kabale

1784 vom 25-jährigen Friedrich Schiller geschrieben, wird die Thematik des von Lessing geprägten bürgerlichen Trauerspiels aufgegriffen, doch anders als in Emilia Galotti ist hier der junge Adelige kein sexuell besessener Egomane, der sich nehmen will, was er kriegen kann, sondern die Traditionslinie von Shakespeares Romeo und Julia wird aufgegriffen: Zwei Liebende können nicht zueinanderfinden, da eine die Stände überschreitende Liebes- und Ehebeziehung von der Elterngeneration mit allen Mitteln der Intrige verhindert wird und die beiden Liebenden in den Tod getrieben werden.

Die Gesellschaft, die Schiller vorstellt, ist eine teuflische. Im Schatten des nie auftretenden Fürsten werden Karrieren durch Intrige und Gewalttaten geschmiedet. Der Präsident des Fürsten will, dass sein Sohn Ferdinand standesgemäß eine aus England geflohene Adelige Lady Milford von Norfolk heiratet und seinen Fußstapfen nachfolgt. Doch dieser liebt Luise, die 16-jährige blonde Tochter eines Musiklehrers, deren Mutter diese Verbindung fördert, deren Vater jedoch vor so einer Beziehung zurückschreckt, da seine Tochter ja doch nur als Hure eines Adeligen gesehen würde. Er möchte sie lieber mit dem bürgerlichen Sekretär des Fürsten Wurm verheiraten, aber nur wenn Luise einverstanden ist (da blitzen Schillers Überzeugungen durch):
Ich zwinge meine Tochter nicht. Stehen Sie ihr an – wohl und gut, so mag sie zusehen, wie sie glücklich mit Ihnen wird. Schüttelt sie den Kopf – noch besser – – in Gottes Namen wollt ich sagen – – so stecken Sie den Korb ein, und trinken eine Bouteille mit dem Vater – Das Mädel muß mit Ihnen leben – ich nicht – warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht schmecken kann, aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen?
Wurm selbst gibt dem Präsidenten die Idee in den Kopf, dass Luise einen falschen Liebesbrief an den Hofmarschall Kalb schreiben soll, der zufällig in die Hände Ferdinands fallen soll. Wegen eines Streits mit Gerichtsdienern werden die Eltern Luises in Haft genommen (Aufstand gegen den Fürsten) und Luise schreibt unter Nötigung diesen Brief. Bis zuletzt glaubt Ferdinand, dass Luise mit Kalb eine sexuelle Liebesbeziehung hat (die er nie genossen habe) und vergiftet sie am Ende. Als sie schließlich im Sterben gesteht, dass der Brief eine von seinem Vater erpresste Lüge war, nimmt auch Ferdinand sich das Leben.

Das Stück ist sprachlich ein "typischer Schiller": Lange Monologe, deklamatorische Dialoge, Ausrufe. Auch ist nicht klar, warum am Ende Luise den Tod fürchtet, wo sie zweimal vorher schon sich das Leben hat nehmen wollen und sogar einen Plan geschmiedet hat, mit Ferdinand gemeinsam in den Tod zu gehen, da sie nicht in einer Gesellschaft leben wolle, in der sie nicht gelitten sei.

In das Stück eingeflochten sind durchaus tagespolitische Ereignisse. In größerem Rahmen spiegeln sich diese in Lady Emilie Milford, eine aus England geflohene Waise mit echtem Namen Johanna von Norfolk. Ihr Vater wird, als sie 14 Jahre alt ist, wegen angeblichen Landesverrats an Frankreich hingerichtet, ihre Mutter stirbt am selben Tag. Mittellos in Hamburg lebend, nimmt sie der Herzog (im Stück erinnert Vieles an die Herrschaft Karl Eugens in Württemberg) zur Mätresse. Sie ist von den Intrigen am Hof, aber auch vom Leiden der Bevölkerung abgeschreckt, will es jedoch lindern. Schiller gibt ihr einen zwiespältigen Charakter. Einerseits glaubt sie an die unbedingte Liebe, bei der auch eine starke Frau Sklavin sein kann, andererseits hält sie eine Ehe zwischen Adeligen und Bürgerlichen für nicht gemäß. Sie verliebt sich auch wirklich in Ferdinand, doch als sie den edlen Charakter Luises kennenlernt, räumt sie das Feld und zieht weg, um das Land den "Deutschen" zu überlassen (Schiller hatte durchaus frühnationalistische Anwandlungen).

Eine der von Milford mit Abscheu beobachteten Handlungen ist der Verkauf von jugen Männern als Soldaten in den amerikanischen Kolonialkrieg. Dieser wurde nicht nur mit Freiwilligen beschickt, sondern es werden auch junge Männer zwangsrekrutiert. Der Herzog erhält pro ausgehobenem Soldaten ein Kopfgeld. Der Kammerdiener von Lady Milford berichtet ihr in eindringlicher Deutlichkeit über ein Massaker an jungen Männern, welche protestierten, Opfer dieses Menschenhandels zu sein:
Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe? – aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster sprützen, und die ganze Armee schrie: Juchhe nach Amerika!
Schockiert auch von den Berichten über Zwangsarbeit verrichtende Gefangene, will sie diesem tyrannischen Gebaren Einhalt gebieten. Politik übers Bett, wenn man so will.

Am 13. April 1784 wurde das Stück sehr erfolgreich in Frankfurt/M. uraufgeführt, aber sofort in Stuttgart und Wien mit einem Aufführungsverbot belegt. Erst nach einer Aufführung durch Max Reinhardt 1924 gelangte es in den regelmäßigen Spielplan deutschsprachiger Theater.