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1776 hat der Straßburger Schriftsteller dieses aus sechs Akten bestehende Drama veröffentlicht, in dem eine Metzgerstochter (Evchen) von einem Leutnant während der Nachfeier eines Karnevalballs im Nebenzimmer eines Bordells geschwängert wird (die Mutter ist mit einem Schlafmittel im Punsch ins Reich der Träume geschickt worden). Der Leutnant schwört, Evchen nach fünf Monaten zu ehelichen, doch während er bei seinem Vater um seine Erbschaft ansucht, wird er schwer krank. Durch gefälschte Briefe intrigiert ein Kamerad (warum bleibt offen) bei der Familie. Evchen flieht vor der Geburt zu einer Wäscherin, und als sie erfährt, dass ihre Mutter aus Gram verstorben ist, tötet sie ihr Kind. Der Leutnant wie ihr Vater kommen zu spät.

Wagner thematisiert in diesem Stück zeittypisch gesellschaftliche Schranken wie die inferiore Stellung der Frau. Eine Verbindung eines Offiziers aus dem Kleinadel mit einem Mädchen aus dem Kleinbürgertum wird ins Eck des Ruchbaren gestellt. Leutnant von Grönignseck versucht sich moralisch über diese Grenzen zu erheben, aber Zufall (Krankheit) wie Intrige verhindern, dass seine Moral die gesellschaftlichen Schranken aushebelt. Die Tragik nimmt ihren Lauf. Ein unverheiratetes Mädchen mit einem Kind (einem Bastard) ist nichts wert, oder wie mehrmals im Stück angesprochen, eine Hure.

Evchens Eltern können als kleinbürgerliche Familie dem Geschehen keinerlei Wandel geben, sie sind - trotz unterschiedlicher Charaktere - nichts als ein Spielball wie auch Gelächter der gesellschaftlich höher Stehenden und Einflussreicheren.

Auch das Strafmaß wird angesprochen und kritisiert: auf Kindermord steht die Todesstrafe, unabhängig von den Umständen.

Wagner hat das Stück sehr eng am Straßburger Umfeld verfasst, so gab es zum Beispiel wirklich eine Metzgerfamilie Humbrecht. Und Goethe soll ziemlich angepisst gewesen sein, da er der Meinung war, dass Wagner das Motiv der Kindermörderin schamlos seinem Urfaust entnommen und plagiiert habe. Heutzutage erscheint der Vorwurf etwas wehleidig, denn kompositionell wie sprachlich kommt Wagner Goethe nicht nahe.

Der Text online:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Wagner,+Heinrich+Leopold/Dramen/Die+Kindermörderin?hl=kindermorderin