Vietz-Verrat

Wer Karl Vietz war, habe ich nicht herausgefunden (laut Eigenaussage hat er kurz vor Verfassen dieses Buches auch die Sowjetunion bereist), aber im Vorfeld des Münchner Abkommens, während im deutschen Generalstab bereits ein Angriff auf die Tschechoslowakei geplant war, wurde dieses Buch heftigst beworben, in dem der Tschechoslowakei das Existenzrecht abgesprochen wird. Die Argumentationslinien sind klassisch nationalsozialistisch, völkisch und rassistisch:

  • Das tschechische Volk unterdrücke durch Gewalttaten und Verbot von Organisationen Deutsche, Ungarn, Slowaken, Ukrainer im Vielvölkerstaat Tschechoslowakei
  • Tschechen hätten keine Mehrheit im Staat
  • Das tschechoslowakische Staatskonstrukt widerspreche dem Selbstbestimmungsrecht der Völker
  • Das tschechische Volk habe in 1000 Jahren nichts ohne fremde Hilfe erreicht
  • Drahtzieher im Hintergrund seien Freimaurer, Juden und Kommunisten
  • Die Tschechoslowakei habe mit Bündnisverträgen sich Frankreich und der Sowjetunion ausgeliefert (Vertragstext mit der Sowjetunion aus 1935 online auf 1000dokumente.de)
  • Für die Sowjetunion sei die Tschechoslowakei Aufmarschgebiet gegen Deutschland. Militärberater werden entsendet, zu diesem Zweck würden Unmengen an Flughäfen errichtet sowie neue Ost-West-Bahnstrecken gebaut bzw. bestehende erweitert
  • Außenminister Benesch sei der KPTsch und der Sowjetunion ausgeliefert und fördere die Bolschewisierung der Tschechoslowakei
  • Ohne die von der Sowjetunion gesteuerte KPTsch könne kein Gesetz verabschiedet werden (Schlüsselstellung im Parlament)
  • Die KPTsch unterwandere nichtkommunistische Organisationen
  • Kommunistische Propaganda und Kulturbolschewismus werde durch staatlich geförderte Vorträge und Kulturveranstaltungen (Film, Reiseberichte, Theater, Buchpräsentationen, Lesungen von Exilschriftstellern) verbreitet
  • Propagandamaterial werde illegal von der Tschechoslowakei aus nach Deutschland und Polen geschmuggelt
  • Kommunisten bildeten mit staatlicher Unterstützung auf tschechoslowakischem Gebiet Agitatoren und Agenten aus, die nach Deutschland und Polen entsandt würden


Immer wieder hebt Vietz hervor, dass die Drahtzieher der Bolschewisierung Juden seien. Mit dieser Politik betreibe die tschechische Regierung einen "Verrat an Europa".

Der nicht recherchierbare Vietz gibt dem Text einen wissenschaftlichen Anstrich, indem er mehrfach Quellen angibt, die aber nur schwer nachzuvollziehen sind. So ist ein längeres Zitat vom Zweiten Kongress der Kommunistischen Internationale in den auch auf sinistra.net und auf der Google-Seite Sozialistische Klassiker veröffentlichten Protokollen und Dokumenten schlichtweg nicht auffindbar.

Welchen Stellenwert dieses Pamphlet einnahm, zeigt die Titelseite des Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel vom 22. August 1938:

Vietz - Verrat an Europa Werbung 1938 BoOriginal anzeigen (0,3 MB)
Bildquelle: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek