Narrenschiffer
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Dem Volk auf der Spur
25.04.2022 um 22:38Dieser Band mit Beiträgen einer Konferenz in Berlin im Jahre 2014 beschäftigt sich mit der Frage, ob und wie in kommunistischen Staaten die Volksmeinung erhoben worden ist. Der Ergebnis überrascht nicht: Meinungsumfragen im demokratischen Sinn gab es nicht, nur die Staatssicherheitsorgane waren zum Teil bemüht, Informationen zu erhalten, wie die Bevölkerung denkt.
Aber selbst dies war schwierig. Die berichtenden Behörden haben versucht, entweder ein beschönigendes Bild zu zeichnen, oder wenn sie Kritik geäußert haben, dann mit dem Ziel, interne Parteigegner anzuschwärzen, indem sie Kritik als berechtigt kennzeichneten, indem diese aus zum Beispiel von der politisch engagierten Arbeiterschicht getätigt worden ist. Dies war mit ein Grund, warum in der DDR diese Art von allgemeiner Stimmungslageerhebung wieder zurückgefahren worden ist.
Interessant ist die bulgarische Beobachtung, dass die ab den 70er Jahren geförderte Kritik durch Eingaben so lange genutzt worden ist, solange eine gewisse Stabilität der wirtschaftlichen Lage gegeben war, in Krisenzeiten jedoch abgenommen hat, was als Anzeichen dafür interpretiert wird, dass dieser Rückgang eine innere Abkehr vom System spiegelt und keine Zufriedenheit.
Drei Beiträge eruieren, ob und wie in der Bundesrepublik die Stimmungslage der Bevölkerung der DDR erhoben worden ist. Die Geheimdienste (Organsiation Gehlen/BND bzw. Verfassungsschutz) haben nur zeitweise Interesse an solchen Daten gezeigt, vor allem nach dem Juniaufstand von 1953 bzw. nach dem Bau der Berliner Mauer 1961, ansonsten waren ihre Schwerpunkte auf Politik, Wirtschaft und Militär fokussiert. Als das Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen für eine Annäherung offen war, wurde das Münchner Meinungsforschungsinstitut Infratest beauftragt, die Stimmungslage zu erheben. Von 1968 bis 1989 wurde mit der Methode der Stellvertreterfragen (Bundesbürger mit Ostkontakten wurden über die Meinung der Letzteren befragt) erhoben, wie die Bevölkerung in der DDR denkt. Zwei Ergebnisse der Analyse dieser Umfragen möchte ich vorstellen.
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Insgesamt ein interessant zu lesender Konferenzband. Für die Tschechoslowakei erfahren wir, dass das Archiv der Staatssicherheit oft nur noch der einzige Ort ist, wo oppositionelle Dokumente aus der Zeit um den Prager Frühling 1968 erhalten sind.