Borgius-Schule

Der sich selbst als Anhänger eines Individualanarchismus sehende Ökonom Walther Borgius veröffentliche 1930, zwei Jahre vor seinem Tod und als Großvater, ein Pamphlet, in dem er die restlose Abschaffung der Schule als Institution fordert und argumentiert.

Die Schule sei nicht zum Zwecke der Bildung von Kindern und Jugendlichen gegründet und geführt, sondern sie sei eine Herrschaftsmittel des Staates, um gehorsame Staatsbürger heranzuziehen. Staat wie Schule sieht Borgius im Krieg begründet, und bereits sogenannte Jünglingsweihen in alten Gesellschaften hätten ausschließlich das Ziel gehabt, die männliche Jugend einer Herrschaft der älteren Männer zu unterwerfen, die historisch in den meisten Gesellschaften friedliche matriarchalische Ordnungen abgelöst hätten.

Diese These belegt er durch Schulordnungen wie Schulpraxis in verschiedenen Zeiten und Ländern, vom Pietismus über Preußen bis ins republikanische Deutschland, aber auch in den USA und Australien. Gezeigt wird seine These auch anhand junger totalitärer Staaten wie dem faschistischen Italien und der Sowjetunion.

Nach der historischen Abhandlung folgt eine Demontierung der Wichtigkeit der verschiedenen Schulfächer. Vieles würde den Kindern und Jugendlichen zu früh präsentiert, sodass ein Interesse gar nicht geweckt werden kann. Anderes sei unnötiges Wissen, das nur mit einem erheblichen Aufwand erworben werden kann, was Zeit stiehlt, in der Kinder und Jugendliche tun könnten, was sie wirklich interessiert und ihnen nützlich wäre.

Rechtlich stellt er Kinder sehr detailliert mit Römischen Sklaven gleich. Selbst zur Verkaufbarkeit gäbe es eine Parallele: Kinder können zur Adoption freigegeben werden.

Als Alternative sieht Borgius die Gründung von Landheimen, in denen Kinder unter sich aufwachsen und sich selbst organisieren können. Ältere unterrichten Jüngere in dem, was sie gerade interessiert, und Unterricht habe individuell und nicht in einem Klassenverband zu erfolgen. Erwachsene haben in solchen Kinder-Heimstätten nur die Funktion, Aufpasser zu sein, dass kein Unglück geschieht. Der Aufenthalt in solchen Heimstätten ist nicht Pflicht, die Kinder entscheiden selbst, ob sie dort leben wollen oder in ihrer Familie.

Gänzlich stimmig sind Borgius' Vorstellungen als Libertärer nicht, da manche eine Machtorganisation benötigten. Vor allem seine über die Schule hinausgehenden Gesellschaftsvorstellungen sind davon betroffen. So soll "die Fortpflanzung von Alkoholikern, Syphilitikern und anderen konstitutionell minderwertigen Personen eingeschränkt werden". Als Anhänger eines Systems, das wir heute bedingungsloses Grundeinkommen nennen, sieht Borgius für ein solches zwei Grundvoraussetzungen: 1. Hohe technologische Entwicklung in der Produktion und 2. einen radikalen Bevölkerungsschwund. Letzterer wird zweimal im Buch angesprochen.