitler. Letztlich gelingt es nur durch äußeres, historisches Wissen, die Gruppe aufzulösen. Ein Weg, eine totalitäre Gruppe aus sich selbst heraus zur Auflösung zu bringen, wird nicht gefunden. Beim Originalexperiment schien es Jones (einem jüdischen Lehrer) gelungen zu sein, die Bewegung mit weißen Bildschirmen aufzulösen (der Führer ist Nichts).

Detailliert ist das Originalexperiment auf Englisch hier beschrieben: Wikipedia: The Third Wave (experiment)

Der Schüler, der sich als schwacher Lerner und Außenseiter am meisten mit der Bewegung identifiziert hat, soll laut Nachwort und Aussage von Jones einen Karriereweg als Flugzeugmechaniker eingeschlagen haben. Im deutschen Film erschießt er sich.

Einige Beobachtungen des Lehrers Ben Ross sind interessant und dürften von Jones stammen. So können die Schüler zwar mehr "Quizfragen" richtig beantworten, aber die Antworten werden einsilbig:
Ben bemerkte, dass die häusliche Vorbereitung und die Beteiligung am Unterricht sich wesentlich verbessert hatten, doch es fiel ihm auch auf, dass die Schüler weniger nachdenklich an den Stoff herangingen. Sie sprudelten die erwarteten Antworten nur so hervor, doch sie analysierten und fragten nicht mehr.
Auch die Schülermeinungen sind unterschiedlich. Die Anhänger der Welle sehen eine demokratische Gleichheit der Gruppenmitglieder, innerhalb der Gruppe gäbe es keine Unterschiede mehr, von außen jedoch werden sie als "Maschinen" charakterisiert, die sich in einer sektenhaften Gemeinschaft zusammengeschlossen hätten.

Im Vergleich Film und Romanvorlage ziehe ich das Buch definitiv vor, da es nicht überkandidelt dramatisiert ist. Der Zeitaufwand ist wegen der Kürze nicht viel größer.