Was veranlasst einen Menschen zu abonnieren?....
16.03.2023 um 10:14
Ich habe zwar keinen Streamingkanal, weiß aber wie es sich anfühlt, auf Kunstplattformen einige tausend Abonnenten zu haben. Ich vermute, dass den Menschen etwas fehlt. Wie ein Loch im Herzen. Und indem sie gewisse Inhalte bzw. Personen abonnieren, versuchen sie, dieses Loch zu füllen. Vielleicht wissen so einige der Produzenten, wie sie auf diese Weise ihre Abonennten erhalten. Jemand der ständig Let's Plays schaut, sieht anderen nur zu, wie diese spielen. Also bezieht man sich als Gamingkanal auf den Wunsch, dass sich die Gamer nicht mehr so einsam fühlen. Man schafft eine gemütliche, nicht ganz so objektive (d.h. distanzierte) Atmosphäre, redet über dies und das, wie mit einem Freund, der im gleichen Raum sitzt. Um das Videospiel an sich geht es nur sekundär.
Oder anders: Ich als Künstler analysiere natürlich auch, was einen Betrachter dazu führt, bestimmte Werke zu betrachten. Was ist der aktuelle Zeitgeist? Was bringt den Menschen Freude und nicht nur Spaß? Natürlich kann man mit dieser Analyse nicht jeden erreichen. Darum fokussiert man seine Produktion auf ein eingegrenztes Klientel. Das kann man aktiv nutzen, um das zu liefern, was die Leute sehen wollen. Mit klitzekleinen Abweichungen, damit man sich dennoch von der Masse abhebt.
Darum kann man Abonnenten und Inhalt nicht voneinander trennen. Die Sympathie zum Produzenten ist nur eine Nebensache. Wichtig sind die Produktionsinhalte und die Darstellungsweise. Doch auch das muss man der Zielgruppe anpassen. Ein Abonnent, der nur knallharte Fakten sucht, wird keine humorvollen Anmerkungen des Produzenten wünschen. Darum sind die meisten Menschen im Internet auch nicht wirklich ehrlich bzw. authentisch. Wären sie es, dann würden die Abonennten merken, dass die Produzenten genauso langweilig sind wie sie selbst. Selbst wenn die Produzenten ihre Authentizität öffentlich beteuern, tun sie das nur, damit sie keine Abonnenten verlieren. Es ist ein Spiel um Anerkennung und teilweise auch hohe Geldsummen. Würde ich als Künstler für Horrorfiguren plötzlich meine politische Ausrichtung äußern, würden sich viele meiner Abonnenten verschaukelt fühlen. Denn darum geht es in meiner Kunst nicht. Dafür haben sie mich nicht abonniert. Sondern für die Horrorfiguren. Also muss ich unehrlich bleiben, ihnen meine Wünsche, Bedürfnisse und Weltanschauung verschweigen, wenn ich sie nicht verlieren will. Es gibt auch einige wenige Ausnahmen unter den Produzenten, die ehrlich bleiben können, aber dann wird ihre Authentizität ebenfalls zum Wert ihrer Marke oder ihres Namens.
Niemand wird jemanden einfach so abonnieren, wenn dieser sagt: "Bitte lasst mir ein Like, ein Abo und einen Kommentar darunter da." Es ist ein Signal im Gehirn, das die Menschen dazu verleitet, den Abo-Button zu drücken. Ihnen fehlt etwas und sie glauben Erfüllung durch die Produktion (manchmal durch den Produzenten) zu erlangen. Dass man hier versucht, Löcher mit noch mehr Löchern zu stopfen, wird keiner verraten. Jedoch kann der Produzent genau da ansetzen und den Leuten liefern, wonach sie glauben sich zu sehnen. In einer Gesellschaft wie der unseren, in der Konsum wie ein magisches Heiligtum behandelt wird, sehnen die Menschen sich nach noch mehr Konsum, weil viele sich die gezeigten Dinge nicht leisten können oder wollen. Also haben Kanäle mit viel Werbung heute erstaunlich viele Abonnenten, während diejenigen ohne monetärer Absicht eher Spartenkanäle bleiben. Und natürlich spielt der entsprechende Algorithmus mit ein. Wer der Plattform viel Geld generiert, der gelangt auch öfter in Empfehlungen. Doch sobald man etwas veröffentlicht, verliert man auch die Kontrolle über die Produktion. Das Internet vergibt nicht für das, was man veröffentlicht.