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Heimat und Identität
16.04.2017 um 15:56Es ostert, das Wetter ist mies, der alte Kater kuschelig, man macht sich so seine Gedanken beim Lesen von Kolumnen von vor ein paar Wochen.
Zum Beispiel die hier:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/martin-schulz-was-er-zum-wahlprogramm-machen-koennte-kolumne-a-1141105.html
Gleich im ersten Absatz stolpere ich über folgendes:
Zunächst mal wird da Identität und Heimat gleichgesetzt und was rauskommt, geht nur ohne Immigranten.
Da fallen mir spontan mal Ecken in Berlin ein, die seit 2 Generationen dadurch definiert sind, dass da sehr viele Immigranten leben, und die sind nicht nur für die "Eingeborenen", sondern auch für die Immigranten Heimat.
Haben die kein Recht darauf, dass sie geschützt werden? Gentrifizierung scheint aber nicht das vordringliche Problem zu sein... dabei zerstört diese die Heimat von sehr Vielen zugunsten der Wenigen, die Augstein im Halbsatz davor nannte: Konzerne, die schonmal ganze Wohnblöcke aufkaufen und luxussanieren, um für oder an irgend welche Investoren Eigentumswohnungen zu verhökern.
Da wo andere herkommen, wo früher mal keine Immigranten lebten, ist deren Zuzug natürlich eine Veränderung, die möglicherweise als "Heimatverlust" empfunden wird.
Dabei wird aber ignoriert, dass sich das, was in dem Fall als "Heimat" definiert wird (der Ort, das Dorf, der Kiez, wo man Kindheit/Jugend verbrachte), sich immer verändert. Nur sind die Immigranten als Störfaktor am leichtesten auszumachen und vermeintlich leichter wieder zu entfernen, als die Neubauten am Dorfrand, die hässliche neue Garage vom Nachbarn, der Supermarkt der den Tante-Emma-Laden ersetzt, das Industriegebiet oder die Fabrikruine, der neue Schweinemaststall oder die leerstehenden LPG-Gebäude oder die 15 Restaurants und Bars im Kiez, die zwei Gemüseläden&Fleischer, eine Tischlerei, einen Chinaladen, zwei Kulturvereine, einen Kinderladen, zwei Bäckereien, einen Dönerläden, zwei Eckkneipen, einen Kiosk und einen Inder ersetzen, das sechzehnte ist in einer ehemaligen Erdgeschoss-Wohnung eingerichtet worden.
Manches wird ja auch positiv empfunden, und prompt zur Heimat zugehörig deklariert - nur, was als negativ empfunden wird, gehört "weg". ("Hier gibt es jetzt ein Heimatmuseum, in dem traditionelle Werkzeuge und Trachten ausgestellt sind." "Ach ja? Dabei war es doch immer Tradition, unnützen Plunder wegzuwerfen. Hat immer nur die Sommergäste aus der Stadt interessiert." "Die wohnen jetzt übrigens schon 20 Jahre hier und haben das Museum eröffnet.")
Die Ursprünglichkeit ostdeutscher Dörfer ist nicht dem Traditionsbewusstsein, sondern dem Denkmalschutz und entsprechenden Fördergeldern zu verdanken, die vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit fehlenden Vorschriften in westdeutschen Dörfern gleich nach der Wende eingesetzt wurden. Die in der Heimat lebten, hatten nämlich oft gar keine Bedenken, das alte Fachwerk mit Teerpappe, Eternit oder Verputz zu verkleiden, "Panoramafenster" in die Fassade zu brechen, die Holztür mit einer aus Alu und krampfaderigem Glas zu ersetzen, wenn nicht gleich abgerissen und im beliebigsten Stil aus dem Fertighaus-Katalog neu gebaut wurde ... so manche niedersächsische Heimat hat einen dramatischen Kulturverlust erlitten, indem sie ihres Gesichtes beraubt wurde.
Gentrifizierung, Bevölkerungszuwachs und -verringerung findet auch durch "einheimische Migration" statt, so mancher empfindet das auch als "Heimatverlust". Der "Eingewanderte" hat ja noch sein Heimatdorf oder -Bezirk (in dem er jetzt von Besuch zu Besuch den eigenen "Heimatverlust" wahrnimmt)...
