Irving-Goebbels

Dieses Buch des britischen Autors David Irving ist nicht nur interessant, um zu beobachten, inwieweit er 1996 noch immer die Holocaustleugnung wie 1989 mit Fred Leuchters unsäglichen Blausäureanalysen weitertreibt (Irving wurde 2005 auf Basis eines Haftbefehls aus 1989 in Österreich wegen Holocaustleugnung verhaftet und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, wovon er insgesamt dreizehn Monate absaß). Beim "Wettrennen" um die Glasplatten-Mikrofilme der Goebbels-Tagebücher in einem Moskauer Archiv hatte Irving 1992 die Nase vorn und Historiker wie Zeitungen mussten sich bei ihm mehr oder weniger anstellen. Die taz hat einen Artikel aus 1992 darüber online. Irvings Buch selbst ist nun in der Typoskript-Fassung von 1992 und einem Reprint der Buchausgabe des Verlags Focal Point Publications (auf Englisch) frei online zugänglich. Natürlich mit dem Nachteil, dass die zitierten Passagen aus den Tagebüchern nur in englischer Übersetzung vorhanden sind (für Historiker war dies wertlos).

Der Studienabbrecher der Fächer Physik und Ökonomie (Irving ist weder Akademiker noch Historiker, sondern Sachbuchschreiber, der sich mit Anmerkungsapparaten den Mantel des ausgebildeten Historikers umhängt) ordnet seine Goebbels-Biographie chronologisch und sie ist durchaus nicht uninteressant zu lesen, auch seine Quellenangaben sind korrekt gearbeitet. Das Problem ist eher, dass seine Ansichten immer wieder durchscheinen und die Frage, ob nicht eine manipulative Auswahl von Quellen vorgenommen worden ist, für mich berechtigt ist.

An der massenhaften Ermordung der Juden Europas kommt Irving nicht vorbei. Er zitiert auch den von ihm gefundenen Eintrag Goebbels vom 27. März 1942 (hier das Original nach h-ref.de) und bestätigt seine Echtheit:
Aus dem Generalgouvernement werden jetzt, bei Lublin beginnend, die Juden nach dem Osten abgeschoben. Es wird hier ein ziemlich barbarisches und nicht näher zu beschreibendes Verfahren angewandt, und von den Juden selbst bleibt nicht mehr viel übrig. Im großen kann man wohl feststellen, daß 60 Prozent davon liquidiert werden müssen ...
Dennoch scheint Irving eine Strategie zu verfolgen wie in seinem frühen Buch Hitler's War, dass nämlich die massenhafte Ermordung der Juden nicht auf Hitlers Befehl zurückgegangen sei. Immer wieder, und aus unterschiedlichen Zeitpunkten, zitiert er Hitler in Gesprächen, dass die Judenfrage nach dem Krieg gelöst werden müsse, wobei durchgehend die Madagsakar-Lösung angesprochen worden sei. Als ob gegen seinen Willen die Juden im Osten umgebracht worden seien, weil die dortigen Besatzungsbehörden mit diesen Massen nichts mehr anzufangen gewusst hätten. Zahlen nennt Irving nie, aber sie blitzen immer wieder durch, wenn oft auch etwas erniedrigt. Es hätten nach dem Krieg 300.000 jüdische Ungarn nicht mehr gelebt (es waren etwa 500.000). Auch von Massenerschießungen ist die Rede (wie hätte Hitler nicht von den Massenerschießungen im unkrainischen Winnitza/Winnyzja wissen sollen, wo dort eines seiner Hauptquartiere während des Russlandfeldzugs war?).

Im Kontrast zu einem öfters zögerlichen Hitler (so auch bei der "Behandlung" von Juden) wird Goebbels als ein radikaler Tatmensch dargestellt (in Berlin lässt er in den späten 20er Jahren "seine" SA brutalst aufmarschieren), der auch eine treibende Kraft eines eliminatorischen Antisemitismus in der Partei war und immer treu gegenüber Hitler (war er auch bis in den Tod, in den er auch seine Frau und seine Kinder mitriss).

Auch hätte Goebbels - so seine Tagebücher - die Ansicht vertreten, dass der Krieg erfolgreich hätte geführt werden können, wenn die Partei und nicht die Wehrmachtgeneräle das Sagen gehabt hätten. Eine umfassendere Mobilisierung und eine härtere Kriegsführung wäre möglich gewesen. In diesem Aspekt sah Goebbels Stalin durchaus als vorbildhaft an. Bereits beim Showdown zwischen SA und Wehrmacht, die zu den Junimorden 1934 führte, wäre das Herz Goebbels bei der SA gewesen, aber die Treue zu Hitler hätte ihn auf seine Seite geschlagen. Vermutlich auch sein eigenes Wohlergehen.

Der korrupten Seite Goebbels wird breiter Raum gewidmet. Sein Ministergehalt war (auch nach heutigen Vorstellungen) exorbitant, Mercedes spendete ihm regelmäßig Dienstwagen und seine Villen wurden aus dem Staatshaushalt zumindest mitfinanziert (wie auch die Ausgaben seiner Frau).

Über die Frauengeschichten schreibe ich nun nicht, an diesen delektiert sich Irving sehr ausführlich.

Insgesamt kein Holocaustleugner-Buch, aber die an vielen Stellen versuchte Weißwaschung Hitlers ist mehr als einmal beinahe unerträglich.

Anmerken möchte ich zum Schluss, dass ich zum ersten Mal darüber gelesen habe, dass im April 1945 deutsche Jagdflieger mit der Me-262 (Düsenjäger) Kamikaze-Angriffe flogen und mehr als 70 junge Piloten so den Tod fanden. Die WELT schrieb darüber 2011.