Raimund-Menschenfeind

Uraufgeführt 1828 in Wien Leopoldstadt, spielt das Stück im tiefsten Biedermeier der Restaurationszeit, das Stegreiftheater war verboten, alle Texte mussten der Zensurbehörde vor Aufführung vorgelegt werden. Im Wiener Vorstadttheater war dies die Zeit des Ferdianand Raimund und Johann Nepumuk Nestroy.

Wie in vielen seiner Stücke wird auch hier die Menschenwelt mit einer korrigierend eingreifenden Feen- und Geisterwelt konfrontiert. Der Gutsbesitzer Rappelkopf ist ein unangenehmer Zeitgenosse: Er verbietet seiner Tochter die Ehe mit einem Künstler, er beschimpft und quält seine Bediensteten, er lässt niemanden ausreden und meint so, dass seine (vierte) Frau ihn mit Hilfe eines Angestellten ermorden lassen will.

In einem Anfall von Jähzorn verlässt Rappelkopf das Gutshaus und quartiert sich in einer Köhlerhütte ein, wo ihm der geisterhafte Alpenkönig Astragalus erscheint. Sie schließen einen Pakt, dass Astragalus als Rappelkopf ins Haus zurückkehrt und dieser ihn in der Gestalt des Bruders seiner Frau beobachtet. Rappelkopf ist über sein eigenes, nun vorgespieltes Verhalten so entsetzt, dass er im Tempel der Erkenntnis, in den die Familie von Astragalus geführt wird, Besserung verspricht, da er gesehen hat, wie sehr ihn alle trotzdem lieben. Und die Tochter darf ihren geliebten, nun auch nach einem Erbe vermögenden Künstler heiraten.

In den tieferen Ebenen des Stücks zeigt sich, dass es sich nicht bloß um eine Charakterkomödie handelt, sondern das Verhalten auch soziale Strukturen widerspiegelt.

Rappelkopf ist Gutsbesitzer geworden, weil er als städtischer Buchhändler von seinen Geschäftspartnern regelmäßig um Anteile und Gewinn betrogen wurde, auch in Italien investiertes Geld ist in Gefahr, aber am Ende durch den Bruder seiner Frau gerettet. Am Gutshof selbst verbringt er noch viel Zeit mit dem Lesen philosophischer Werke.

Das Verhalten Rappelkopfs gegenüber seiner Tochter zeigt eine Gesellschaft, in welcher der Vater des Hauses über die Ehe der Tochter entscheiden durfte, und die rüde Behandlung der Bediensteten offenbart deren Rechtlosigkeit.

Besonders drastisch ist die Szene bei der Köhlerhütte, die bewohnt ist. Rappelkopf gelangt zu ihr in seiner Rage an einem kalten, regnerischen Abend. Er wirft der Köhlerfamilie Geld vor die Füße, mit dem er die Hütte kaufen will. Von dem Geld geblendet, verlässt die Köhlerfamilie sofort ihren Unterstand, auch wenn sie ab sofort obdachlos im Regen steht. Damit verlieren wir das weitere Schicksal dieser am Rande der Gesellschaft stehenden Familie.

Zu Beginn des Stücks werden Vergnügungsjagden angeprangert. Astragalus ist mit seinen Alpengeistern jagen und entscheidet, dass die erlegten Tiere bedürftigen Familien vor die Tür gelegt werden müssen, um ihren Hunger zu lindern. Jagd sei nur statthaft, wenn sie einen Nutzen bringt.

Trotz seiner scheinbaren Oberflächlichkeit ist dies eine Komödie, die durchaus auch heutzutage noch eine interessante Lektüre bietet.

Auf YouTube finden sich eine Aufführung des Peuerbacher Schlosstheaters und eine Verfilmung mit Paul und Attila Hörbiger.