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2012 und 2013 unternahm die bereits im Exil lebende syrische Journalistin illegal drei Reisen in den Raum von Idlib, vor allem nach Saraqib. Die aus der Provinz Latakia stammende Autorin war als Alawitin in die Revolution involviert und strebte zunächst mit vielen anderen Demonstranten ein zivilgesellschaftliches und demokratisches Syrien an.

Bei ihren Reisen dokumentiert sie einerseits die brutalen Luftangriffe des Assad-Regimes auf Wohngebiete, andererseits die immer stärkere Präsenz sich auch befehdender islamistischer Organisationen, deren Kämpfer zum Teil ohne Hindernis von der Türkei aus nach Syrien einreisen.

Sowohl syrische islamistische Gruppierungen wie die Nusrat-Front oder Ahrar al-Scham wie auch die hauptsächlich aus Ausländern rekrutierte ISIS wollen ein islamisches Staatsgebilde, und in Interviews nehmen sich deren Warlords kein Blatt vor den Mund: Alawiten und Kurden gehören ausgerottet.

Für Yazbek sind es die Islamisten jeglicher Coleur, welche die Revolution in Syrien gestohlen haben, und sie fragt sich, ob es Zufall gewesen ist, dass zu Beginn der Revolution hochrangige Islamisten aus syrischen Gefängnissen entlassen wurden.

Aber auch die Kampfesweise der ursprünglich mit demokratischen Zielen kämpfenden Freien Syrischen Armee (FSA) lässt einen erschaudern. Ein Kämpfer aus Latakia bekennt offen, Menschen ohne zu zaudern ermordet zu haben, wenn er ein Auto brauchte oder Hühner in einem Dorf stahl.

Sympathisch ist mir da wirklich keine einzige Bürgerkriegspartei. Die einen errichten unverschämt ihre Operationszentren in Siedlungsgebieten, die anderen werfen ihre Bomben auf diese Siedlungen, in denen noch Zivilisten leben. Und dritte köpfen Nicht-Sunniten, wenn die nicht bei drei auf dem Baum sind.

Und viel hat sich in den letzten fünf Jahren daran wohl nicht geändert, wenn man die Infos - egal von wem bzw. welcher Seite - verfolgt.

Ihr eigentliches Ziel, Schulprojekte und Hilfsprojekte für leidende Frauen zu initiieren, konnte sich Yazbek in die Haare schmieren. Nach ihrer dritten Reise ist sie desillusioniert und enttäuscht zurück ins Exil nach Paris gegangen, obwohl sie sich vorgenommen hatte, in Saraqib zu bleiben. Die Islamisten, mit denen sie konfrontiert war und mit denen sie gesprochen hat, haben ihr den letzten Nerv gezogen, und als Alawitin fühlte sie sich auch in "befreiten" Gebieten ihres Lebens bedroht. Das Assad-Regime hätte sie sowieso eingebuchtet.

Infolinks im Spoiler

https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/die-gestohlene-revolution/978-3-312-00672-4/ (Archiv-Version vom 18.08.2017)
http://www.taz.de/!5237173/ (Interview)
https://oe1.orf.at/artikel/418490
https://www.swr.de/swr2/literatur/buch-der-woche/samar-yazbek-die-gestohlene-revolution-reise-in-mein-zerstoertes-syrien/-/id=8316184/did=16392220/nid=8316184/1xy3hkd/index.html
https://www.ardmediathek.de/radio/SWR2-Buch-der-Woche/Buch-der-Woche-Samar-Yazbek-Die-gestoh/SWR2/Audio-Podcast?bcastId=7994764&documentId=31350986