Und dann gibt es den individuellen Heimatverlust, als Folge der eigenen Entfremdung von seinem ursprünglichen Umfeld, indem man in eine andere soziale Schicht wechselt. Nicht wenige fühlen sich fremd auf dem Klassentreffen, fremd in der eigenen Familie, ... dagegen kommt kein "Heimatverein" an.
Und dann hat Augstein (wie schon gesagt) vergessen, dass auch Immigranten ein Recht auf Heimat haben. Diese ist genau hier, nicht in der Heimat der Großeltern, und das eigene Heimatgefühl verlangt nicht, dass man den örtlichen Vereinen oder einer religiösen Gemeinschaft beitreten muss.
Kurz: Heimat sind Ort und Umfeld, in dem man aufgewachsen ist, oder später eine Heimat fand.
Einen verbürgten Schutz dieser Heimat kann niemand leisten.
Die Immigranten bringen eine sichtbare und spürbare Veränderung, genauso wie die Flüchtlinge nach dem Krieg. Und nein, die wurden nicht wegen der gleichen Kultur und so schneller akzeptiert, die lebten mancherorts noch in den 60ern in Baracken, denen wir uns als Kinder nicht nähern sollten, weil die "ihre Frauen und Kinder schlagen, klauen und dreckig sind" (so die Alteingesessenen auf dem Dorf). Wenn was geklaut wurde (oder auch nur verlegt), waren´s die Flüchtlinge.
Wir Protestanten galten hingegen als Heiden, die in die Hölle kommen werden, aber wenigstens brachten die Bundeswehr-Familien Geld in den Ort - darum wurden wir trotzdem gemobbt, aber nicht ganz so schlimm wie die Kinder aus den Baracken oder die aus dem Kinderheim.
Für uns hätte es aber auch bei einem längeren Aufenthalt nur wenig Anreize gegeben, uns über das Notwendigste hinaus zu assimilieren. Auch später im niedersächsischen Dorf nicht, das inzwischen mit dem Nachbardorf zusammen wächst und vollends zu einem Vorort von Wolfsburg wird.
Auch damals kam es auf ein gegenseitiges aufeinander-zu-gehen an, die Flüchtlinge bekamen Geld für einen Neustart in einem Siedlungshäuschen oder Resthof und erwiesen sich meist als ganz normale, manchmal besonders tüchtige Mitbürger. Andere zogen weg, weil sie sich dort nie heimisch gefühlt hatten. Die einen wurden vollgültige Dorfmitglieder, die anderen blieben Außenseiter.
Ich sehe da ehrlich keinen so großen Unterschied zu den heutigen Flüchtlingen (auch bei dem Neid auf die staatlichen Mittel, die dafür eingesetzt werden).
Heute fällt mal ein Molotowcocktail in ein Flüchtlingsheim, früher hielt einer ein Streichholz ans Strohdach... auch noch viel später beim Neubürger aus der Stadt, den man ebenso wenig akzeptieren wollte (Freunden in den 80ern in Niebüll passiert).
So wenig verändern sich die rabiateren Methoden, mit denen mancher seine Heimat zu schützen versucht.
Dörfler-Methoden?
Hier in der Stadt werden Kinderwagen im Hauseingang angezündet.
Der Islam ist heute, was damals der Protestantismus für die Katholiken im schwäbischen Dorf war... bis man nicht konvertiert war und gebeichtet hatte, blieb man ein Alien. An diesen Leuten war die Reformation total vorüber gegangen und man hätte ihnen vorwerfen können, was Muslimen heute vorgeworfen wird: dass sie nicht fähig wären, ihre Religion und Lebensweise in Einklang mit dem Fortschritt zu bringen. (Und wenn sie das tun, wirft man ihnen vor, keine echten Muslime zu sein, als müsse sich ein jeder dafür rechtfertigen, wie religiös er ist.)
Und da ist man schon eher bei "Identität", die sich mehr aus den inneren Werten bildet. Sowas haben auch Leute, die gar kein Heimatgefühl haben, denn sie ist ein übergeordnetes Gemeinschaftsgefühl. Heimat kann ein Teil davon sein.
Identität ist auch etwas, was durch Abgrenzung entsteht... von alleine oder durch "Schaffung von wir-Gefühlen", und was das akute Thema angeht: Wir christlich-abendländisch geprägten Menschen sollen uns also gegen muslimisch geprägte Menschen abgrenzen. Die Politik soll unsere Identität schützen.
