Der Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger (Universität Wien) ist Quantenphysiker - er beschäftigt sich also mit den kleinsten Teilchen der Welt, behält aber das große Ganze im Auge. Religion und Naturwissenschaft sind für ihn kein Widerspruch.
Anton Zeilinger drückt sich am Anfang des Interviews wie folgt aus (im Video Minute 4:52):
"Ich glaube, die Quantenphysik stellt dieses extrem materialistische Weltbild, das wir derzeit haben, schon ziemlich infrage."
Aus dem Transkript des Videos:
Anton Zeilinger erklärt im Interview Folgendes (im Video Minute ab 20:50 bis 21:45):
"Es ist eins der wichtigsten Erkenntnisse des 20. Jahrhunderts: Es gibt einen Zufall, von dem wir wissen, dass er nicht erklärbar ist. Das zweite ist diese Verschränkung. D.h., es gibt sozusagen zwei mögliche Konsequenzen. Das wird schon immer diskutiert: Entweder ist unsere Vorstellung von Raum und Zeit nicht richtig, da stimmt also etwas nicht. Oder unsere Vorstellung von Wirklichkeit ist nicht richtig."-"Ich bin der Meinung, dass beides falsch ist."
Die Moderatorin fragt daraufhin:
"Warum sind Sie der Meinung, dass beides falsch ist?"Anton Zeilinger erklärt im Interview Näheres dazu (im Video Minute ab 21:45 bis 22:30):
"Bei näherem Betrachten geht es letztlich um Information. Es geht um Information, die dieses System trägt und die ich dann in irgendeiner Form auslese. Verschränkung bedeutet, dass die Information, die verfügbar ist, um die Systeme zu definieren, nur gemeinsam verfügbar ist und nicht einzeln. Das sagte Schrödinger schon 1927, publiziert wurde es jedoch erst 1935."
SRF Kultur - So sieht Quantenphysiker Anton Zeilinger die Welt
So sieht Quantenphysiker Anton Zeilinger die Welt | Sternstunde Religion | SRF Kultur
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Aus dem Transkript des Videos:
22:28
Können Sie erklären, wie eine Verschränkung zustande kommt? Das war eine der drei Fragen zu Beginn:
22:34
Wie werden diese Teilchen oder Systeme miteinander verschränkt? Eine Möglichkeit ist ...
22:41
Verschränkung heisst, dass beide ihre Identität verlieren. Okay? - Mhm.
22:49
Sie verlieren ihre rein persönliche Identität. Das geht dadurch, indem man sie so erzeugt ...
22:57
Man kann z.B. zwei Lichtteilchen erzeugen - das häufigste Werkzeug, um Verschränkung zu sehen.
23:03
Man erzeugt zwei Lichtteilchen, wo die beiden wissen ... Wenn wir über Polarisation sprechen -
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darauf muss ich kurz eingehen: Das ist die Schwingungsebene des Lichts. Man kennt das von Sonnenbrillen usw. - Ja.
23:20
Indem ich einen Laser in einen speziellen Kristall hineinschicke, kann ich Paare von Lichtteilchen erzeugen,
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die entweder so polarisiert sind: eines vertikal und eines horizontal.
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Oder so: hier vertikal und hier horizontal. Aber das Teilchen selbst weiß nicht, was es ist:
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Ob es horizontal oder vertikal ist. Das ist nicht festgelegt. Die Annahme, es hätte diese Eigenschaft, ist falsch.
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Bei dem genauso. Aber wenn das eine gemessen wird, ist das andere auch festgelegt.
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D.h., da ist eine gemeinsame Quelle, wo die Identität nicht existiert.
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Aber es gibt etwas noch Verrückteres: Ich kann zwei verschränkte Paare nehmen - eins, zwei.
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Zwei Paare. - Wie viele können insgesamt verschränkt sein? Beliebig viele, es gibt keine Grenze.
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Aber wenn ich zwei Paare nehme und diese beiden Photonen ... Das ist mit dem verschränkt und das mit dem. - Ja.
24:20
Jetzt messe ich dieses - zwei und drei - auf eine Weise, dass ich deren Identität auslösche,
24:27
dann sind auf einmal die äußeren verschränkt. Obwohl sie überhaupt nichts davon wissen. Sie haben sich nie gesehen, kommen nicht aus einer gemeinsamen Quelle
24:37
und sind plötzlich verschränkt. Konnten Sie das u.a. dadurch beweisen,
24:43
dass sie Experimente mit Quantenteleportation machten - was ja oft als "beamen" bezeichnet wird, wie ich anfangs sagte?
