Torberg-Gerber

1930 erschien dieser Debutroman des damals 22-jährigen Friedrich Torberg über den 19-jährigen Kurt Gerber, der sich zwischen mündlichem Abitur und Notenverkündung an der Schule im dritten Stock aus dem Fenster wirft. So richtig zugänglich ist der Roman nicht mehr.

Gerber ist ein schwacher Schüler, den die Schule nicht interessiert und der nur irgendwie durchkommen will. In sehr langen Passagen werden Ereignisse aus dem Klassenraum geschildert, von strengen und nicht strengen Lehrern und von aufmüpfigen oder unterwürfigen Schülerinnen und Schülern (es war eine gemischte Klasse). Gegenpol ist der Klassenlehrer Artur Kupfer, der privat mal eine Äußerung getätigt hat, Gerber brechen zu wollen.

Der zweite Aspekt ist die Liebe Gerbers zu einer ehemaligen Klassenkollegin Lisa, die immer halbherzig erwidert wird und den sexuellen Wunsch Gerbers ignoriert, obwohl sie mit anderen schläft.

Der Roman, der ein ernsthaftes Thema aufgreift, pendelt permanent zwischen Schülerklamauk (von 19-Jährigen!) bei "hilflosen" Lehrern und Angst bei "strengen" Lehrern. Als Beispiel eine Stunde bei dem "hilflosen" Chemielehrer Filip, bei dem sich die Klasse eher aufführt wie eine Gruppe von Hooligans:
Filip, der eines Tages das Schuljahr aus Chemie für beendet erklärte und die restlichen Stunden mit freien Debatten ausfüllen wollte. Leider ging es gerade in seinen Stunden besonders wüst zu, die Fieberhaftigkeit, die von den übrigen erzeugt wurde, kam hier zu explosiver Entladung, einzelne Bankreihen veranstalteten Sprechchorwettbewerbe, es wurde geschrien und gejohlt, und als Filip in seiner Verzweiflung zu drakonischen Maßnahmen griff (er trug ins Klassenbuch ein, prüfte, drohte mit Karzer und Durchfall) - da wurde er glatt niedergelacht. Man nahm ihn nicht ernst, man wußte, daß er in einer Konferenz niemals durchdringen könnte, es war einfach unvorstellbar, daß jemand auf seinen Antrag hin durchfiele, und die Gewißheit, daß er diesen Antrag gar nicht erst stellen würde, gab ihn dem Hohn der Klasse vollends preis. Seine Ungefährlichkeit wurde mit teuflischem Raffinement ausgenützt, und es war kläglich zu sehen, wie er gegen die losgelassene Meute weder durch Schreien noch durch Bitten oder Appelle an die »Reife« etwas ausrichten konnte.
Auch die Sexualität ist sehr klischeehaft und Handeln wie Denken Gerbers bleiben unzugänglich. Seine sexuellen Nöte (irgendwie ist er "notgeil") werden bei einer jungen Prostituierten und bei einem Fest von Freunden mit einer Unbekannten (wer diese Gruppe ist, bleibt letztlich auch unklar) befriedigt.

Verstärkt wird dieses Nicht-Umgesetzt-Werden des ernsthaften Themas durch eine oft einfache Sprache eines Erzählers, dessen Rolle auch nicht klar wird. Das Lesen ging schnell, und dass man am Ende als Leser froh ist, dass Gerber endlich springt und der Roman aus ist, war wohl kaum die Intention Torbergs.