Augstein schreibt:
Klingt ja sehr solidarisch, gerade von einem Mann. Einem, der noch die Zeit bewusst erlebt haben durfte, in der es in den Medien darum ging, dass Frauen grundsätzlich nicht sicher vor sexueller Gewalt sind, nie und nirgends, am wenigsten in der eigenen Familie. Diese Tatsache wurde aber natürlich nie als kulturelle Eigenheit oder identitätsstiftend ernst genommen. Es sind nur andere Kulturen, denen man das zuschreibt...
Nun bin ich Frau, also einer von den Bürgern, die in einsamen Gegenden, nachts im Park, aber auch in der Familie und in der Nähe von Zusammenballungen alleinstehender Männer immer einem Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt war, und jetzt ist das Risiko um einen Faktor von x erhöht. Jetzt soll ich mich auf einmal nicht mehr sicher fühlen (als hätte ich das je) und beschützen lassen... Politik kann mich aber nicht beschützen. Sie kann nur vielleicht die Männer davor schützen, zu Tätern zu werden.
(Steile These, wa? Aber wenn das Flüchtlingsheim weg ist, bleibt immer noch der Nachbar, Hausmeister, Busfahrer, Fremde, Verwandte, ..........)
Und was ist mit dem Wohnraum... sind Gentrifizierung und zu wenige staatliche Wohnraum-Förderung in den Städten nicht das größere Problem?
Spaß beiseite: Wie konkurriert man im Lebensstil? Noch sind z.B. unsere Schulen fest in Regierungshand.
Wir gehen alle auf Schulen, wo man gemeinsames Leben lernen könnte... aber da versagen wir ja schon dabei, die "eingeborenen" Kinder so zu fördern, dass sie ihrer sozialen Schicht entkommen könnten. Darin sind wir mieser als viele andere europäische Länder.
Wir hängen eben an unserer Identität ebenso wie an der der Anderen und sehen es gar nicht gerne, wenn jemand unsere Erwartungen nicht erfüllt, wenn jemand sich verändern will - außer, er schafft es ganz alleine. Sonst heißt es "aber er hatte Hilfe".
Und wenn sich jemand nicht ganz und gar von seinen kulturellen Wurzeln lossagen möchte "diese Kultur ist aber (...)". Als hätte nicht jeder Emigrant auf der Erde das Recht, Positives mitzunehmen und Negatives zurückzulassen.
"Wir sind nunmal kein Einwanderungsland" ist nicht die richtige Antwort auf Probleme, die durch 40 Jahre Einwanderung entstanden sind. Man kann das ebenso wenig rückgängig machen wie die Geburt von einem Schreibaby, dessen Zwilling und Geschwister (all die problemlosen Einwanderer) viel mehr Freude bereiten.
Der Staat hat allen Bürgern gegenüber fair zu sein, und das bedeutet, allen Bürgern eine Heimat zu bieten. Auch denen, die ihre verloren haben und sich hier vielleicht nie ganz heimisch fühlen werden. Auch das ist ihr gutes Recht.
So lange wir aber die Immigranten nicht als solche respektieren, sondern ihr Existenzrecht in Deutschland ständig in Frage stellen, wird das nichts.
Zum Beispiel die hier:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/martin-schulz-was-er-zum-wahlprogramm-machen-koennte-kolumne-a-1141105.html
Gleich im ersten Absatz stolpere ich über folgendes:
Die soziale Gerechtigkeit muss gegen Kapital und Konzerne errungen werden - aber die Identität gegen die Migration. Das Thema ist für die Linken gefährlich: In der Theorie soll doch der Ausländer ein Freund sein. Aber in der Wirklichkeit ist die Einwanderung ein Quell der Sorge. Wenn die Aufgabe einer linken Regierung die Solidarität mit der arbeitenden Bevölkerung ist, dann gehört dazu auch der Schutz der Heimat.So rund das klingt, so eckig bleibt es doch im Hals stecken.
Zunächst mal wird da Identität und Heimat gleichgesetzt und was rauskommt, geht nur ohne Immigranten.
Da fallen mir spontan mal Ecken in Berlin ein, die seit 2 Generationen dadurch definiert sind, dass da sehr viele Immigranten leben, und die sind nicht nur für die "Eingeborenen", sondern auch für die Immigranten Heimat.
