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Regina Zoller - Die Thule-Gesellschaft
10.07.2022 um 15:29Diesen Text von Regina Zoller über das Verhältnis zwischen Nationalsozialismus und Okkultismus aus dem Jahr 1994 hat die Schweizer Evangelische Informationsstelle immer noch online. Er gibt einen kurzen Überblick über die Thule-Gesellschaft und deren ideologischen Wurzeln im 19. Jahrhundert, über die Gründung der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) und deren Umstrukturierung zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), ausführliche Präsentationen zu Dietrich Eckart und Karl Haushofer sowie eine Einordnung sogenannter "Hitler-Okkult-Autoren" der Nachkriegszeit.
Die im November 1918 gegründete Thule-Gesellschaft steht in der Tradition der völkisch-okkulten Geistesrichtung der Ariosophie, deren Gründervater der Österreicher Guido von List (1865-1919) ist. List sah sich als letzter Magier der Armanen, eine Art Oberpriester der Ariogermanen. Sein Ziel war ein rassistischer Staat unter der Herrschaft eines arischen Führers, und der größte Feind des Deutschtums sei eine "internationale jüdische Verschwörung".
Sein Schüler und Freund Lanz von Liebenfels (1874-1954) propagierte 1905 bereits eine "rassenreine" Gesellschaft, die an die spätere Lebensborn-Idee der SS erinnert:
Die niederen Rassen sollen sterilisiert werden, die arische Rasse der Gottmenschen solle sich durch strenge Unterordnung der Frau unter den arischen Mann vermehren. Unverheiratete Brutmütter sollen in Zuchtklöstern von blonden blauäugigen arischen Ehehelfern begattet werden, um Neuarier zu gebären.Dies ist der Fundus, aus dem Hitler während seiner Wiener Zeit vor dem Ersten Weltkrieg schöpfte, auch wenn er sich nie dazu bekannte, im Gegensatz zu späteren Mitstreitern der NSDAP.
1912 gründeten Anhänger von List und Liebenfels in Leipzig den streng antisemitischen Germanischen Orden, der Rassereinheit einfordert und den Runen magische Kraft zuspricht.
Die von Rudolf von Sebottendorf (1875-1945) gegründete Thule-Gesellschaft ist nach der sagenhaften untergegangenen Thule-Kultur benannt, die von riesenhaften Übermenschen beherrscht worden sei. Sie hätten überlegenes technisches und psychisches Wissen gehabt, und ein Teil dieses Wissens sei nach Tibet gelangt. Dieses Wissen sei nun zur Rettung Deutschlands und zur Entstehung einer neuen Rasse von nordisch-arischen Atlantiern zu nutzen. Ein neuer Messias werde das deutsche Volk zu seiner wahren Bestimmung führen.
Gründungsmitglieder der Thule-Gesellschaft:
- Dietrich Eckart (Journalist, Schriftsteller)
- Karl Haushofer (Geopolitiker, General)
Zu Mitgliedern der Thule-Gesellschaft zählten (in Klammer ihre späteren Funktionen):
- Wilhelm Frick (Regierungsmitglied im NS-Deutschland)
- Rudolf Hess (Stellvertreter Hitlers)
- Julius Streicher (Herausgeber des "Stürmer")
- Alfred Rosenberg (NS-Parteiideologe, Minister der besetzten Ostgebiete)
- Hans Frank (Generalgouverneur von Polen)
Adolf Hitler selbst war nie Mitglied der Thule-Gesellschaft. Er lernte am 12. September 1919 die Deutsche Arbeiterpartei (DAP) im Auftrag des Gruppenkommandos 4 der Reichswehr kennen, deren Gründungsmitglieder Anton Drexler (Werkzeugschlosser) und Karl Harrer (Sportjournalist) waren. Hitler näherte sich dieser kleinen Partei mit sieben Mitgliedern an und machte es sich zum Ziel, die Ideen dieser Partei der Öffentlichkeit bekanntzumachen. Drexler stand hinter Hitler, Harrer wollte eher eine abgeschlossene Logen-Partei und stellte auch die Frage nach der Macht in den Führungsgremien. Die DAP war intern noch keine Führerpartei, sondern das Führungsgremium entschied auf demokratischem Weg. Hitler konnte sich letztlich durchsetzen. Am 5. Januar 1920 trat Harrer aus der Partei aus.
Am 24. Februar 2020 sprach Hitler bereits vor etwa 2000 Menschen im Hofbräuhaus und verlas das 25-Punkte-Programm der Partei, Rückendeckung hatte Hitler vom Münchner Polizeipräsidenten Ernst Pöhner, Ernst Röhm verschaffte ihm Kontakt zur Reichswehr, General Erich Ludendorff war ihm wohlgesonnen, Gottfried Feder weihte ihn in die Theorie der Zinsherrschaft ein.
Während der Parteikrise im Sommer 1921 vermittelte Dietrich Eckart und stellte sich hinter die Forderungen Hitlers, der die dikatorische Führung der Partei zugesprochen bekam. Das ursprünglich demokratische Führungsprinzip der Partei war endgültig Geschichte. Nach Entlassung aus der Haft nach dem Novemberputsch 1923 starb Eckart im Dezember und wurde zum "Märtyrer der Bewegung".
Karl Haushofer war General bei der Reichswehr und gilt als Vater der nationalsozialistischen Lebensraum-Ideologie. 1909 bis 1910 war er an der deutschen Botschaft in Kyoto und Berater der japanischen Armee. Im Hintergrund soll er das Bündnis zwischen dem NS-Deutschland und Japan in den 1930er Jahren befördert haben. Nach seiner Habilitation 1919 wurde er Professor für Geopolitik und zählt zu den Gründern der Deutschen Akademie. Sein Ziel war, das "geistige Rüstzeug" für eine Lebensraumentwicklung des deutschen Volks zu schaffen. Auch wenn er von 1938 bis 1941 den Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA) leitete, zog Haushofer sich nach dem Überfall auf Polen immer mehr auf sein bayrisches Gut Hartschimmelhof zurück. Mit eine Rolle spielt seine eher prorussische Haltung (Alexander Dugin sieht sich ja bis heute als geistiger Erbe Haushofers) sowie dass seine Frau Martha nach den Nürnberger Rassegesetzen "Halbjüdin" war. Sein Sohn Albrecht hatte Kontakt zu den Attentätern des 20. Juli 1944, wurde verhaftet und schließlich am 23. April 1945 erschossen. Im April 1946 wählten Martha und Karl Haushofer den Freitod.