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Dan Diner - Feindbild Amerika
20.10.2017 um 22:23Bereits 1993 unter dem Titel Verkehrte Welten erschienen und 2002 um ein Post-9/11-Kapitel erweitert, setzt sich der in München geborene Historiker mit dem europäischen, aber hauptsächlich deutschen antiamerikanischen Klischees seit der Romantik auseinander.
Die Topoi gegenüber den USA sind wiederkehrend:
- geldgeil
- utilitaristisch
- kulturlos
- militärische Memmen
- imperialistisch
Dies sei begründet auf der anglosächsischen Mentalität, an die sich seit 1918 der jüdische Kapitalismus/die jüdische Weltverschwörung (je nach Publikationszeit) gelegt habe.
Die Menge an literarischen Belegen ist frappierend, dennoch stellt sich die Frage, wie viel in dieser durchaus beeindruckenden Sammlung an Quotebites aus dem Zusammenhang gerissen ist.
Ob Nikolaus Lenau, Heinrich Heine, Nazi-Autoren, DDR-Kader, Post-45-Nazis und 68er-West-Schriftsteller wirklich in eine geistesgeschichtliche Reihe gestellt werden können, auch wenn sie ähnliche Topoi verwenden, dessen bin ich mir nicht ganz sicher. Diner selbst bekennt im Vorwort, dass dies ein pamphletischer Essay und kein wissenschaftliches Werk sei.
Das nachgereichte Kapitel ist schließlich auch das interessanteste, da er den Islamismus interpretierend in die post-bilaterale Welt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einzuordnen versucht, auch wenn mich nicht ganz überzeugt, dass eine technisch nicht auf der Höhe der Zeit stehende kommunistische Moderne für islamisch geprägte Kulturen attraktiver war als eine post-kommunistische westliche Moderne, zu der diese Kulturen nichts mehr beitragen könnten und deshalb der Nährboden für die Radikalisierung des politischen Islam gelegt worden sei. Die 9/11-Attentäter seien zwar Techniker gewesen, aber zu Grundlagenforscher würden es Leute aus diesen Kulturen nicht bringen.
Hmmm ...
Dieser Sicht stellt Diner selbst (meiner Ansicht nach völlig richtig) gegenüber, dass die Vereinigten Staaten keine ethnische Klammer zusammenhalte, sondern eine auf Verfassung und Institutionen gegründete, und daher seien die Vereinigten Staaten weltoffen. Damit widerspricht Diner jedoch letztlich seinen vorher getätigten eigenen Aussagen.
Wenn ich nun auf diese individuelle Ebene gehe, dann steht der aus einer syrischen Familie stammende Steve Jobs gegen Mohammed Atta. Patt.
Phasenweise sehr interessant zu lesendes Buch (vor allem die verwendeten historischen Quellen), aber letztlich verfällt es selbst in Klischees, und gegen solche will eigentlich angeschrieben werden.