25:03
Zwei amerikanische Kollegen und ich hatten in den 80er-Jahren die Idee,
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dass die Verschränkung von drei Teilchen noch verrückter ist als die von zwei.
25:13
Dass es überhaupt möglich ist. Es ist noch verrückter, als zwei Teilchen zu verschränken.
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Und seit damals war es mein Wunsch, das experimentell nachzuweisen.
25:26
Mhm. - Das war mein Ziel. Auf das, was ich jetzt sage, lege ich grossen Wert:
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Es war nicht ganz klar, wie das Ziel wirklich aussieht. Es war nur abstrakt - eine abstrakte, theoretische Idee.
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Und es war noch weniger klar, mit welcher Methode ich das Ziel erreichen kann.
37:01
Wenn wir nun das Gedankenexperiment noch etwas weiterführen oder einen anderen Aspekt davon anschauen,
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nämlich den der Beobachtung: Dann ist das ganz interessant, was behauptet wird, oder?
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Dieser Tisch ist schwarz und hier. Und wenn ich aus dem Raum gehe, ist er weiterhin hier und schwarz.
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Das verhält sich in der Quantenphysik - wie Sie ausgeführt haben - etwas anders.
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Ich frage mich aber - nach all dem, was Sie bisher erklärt haben: Welche Macht hat unsere Wahrnehmung auf die Wirklichkeit?
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Der Beobachter hat sozusagen die Möglichkeit, auszuwählen,
welche Eigenschaften er sich an einem System experimentell ansieht. Z.B. bei den Polarisationen: "Was schaue ich mir an? Was messe ich?"
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Und durch die Beobachtung ist das System sozusagen gezwungen,
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eine dieser Eigenschaften anzunehmen. Es muss eine der Antworten herauskommen.
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Aber die Antwort ist zufällig. D.h., die Natur ... Es ist rein zufällig.
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Der Zufall ist eine Freiheit, die sich die Natur nimmt, um nicht von uns voll bestimmt werden zu können.
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Und wir haben die Freiheit, die Methode auszuwählen. - Genau. So spielt man miteinander.
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Aber würden Sie sagen, es gibt so etwas wie eine Wirklichkeit? Gerade aufgrund dessen, dass immer diese "Lücke" des Zufalls besteht.
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Für mich ist die wichtigste Indikation dafür, dass es eine Wirklichkeit gibt, der Zufall.
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Ah, spannend. Bleiben wir doch ... Denn er ist etwas, das man nicht beeinflussen kann,
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das kommt und nicht vorhersagbar ist usw.
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War das Dürrenmatt oder wer war das, der sagte ... Oder war es ... Ich weiss es nicht.
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Zufall ist vielleicht das Pseudonym,
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das Gott verwendet, wenn er nicht entdeckt werden will. Ich habe etwas Ähnliches von Albert Schweizer dabei:
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"Zufall ist, wo Gott inkognito agiert." Das ist im Prinzip dasselbe. Da müsste man nachforschen, worauf das zurückzuführen ist.
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Zufall ist etwas, bei dem wir keine tiefere Begründung angeben können.
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Und das gilt übrigens auch für die Schöpfung. Wenn ich an Gott glaube und von Schöpfung rede,
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dann gibt es auch dafür keine tiefgehendere Begründung. Und es gibt Leute ...
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Ein Kollege von mir, der Psychoanalytiker Jung'scher Schule ist,
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meinte, vielleicht sei der einzelne Quantenmessprozess ein elementarer Schöpfungsakt.
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Und was halten Sie davon? Möglich. Ich weiß es nicht.
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Aber Ihr Erfolgsrezept ist die Intuition. Ja.
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Ist diese Erklärung der Quantenwelt denn für Sie intuitiv?
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Ja, eigentlich schon. Wie sich diese Dinge verhalten, das ist intuitiv.
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Und das ... Vielleicht gewöhnt man sich daran, ich weiss es nicht.
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(Lachend) Vielleicht merkt man das nicht mehr. Vielleicht ist es eine Gewöhnung. Aber es ist intuitiv.
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Es ist sozusagen die Vorstellung davon, wie etwas funktioniere könnte.
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Oder es ... Und dann macht man sich oft auch Bilder, das ist schon richtig.
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Man macht sich Bilder, wie sich die Teilchen ausbreiten usw. Aber man ist sich gleichzeitig bewusst,
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dass alle diese Bilder zu simpel sind. Beides ist der Fall.