Beard-Lachen

Die bei Veröffentlichung des Buchs Mitte der 2010er Jahre etwa 60 Jahre alte englische Althistorikerin aus Cambridge legt ein Buch auf Basis einer Vorlesungsserie vor, welches das Lachen im Römischen Reich zum Thema hat, wobei sie wegen der Dominanz des Griechischen in der östlichen Reichshälfte bis zu den griechischen Philosophen zurückgeht.

Die angeführten Beispiele erscheinen ungeordnet, springen mit einer unendlichen Fülle aus dem Lateinischen und Griechischen in Zeit und Sprache, was das Lesen durchaus nicht erleichtert, aber dennoch ist eine Struktur zu erkennen, die auf der Funktion des Lachens basiert. Beard konstatiert drei Typen von Lachen:

1. Lachen aus Überlegenheit (Verlachen aus einer Überlegenheitshaltung, Lachen als Machtdemonstration)
2. Lachen aus Inkongruenz (etwas ist unlogisch und passt nicht zusammen; viele Witze basieren darauf)
3. Lachen zur Erleichterung (Spannungsabbau)

Beard beginnt mit einer Erzählung des römischen Historikers und Politikers Cassius Dio, der im Colosseum Gladiatorenkämpfen beiwohnte. Kaiser Commodus (Sohn von Mark Aurel, Gladiatoren-Fanatiker) war selbst in der Arena und präsentierte den anwesenden Senatoren den abgeschlagenen Kopf eines Strauß-Vogels mit dem Hinweis, dass er auch Politiker den Kopf abschlagen kann. Dio fand das so absurd, dass er ein Bedürfnis loszuprusten unterdrücken musste, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen.

Ähnliche Geschichten sind auch von Elagabal bekannt, der practical jokes mit Anwesenden bei Feiern gestaltete, die durchaus auch lebensbedrohlich sein konnten.

Dieses Lachen aus Überlegenheit verfolgt Beard bis in römische Witzsammlungen (These: die Römer waren die ersten, die Witze erzählten und sammelten), wo immer wieder Einwohner bestimmter Städte wie Abdera als dümmlich hingestellt werden (selber ist man nicht so dumm wie die Abderiten ... wer kennt nicht Ostfriesenwitze?).

Lachen in diesen Fällen ist nicht etwas Nettes, etwas Freundliches, sondern es ist aggressiv, es ist eine Waffe.

Diese Form des Lachens werde jedoch nicht nur von Machthabern eingesetzt, sondern auch von jenen, die sonst keinerlei Einfluss in der Gesellschaft haben. Beard erwähnt Überlieferungen, in denen Frauen über Männer kichern und sie damit verlachen, erniedrigen. Das Kichern sei - oft auch bis heute - die einzige Waffe von Frauen gegen dominante Männer. Dargestellt bereits in der Antike.

Lachen war aber auch Teil der Unterhaltung. Hochrangige Römer bezahlten professionelle Unterhalter, deren Aufgabe es war, sie bei einem abendlichen Beisammensein zum Lachen zu bringen. Auch ist bekannt, dass es Schauspieltruppen gab, die vor allem das Straßenpublikum oft mit Zoten unter der Gürtellinie unterhielt. Diese waren Mimen bzw. Pantomimen. Auch ist bekannt, dass Tiere, indem sie Menschen nachahmen mussten, als Spaßmacher zu fungieren hatten. Affen waren wegen der Nähe zum Menschen besonders beliebt. Verstörend ist eine Darstellung aus der Casa dei Dioscuri in Pompeji (erstes Jahrhundert nach Christus), wo ein brutal wirkender nackter Junge mit Peitsche einen bekleideten Affen zu Kunststückchen zwingt:

Casa dei DioscuriOriginal anzeigen (0,5 MB)

Oder eine römische Bronzestatuette mit einem Schauspieler, der als Maske einen Affenkopf trägt:

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In der Literatur beginnt das Lachen in der griechischen Komödie und in den Fabeln des Äsop im sechsten vorchristlichen Jahrhundert (auch hier schon ein Affe als Grund des Lachens), die römische Überlieferung zeigt einen Trend hin zur Verselbständigung des Witzes. Mit dem Philogelos (Der Lachfreund) ist im dritten nachchristlichen Jahrhundert auf Griechisch das erste Witzbuch entstanden (45 Witze daraus auf Englisch). Diese Sammlung ist nicht nur als Witzbuch interessant, sondern auch wegen der Sprache. Griechisch spielte als Sprache im Römischen Reich nach wie vor eine zentrale Rolle im Geschäfts- wie im Geistesleben und wurde nicht vom Lateinischen verdrängt.

In dieser Sammlung finden sich auch Witze, bei denen einem bis heute das Lachen im Hals stecken bleibt. Ein Beispiel:
Sah ein Mann aus Abdera, wie ein Läufer gekreuzigt wurde, und sagte: "Jetzt läuft er nicht mehr, jetzt fliegt er."
Beard geht, in Anlehnung an Umberto Ecos Der Name der Rose, der Frage nach, ob es ein verschollenes Buch über das Lachen von Aristoteles gegeben haben könnte. Sie verneint es aus dem Grund, dass Aristoteles in verschiedenen Werken sehr wohl über das Lachen geschrieben hat, seine Aussagen darüber jedoch widersprüchlich sind.

Auch dem Lächeln geht Beard nach und kommt zu dem Schluss, dass Römer womöglich überhaupt nicht gelächelt haben. Begrüßt sei unter Freunden sich mit einem Kuss worden. In Anlehnung an den französischen Historiker Jacques Le Goff hält sie es für möglich, dass Lächeln erst eine Erfindung des europäischen Mittelalters gewesen sei. Dies scheint jedoch eine gewagte These zu sein.

Schließlich werden Darstellungen präsentiert, bei denen sich die Frage stellt, ob sie den Betrachter zum Lachen bringen sollen oder nicht bzw. ob der/das Dargestellte lacht oder nicht.

Beispiel 1: Cave Canem (Vorsicht vor dem Hund) aus der Casa del Poeta Tragico in Pompeji

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Beispiel 2 aus der Neuzeit: Frans Hals - Der lachende Kavalier (1624). Lächelt er oder nicht?

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