Haben die kein Recht darauf, dass sie geschützt werden? Gentrifizierung scheint aber nicht das vordringliche Problem zu sein... dabei zerstört diese die Heimat von sehr Vielen zugunsten der Wenigen, die Augstein im Halbsatz davor nannte: Konzerne, die schonmal ganze Wohnblöcke aufkaufen und luxussanieren, um für oder an irgend welche Investoren Eigentumswohnungen zu verhökern.
Da wo andere herkommen, wo früher mal keine Immigranten lebten, ist deren Zuzug natürlich eine Veränderung, die möglicherweise als "Heimatverlust" empfunden wird.
Dabei wird aber ignoriert, dass sich das, was in dem Fall als "Heimat" definiert wird (der Ort, das Dorf, der Kiez, wo man Kindheit/Jugend verbrachte), sich immer verändert. Nur sind die Immigranten als Störfaktor am leichtesten auszumachen und vermeintlich leichter wieder zu entfernen, als die Neubauten am Dorfrand, die hässliche neue Garage vom Nachbarn, der Supermarkt der den Tante-Emma-Laden ersetzt, das Industriegebiet oder die Fabrikruine, der neue Schweinemaststall oder die leerstehenden LPG-Gebäude oder die 15 Restaurants und Bars im Kiez, die zwei Gemüseläden&Fleischer, eine Tischlerei, einen Chinaladen, zwei Kulturvereine, einen Kinderladen, zwei Bäckereien, einen Dönerläden, zwei Eckkneipen, einen Kiosk und einen Inder ersetzen, das sechzehnte ist in einer ehemaligen Erdgeschoss-Wohnung eingerichtet worden.
Manches wird ja auch positiv empfunden, und prompt zur Heimat zugehörig deklariert - nur, was als negativ empfunden wird, gehört "weg". ("Hier gibt es jetzt ein Heimatmuseum, in dem traditionelle Werkzeuge und Trachten ausgestellt sind." "Ach ja? Dabei war es doch immer Tradition, unnützen Plunder wegzuwerfen. Hat immer nur die Sommergäste aus der Stadt interessiert." "Die wohnen jetzt übrigens schon 20 Jahre hier und haben das Museum eröffnet.")
Die Ursprünglichkeit ostdeutscher Dörfer ist nicht dem Traditionsbewusstsein, sondern dem Denkmalschutz und entsprechenden Fördergeldern zu verdanken, die vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit fehlenden Vorschriften in westdeutschen Dörfern gleich nach der Wende eingesetzt wurden. Die in der Heimat lebten, hatten nämlich oft gar keine Bedenken, das alte Fachwerk mit Teerpappe, Eternit oder Verputz zu verkleiden, "Panoramafenster" in die Fassade zu brechen, die Holztür mit einer aus Alu und krampfaderigem Glas zu ersetzen, wenn nicht gleich abgerissen und im beliebigsten Stil aus dem Fertighaus-Katalog neu gebaut wurde ... so manche niedersächsische Heimat hat einen dramatischen Kulturverlust erlitten, indem sie ihres Gesichtes beraubt wurde.
Gentrifizierung, Bevölkerungszuwachs und -verringerung findet auch durch "einheimische Migration" statt, so mancher empfindet das auch als "Heimatverlust". Der "Eingewanderte" hat ja noch sein Heimatdorf oder -Bezirk (in dem er jetzt von Besuch zu Besuch den eigenen "Heimatverlust" wahrnimmt)...
Und dann gibt es den individuellen Heimatverlust, als Folge der eigenen Entfremdung von seinem ursprünglichen Umfeld, indem man in eine andere soziale Schicht wechselt. Nicht wenige fühlen sich fremd auf dem Klassentreffen, fremd in der eigenen Familie, ... dagegen kommt kein "Heimatverein" an.
Und dann hat Augstein (wie schon gesagt) vergessen, dass auch Immigranten ein Recht auf Heimat haben. Diese ist genau hier, nicht in der Heimat der Großeltern, und das eigene Heimatgefühl verlangt nicht, dass man den örtlichen Vereinen oder einer religiösen Gemeinschaft beitreten muss.
