Narrenschiffer
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Cormac McCarthy - The Crossing
27.06.2017 um 22:55Nicht ganz so tiefschichtig wie Blood Meridian, aber dennoch existenziell devastierend.
Der Roman erzählt die drei Mexiko-Reisen des zu Beginn 16-jährigen Billy Parham, der auf einer Ranch in New Mexico aufwächst, ohne eigentlich mit zivilisatorischen oder staatlichen Gemeinschaftsstrukturen in Berührung gekommen zu sein.
Reise 1:
Billy fängt eine Wölfin, die Vieh der Ranch seines Vaters reißt, domestiziert sie und will sie nach Mexiko bringen. Auf diesem Weg lernt er viele Menschen kennen, welche in ärmsten Umständen ihr Leben fristen.
Reise 2:
Nach seiner Rückkehr ist die Ranch seiner Eltern von Indianern überfallen, die Eltern sind ermordet, das Vieh getötet, die Pferde gestohlen. Nur sein zwei Jahre jüngerer Bruder Boyd lebt noch. Mit ihm zieht Billy wieder nach Mexiko, um die Pferde wiederzufinden, die mit großer Wahrscheinlichkeit an Pferdehändler in Mexiko verkauft worden sind.
Sie finden die Pferde, werden selbst für Pferdediebe gehalten und Boyd wird schließlich von Banditen angeschossen. Im Haus ehemaliger Revolutionäre wird Boyd von einem Arzt das Leben gerettet, und Boyd geht mit einem Mädchen zusammen. Billy reitet zurück in die USA.
Die Sequenz in diesem Haus ist eine der irritierendsten, die ich seit langem gelesen habe: der Hausherr hat keine Augen mehr. Der Grund: 1930 wurde er während des langen revolutionären Aufstands in Mexiko von Regierungstruppen gefangen, und da ein Deutscher namens Wirtz ihm mit dem Mund seine beiden Augen ausgesaugt hat, bleibt ihm die Erschießung erspart.
Reise 3:
Billy kehrt zurück in die USA, die sich mittlerweile im Krieg befinden, möchte Soldat werden, wird jedoch wegen eines Herzfehlers bei mehreren Rekrutierungsstationen zurückgewiesen. Er beginnt zu trinken, entscheidet sich jedoch schließlich, seinen Bruder zu finden.
Zurück in Mexiko findet er heraus, dass sein Bruder erschossen worden ist, besucht sein Grab, und am Ende des Romans bricht er psychisch in einer Gruppe von Roma zusammen.
Inhaltlich, sprachlich und stilistisch wieder ein mitreißender Roman von McCarthy. Gewöhnungsbedürftig vielleicht die langen Beschreibungen der Natur, aber die ausweglose Nichtigkeit des einzelnen Menschen (vielleicht mit Ausnahme des altruistischen Arztes) regt doch sehr zum Nachdenken an. Und dies scheint mir gewollt, da mehrfach die Frage nach der Gutherzigkeit Gottes gestellt wird und nicht bejahend beantwortet werden kann.