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Georg Büchner - Dantons Tod
05.06.2017 um 22:41Wie weit darf eine Revolution zum Mittel der willkürlichen, nicht durch Gesetz gedeckten Gewalt greifen?
Büchner gibt eine unmissverständliche Antwort, indem er sich hinter Danton stellt und durch seinen Mund den Grundsatz wortgewaltig mehrfach wiederholen lässt: Die Repräsentanten der aristokratischen Tyrannei dürfen zu Tode gebracht werden.
Danton war Mitbegründer der Wohlfahrtsausschüsse, welche das Terrorregime der Jakobiner zur Entfaltung brachten. Danton war Initiator der Revolutionstribunale, vor denen es nur Freispruch oder Todesurteil gab, und er stimmte für die Hinrichtung Ludwig XVI., obwohl er nicht mal bei der Verhandlung vor dem Nationalkonvent anwesend war.
Erst als immer offensichtlicher wird, dass Robespierre und seine Clique diese Tribunale auch zur Beseitigung politischer Gegner nutzt, stellt sich der Kreis um Danton gegen Robespierre und fordert mehr Liberalismus und eine epikureische Gesellschaft, da die - wie das berühmte Zitat aus diesem Werk besagt - Revolution ihre Kinder fresse.
Der Kreis um Danton überlebt diese politische Haltung nicht, er wird in einem Schauprozess zum Tode verurteilt. Danton hält Robbespierre den an den Haaren herbeigezogenen Verschwörungstheorien entgegen, dass jener selbst der Totengräber der Revolution sei, denn in den Gleisen, welche die Karren, die Verurteilte zum Schafott fahren, in den Boden ziehen, werden die Gegner der Revolution ihre erfolgreichen Kanonen heranziehen.
Was Büchner bereits in seinem Hessischen Landboten formuliert hat, wird hier zum Schaustück: "Friede den Hütten, Krieg den Palästen". Die blutige Phase einer Revolution müsse mit dem Sturz des Systems beendet sein.
Interessant auch die Rolle des Volks auf der Straße. Obwohl mehrfach darauf hingewiesen wird, dass es wichtig sei, dass eines der großen Ziele ist, Hungersnöte zu beseitigen (was Robespierre nicht geschafft habe), bleibt das Volk sehr leblos, wird auch nicht mit Namen genannt. So heißt es etwa "Bürger", "Fuhrmann", "Weib".
Auch Wankelmut und Brutalität einer hochgepeitschten Masse werden vor Augen geführt, die in einer Szene von Robespierre noch zum Lynchmob hochgepeitscht wird (Erster Akt, Zweite Szene). Der letzte hier zitierte Satz, der mit "Wir sind das Volk" beginnt, lässt einen das Blut in den Adern gefrieren:
Erster Bürger. Totgeschlagen, wer lesen und schreiben kann!Inwiefern Büchner sich in seinem späteren Leben zum tätigen Revolutionär entwickelt hätte oder ob er bei seinen Studien geblieben wäre, lässt sich nicht mehr sagen, da er viel zu früh verstorben ist (zwei Jahre nach diesem Stück).
Zweiter Bürger. Totgeschlagen, wer auswärts geht!
Alle (schreien). Totgeschlagen! Totgeschlagen!
(Einige schleppen einen jungen Menschen herbei.)
Einige Stimmen. Er hat ein Schnupftuch! ein Aristokrat! an die Laterne! an die Laterne!
Zweiter Bürger. Was? er schneuzt sich die Nase nicht mit den Fingern? An die Laterne! (Eine Laterne wird heruntergelassen.)
[...]
Robespierre. Was gibt's da, Bürger?
Dritter Bürger. Was wird's geben? Die paar Tropfen Bluts vom August und September haben dem Volk die Backen nicht rot gemacht. Die Guillotine ist zu langsam. Wir brauchen einen Platzregen!
Erster Bürger. Unsere Weiber und Kinder schreien nach Brot, wir wollen sie mit Aristokratenfleisch füttern. He! totgeschlagen, wer kein Loch im Rock hat!
Alle. Totgeschlagen! Totgeschlagen!
Robespierre. Im Namen des Gesetzes!
Erster Bürger. Was ist das Gesetz?
Robespierre. Der Wille des Volks.
Erster Bürger. Wir sind das Volk, und wir wollen, daß kein Gesetz sei; ergo ist dieser Wille das Gesetz, ergo im Namen des Gesetzes gibt's kein Gesetz mehr, ergo totgeschlagen!
Dass Dantons Tod aber eines der bedeutendsten politischen Dramen der Theatergeschichte ist, damit dürfte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.