Kurz: Heimat sind Ort und Umfeld, in dem man aufgewachsen ist, oder später eine Heimat fand.
Einen verbürgten Schutz dieser Heimat kann niemand leisten.
Die Immigranten bringen eine sichtbare und spürbare Veränderung, genauso wie die Flüchtlinge nach dem Krieg. Und nein, die wurden nicht wegen der gleichen Kultur und so schneller akzeptiert, die lebten mancherorts noch in den 60ern in Baracken, denen wir uns als Kinder nicht nähern sollten, weil die "ihre Frauen und Kinder schlagen, klauen und dreckig sind" (so die Alteingesessenen auf dem Dorf). Wenn was geklaut wurde (oder auch nur verlegt), waren´s die Flüchtlinge.
Wir Protestanten galten hingegen als Heiden, die in die Hölle kommen werden, aber wenigstens brachten die Bundeswehr-Familien Geld in den Ort - darum wurden wir trotzdem gemobbt, aber nicht ganz so schlimm wie die Kinder aus den Baracken oder die aus dem Kinderheim.
Für uns hätte es aber auch bei einem längeren Aufenthalt nur wenig Anreize gegeben, uns über das Notwendigste hinaus zu assimilieren. Auch später im niedersächsischen Dorf nicht, das inzwischen mit dem Nachbardorf zusammen wächst und vollends zu einem Vorort von Wolfsburg wird.
Auch damals kam es auf ein gegenseitiges aufeinander-zu-gehen an, die Flüchtlinge bekamen Geld für einen Neustart in einem Siedlungshäuschen oder Resthof und erwiesen sich meist als ganz normale, manchmal besonders tüchtige Mitbürger. Andere zogen weg, weil sie sich dort nie heimisch gefühlt hatten. Die einen wurden vollgültige Dorfmitglieder, die anderen blieben Außenseiter.
Ich sehe da ehrlich keinen so großen Unterschied zu den heutigen Flüchtlingen (auch bei dem Neid auf die staatlichen Mittel, die dafür eingesetzt werden).
Heute fällt mal ein Molotowcocktail in ein Flüchtlingsheim, früher hielt einer ein Streichholz ans Strohdach... auch noch viel später beim Neubürger aus der Stadt, den man ebenso wenig akzeptieren wollte (Freunden in den 80ern in Niebüll passiert).
So wenig verändern sich die rabiateren Methoden, mit denen mancher seine Heimat zu schützen versucht.
Dörfler-Methoden?
Hier in der Stadt werden Kinderwagen im Hauseingang angezündet.
Der Islam ist heute, was damals der Protestantismus für die Katholiken im schwäbischen Dorf war... bis man nicht konvertiert war und gebeichtet hatte, blieb man ein Alien. An diesen Leuten war die Reformation total vorüber gegangen und man hätte ihnen vorwerfen können, was Muslimen heute vorgeworfen wird: dass sie nicht fähig wären, ihre Religion und Lebensweise in Einklang mit dem Fortschritt zu bringen. (Und wenn sie das tun, wirft man ihnen vor, keine echten Muslime zu sein, als müsse sich ein jeder dafür rechtfertigen, wie religiös er ist.)
Und da ist man schon eher bei "Identität", die sich mehr aus den inneren Werten bildet. Sowas haben auch Leute, die gar kein Heimatgefühl haben, denn sie ist ein übergeordnetes Gemeinschaftsgefühl. Heimat kann ein Teil davon sein.
Identität ist auch etwas, was durch Abgrenzung entsteht... von alleine oder durch "Schaffung von wir-Gefühlen", und was das akute Thema angeht: Wir christlich-abendländisch geprägten Menschen sollen uns also gegen muslimisch geprägte Menschen abgrenzen. Die Politik soll unsere Identität schützen.
Augstein schreibt:
Wagenknecht hat gesagt: "Wenn sich laut einer Umfrage heute 58 Prozent der Frauen in Deutschland nicht mehr sicher fühlen, dann sollten Linke nicht so tun, als gäbe es kein Problem."Das kommt direkt nach "Identität schützen": Schützt unsere Frauen!
