Die Zelle. Rechter Terror in Deutschland
09.07.2021 um 00:24Original anzeigen (0,2 MB)
2012 veröffentlichten die Journalisten Christian Fuchs und John Goetz dieses Buch über den Nationalsozialistischen Untergrund. Claudia van Laak schrieb im Deutschlandfunk in ihrer Rezension, dass das Buch ein Schnellschuss sei und bald in den Ramschkisten verschwinden würde, da neue Informationen den Faktenstand überrollen würden und es nicht mehr offene Fragen, sondern Antworten gäbe, welche in diesem Buch offen geblieben seien. Meiner Ansicht nach lag sie falsch. Denn es sind genau die offenen Fragen, die für mich auch neun Jahre später nicht beantwortbar sind.
Wir haben zwei Männer, die auf der einen Seite kaltblütig exekutieren, auf der anderen die netten Jungs auf ihren Urlauben sind. Dass sie nationalsozialistisch sozialisiert wurden, ist bekannt, aber der nächste Schritt ist, dass sie als Erwachsene akribisch geplant Banken ausrauben, im Untergrund leben (wegen Bombenbasteleien während ihrer Adoleszenz) und morden. Das ist eine Ebene, die für mich bis heute nur schwer nachvollziehbar ist. Man geht zu einem Geschäft, schießt dem Besitzer in den Kopf, fährt mit dem Fahrrad davon, kehrt in die unter falschen Namen gemietete Wohnung zurück und trainiert danach täglich 70 Kilometer mit dem Rad. Und so nebenbei werden Hunderttausende von Euros aus Banken geraubt, ohne dass die Polizei auf die Spur kommt.
Wie wird aus jugendlichen Nazi-Skinheads ein Mörderduo, das Taten ausführt, für deren Erfindung in den 50er Jahren ein Noir-Drehbuchschreiber wohlmöglich sehr reich geworden wäre? Das waren keine chaotischen Taten, sondern akribisch ausgeführte Morde. Die Eigentümlichkeiten der Ermittler wie die hohen Geldzahlungen an V-Männer, die nichts brachten, werden geschildert. Aber offen bleibt die Frage, woher die Waffen kamen. Zu Beginn war es eine tschechische Pistole, am Ende hatten die beiden Uwes militärische Schnellfeuerwaffen in dem Wohnwagen, in dem sie ihrem Leben ein Ende setzten. Woher kamen diese Waffen und deren Munition? Ich finde auch aktuell keine Antworten.
Interessant ist auch die Zusammenschau der nationalistischen Grundstimmung in den ersten Jahren des wiedervereinigten Deutschland, die sich nicht auf das Gebiet der vormaligen DDR beschränken lässt. Gewaltsame Attacken gegen Ausländer und Asylsuchende gab es nicht nur im "Osten". Die Zahl der Ermordeten übersteigt jene der RAF bei weitem. Ost wie West. Wie sehr revisionistisches und nationalistisches Gedankengut in der Kohl-Regierung Fuß gefasst hat, wird an einer Rede Wolfgang Schäubles bei einer Versammlung der Vertriebenenverbände im Juli 1995 dargelegt, als er (unter Buh-Rufen) bedauert hat, dass die Oder-Neiße-Grenze hat anerkannt werden müssen, um West- und Mitteldeutschland vereinigen zu können. Der Verlust der Heimat werde jedoch nie akzeptiert werden. In Kapitel 15 wird Schäuble zitiert:
Das Politische verliert sich leider nach den Kohl-Jahren.
2012 veröffentlichten die Journalisten Christian Fuchs und John Goetz dieses Buch über den Nationalsozialistischen Untergrund. Claudia van Laak schrieb im Deutschlandfunk in ihrer Rezension, dass das Buch ein Schnellschuss sei und bald in den Ramschkisten verschwinden würde, da neue Informationen den Faktenstand überrollen würden und es nicht mehr offene Fragen, sondern Antworten gäbe, welche in diesem Buch offen geblieben seien. Meiner Ansicht nach lag sie falsch. Denn es sind genau die offenen Fragen, die für mich auch neun Jahre später nicht beantwortbar sind.
Wir haben zwei Männer, die auf der einen Seite kaltblütig exekutieren, auf der anderen die netten Jungs auf ihren Urlauben sind. Dass sie nationalsozialistisch sozialisiert wurden, ist bekannt, aber der nächste Schritt ist, dass sie als Erwachsene akribisch geplant Banken ausrauben, im Untergrund leben (wegen Bombenbasteleien während ihrer Adoleszenz) und morden. Das ist eine Ebene, die für mich bis heute nur schwer nachvollziehbar ist. Man geht zu einem Geschäft, schießt dem Besitzer in den Kopf, fährt mit dem Fahrrad davon, kehrt in die unter falschen Namen gemietete Wohnung zurück und trainiert danach täglich 70 Kilometer mit dem Rad. Und so nebenbei werden Hunderttausende von Euros aus Banken geraubt, ohne dass die Polizei auf die Spur kommt.
Wie wird aus jugendlichen Nazi-Skinheads ein Mörderduo, das Taten ausführt, für deren Erfindung in den 50er Jahren ein Noir-Drehbuchschreiber wohlmöglich sehr reich geworden wäre? Das waren keine chaotischen Taten, sondern akribisch ausgeführte Morde. Die Eigentümlichkeiten der Ermittler wie die hohen Geldzahlungen an V-Männer, die nichts brachten, werden geschildert. Aber offen bleibt die Frage, woher die Waffen kamen. Zu Beginn war es eine tschechische Pistole, am Ende hatten die beiden Uwes militärische Schnellfeuerwaffen in dem Wohnwagen, in dem sie ihrem Leben ein Ende setzten. Woher kamen diese Waffen und deren Munition? Ich finde auch aktuell keine Antworten.
Interessant ist auch die Zusammenschau der nationalistischen Grundstimmung in den ersten Jahren des wiedervereinigten Deutschland, die sich nicht auf das Gebiet der vormaligen DDR beschränken lässt. Gewaltsame Attacken gegen Ausländer und Asylsuchende gab es nicht nur im "Osten". Die Zahl der Ermordeten übersteigt jene der RAF bei weitem. Ost wie West. Wie sehr revisionistisches und nationalistisches Gedankengut in der Kohl-Regierung Fuß gefasst hat, wird an einer Rede Wolfgang Schäubles bei einer Versammlung der Vertriebenenverbände im Juli 1995 dargelegt, als er (unter Buh-Rufen) bedauert hat, dass die Oder-Neiße-Grenze hat anerkannt werden müssen, um West- und Mitteldeutschland vereinigen zu können. Der Verlust der Heimat werde jedoch nie akzeptiert werden. In Kapitel 15 wird Schäuble zitiert:
Wir mussten uns mit der Oder-Neiße-Grenze abfinden … Wir haben uns mit der Grenze abfinden müssen … es ist so …, aber mit dem Verlust der Heimat der Deutschen im Osten finden wir uns nicht ab … Das kann niemand verlangen.Das ist derselbe Schäuble, der in einem viel geteilten Interviewausschnitt bedauert, dass Deutschland nicht souverän sei. Was immer das heißen mag. Der Terror dreier Durchgeknallter hat die Souveränität eines ungehemmten Gemeinwesens nicht zurückgeholt, aber das Potenzial gezeigt, was drinnen ist, wenn mehr als drei zielgerichtet und mörderisch handeln.
Das Politische verliert sich leider nach den Kohl-Jahren.