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Gerhart Hauptmann ca. 1912. Bild: Archiv der Nobel Foundation

Gerhart Hauptmann, Schöpfer unsterblicher Werke des Naturalismus und Nobelpreisträger, aber auch Kriegsbefürworter (Unterzeichner des Manifests der 93 vom September 1914, mit dem 93 deutsche Kunstschaffende den Krieg befürworteten, verfasste im Dezember 1914 folgendes Gedicht:
Komm, wir wollen sterben gehen
in das Feld, wo Rosse stampfen,
wo die Donnerbüchsen stehn
und sich tote Fäuste krampfen.

Lebe wohl, mein junges Weib
und du Säugling in der Wiegen!
Denn ich darf mit trägem Leib
nicht daheim bei euch verliegen.

Diesen Leib, den halt’ ich hin
Flintenkugeln und Granaten:
Eh’ ich nicht durchlöchert bin,
kann der Feldzug nicht geraten.

Komm, mein lieber Kamerad,
dass wir beide, gleich und gleiche
heut in Reih und Glied Soldat
morgen liegen Leich an Leiche.
Das lyrische Ich ist sein dritter Sohn, der soeben Vater geworden ist. Und genau diese Perspektive macht stutzig, ob es sich wirklich nur um ein naives Kriegsbefürwortungsgedicht handelt, welches den Heldentod einfordert. Denn genauso gut lässst sich in einer tieferen Textebene lesen, dass dieser Krieg Sterben bedeutet, selbst für diejenigen, welche aus naheliegenden Gründen null Interesse an einem Kriegseinsatz haben.

Die Frage bleibt offen, ob das Gedicht den persönlichen Einsatz bis hin zum Tode auch für junge Väter einfordert oder ob es zwischen den Zeilen die Lesart offen lässt, dass die Rekrutierung junger Väter zum sinnlosen Tod führt.

Fritz Raddatz hat sich 1997 bereits in der ZEIT mit dieser Frage auseinandergesetzt (dort ist auch das Gedicht abgedruckt) und zu einer ambivalenten Schlussfolgerung gelangt. Einerseits Hauptmanns Kriegsjubel (mit dem er nicht alleine dasteht), andererseits doch ein Mitleiden mit dem Tod.

An den französischen Pazifisten Romain Rolland, der den Verlust eines Rubens-Gemäldes beklagt, schreibt Hauptmann:
Gewiß ist es schlimm, wenn im Durcheinander des Kampfes ein unersetzlicher Rubens zugrunde geht, aber - Rubens in Ehren! - ich gehöre zu jenen, denen die zerschossene Brust eines Menschenbruders einen weit innigeren Schmerz abnötigt.
Raddatz stellt schließlich Hauptmanns Haltung zum Krieg in den Zusammenhang seiner naturalistischen Werke: Geschichte sei für Hauptmann immer Schicksal gewesen, ein von außen auf den Menschen einwirkendes Unentrinnbares, die freie Handlungsfähigkeit etwas sehr Beschränktes gewesen. So auch der Krieg: der Einzelne könne ihm nicht entkommen, auch wenn er Schreckliches gebiert.

Der Artikel von Raddatz ist online zu lesen:
https://www.zeit.de/1997/14/Sein_sein_deutsch_sein_/komplettansicht