Klingt ja sehr solidarisch, gerade von einem Mann. Einem, der noch die Zeit bewusst erlebt haben durfte, in der es in den Medien darum ging, dass Frauen grundsätzlich nicht sicher vor sexueller Gewalt sind, nie und nirgends, am wenigsten in der eigenen Familie. Diese Tatsache wurde aber natürlich nie als kulturelle Eigenheit oder identitätsstiftend ernst genommen. Es sind nur andere Kulturen, denen man das zuschreibt...
Nun bin ich Frau, also einer von den Bürgern, die in einsamen Gegenden, nachts im Park, aber auch in der Familie und in der Nähe von Zusammenballungen alleinstehender Männer immer einem Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt war, und jetzt ist das Risiko um einen Faktor von x erhöht. Jetzt soll ich mich auf einmal nicht mehr sicher fühlen (als hätte ich das je) und beschützen lassen... Politik kann mich aber nicht beschützen. Sie kann nur vielleicht die Männer davor schützen, zu Tätern zu werden.
(Steile These, wa? Aber wenn das Flüchtlingsheim weg ist, bleibt immer noch der Nachbar, Hausmeister, Busfahrer, Fremde, Verwandte, ..........)
Migranten sind Konkurrenten um Wohnraum und Arbeitsplätze.Bäm: Sie nehmen uns die Arbeit weg! Lieber Jakob, Du meinst wirklich, dass der Ausländeranteil Schuld an der Misere mit dem Arbeitsmarkt, den Jobcentern und Harz4 ist? Nicht Politik und Wirtschaft? Und das ist eine linke Position, oder soll es mal werden?
Und was ist mit dem Wohnraum... sind Gentrifizierung und zu wenige staatliche Wohnraum-Förderung in den Städten nicht das größere Problem?
Und sie sind zusätzlich Konkurrenten im Lebensstil.Öhm... das ist eine Stilfrage? Dann bitte her mit den Kopftüchern, ich kann das am Ansatz rausgewachsene billige Lilabraun auf dünnem grauem Haar nicht mehr sehen, und so mancher Hintern wäre unter züchtiger Bedeckung auch besser aufgehoben. Und wirklich kein einziger muslimischer Mann trägt kurze Hosen mit Bauarbeiter-Décolleté und Sandalen mit Socken drin! Und geh mir wech mit Bratwurst, ich nehme den Döner! :troll:
Spaß beiseite: Wie konkurriert man im Lebensstil? Noch sind z.B. unsere Schulen fest in Regierungshand.
Wir gehen alle auf Schulen, wo man gemeinsames Leben lernen könnte... aber da versagen wir ja schon dabei, die "eingeborenen" Kinder so zu fördern, dass sie ihrer sozialen Schicht entkommen könnten. Darin sind wir mieser als viele andere europäische Länder.
Wir hängen eben an unserer Identität ebenso wie an der der Anderen und sehen es gar nicht gerne, wenn jemand unsere Erwartungen nicht erfüllt, wenn jemand sich verändern will - außer, er schafft es ganz alleine. Sonst heißt es "aber er hatte Hilfe".
Und wenn sich jemand nicht ganz und gar von seinen kulturellen Wurzeln lossagen möchte "diese Kultur ist aber (...)". Als hätte nicht jeder Emigrant auf der Erde das Recht, Positives mitzunehmen und Negatives zurückzulassen.
"Wir sind nunmal kein Einwanderungsland" ist nicht die richtige Antwort auf Probleme, die durch 40 Jahre Einwanderung entstanden sind. Man kann das ebenso wenig rückgängig machen wie die Geburt von einem Schreibaby, dessen Zwilling und Geschwister (all die problemlosen Einwanderer) viel mehr Freude bereiten.
Der Staat hat allen Bürgern gegenüber fair zu sein, und das bedeutet, allen Bürgern eine Heimat zu bieten. Auch denen, die ihre verloren haben und sich hier vielleicht nie ganz heimisch fühlen werden. Auch das ist ihr gutes Recht.
In der Theorie soll doch der Ausländer ein Freund sein.Nein. Der Ausländer ist ein Bewohner, der Immigrant ein Bürger. Beide sollen nicht Freunde, sondern Mitbürger sein, Mitbewohner unseres Landes. Wir müssen nicht Freunde sein, um uns gegenseitig zu respektieren und in Ruhe leben zu lassen.
So lange wir aber die Immigranten nicht als solche respektieren, sondern ihr Existenzrecht in Deutschland ständig in Frage stellen, wird das nichts.