Wer an Karneval als Geisha, Indianer oder Scheich geht, spielt mit Stereotypen. Aber ist das schon rassistisch? Die Plakatkampagne „Ich bin kein Kostüm“ will Diskriminierung bekämpfen, schadet aber dem Anliegen.
Zuerst einmal vorneweg: Empathie ist etwas Gutes. Im Umgang mit anderen Menschen sollte man sich immer ein Fünkchen davon aufbewahren. Alles Gute kann jedoch sehr leicht ad absurdum geführt werden. Neues aus der Unsinnsschmiede präsentieren uns nun das Forum gegen Rassismus und Diskriminierung, der Antidiskriminierungsverband Deutschland, die Amadeu Antonio Stiftung und der Verein der Bundestagsfraktion Die Linke e.V. Gemeinsam haben sie die Plakataktion „Ich bin kein Kostüm!“ ins Leben gerufen, die in der jecken Zeit die Infoscreens der U-Bahnhöfe ziert. Zu sehen ist Unsägliches. Menschen, die sich verkleiden – als Indianer, Geisha oder Schlimmeres – und Menschen, die vermeintlich der Kultur entstammen, die den Kostümierten als Vorlage diente.

Die Erziehungsmaßnahme zielt darauf ab, Sensibilität zu schaffen, denn die Vereinnahmung bestimmter Symbole einer vermeintlich inferioren Kultur durch eine dominante führe zu Stigmatisierung und Ausgrenzung (den jüngsten Skandal löste der Verein „Südend“ in Fulda mit kolonialen Motiven aus). Das kann in der Tat ein Problem sein – etwa bei der Verwendung heiliger Artefakte zu Modezwecken. Cultural Appropriation bedeutet aber nicht zwangsläufig Nivellierung von Kultur. Eine Übernahme kann auch etwas sehr Wertschätzendes sein und das Übernommene in ein kollektives Bewusstsein überführen.

Wer sich dem lebhaften Kostümierungsdrang hingibt, mobilisiert optische Stereotype. Ohne Stereotype würden allerdings weder Romane funktionieren, noch Filme oder Musik. Gäbe es keine Stereotype, könnte man auch nicht mit diesen spielen. Und weil das Spielerische beim Karneval doch recht eindeutig eine gewichtigere Rolle einnimmt als versteckter Kulturimperialismus, lasse man den Dom doch bitte in Kölle.

In der Ethnopluralismus-Falle


Dem gemeinen Jecken ist sicherlich zuzutrauen zwischen Kostümvorlage und leibhaftigem Individuum zu unterscheiden. Selten hat man bisher von Menschen gehört, die sich anlässlich der fünften Jahreszeit in fernöstliche Kimonos wickelten und seitdem beim Anblick von Asiaten an nichts anderes als weißes Make-up und verkrüppelte Lotusfüße denken können. Sehr, sehr selten.

Die Dreadlocks den Schwarzen, die Han-Schrift den Chinesen, die Bindis den Hindus: Wer sich bemüht, Rassismen auf solche Art zu bekämpfen, landet schnell in der Ethnopluralismus-Falle. Kulturen seien statisch und daher permanent bedroht, man müsse also ihren essenziellen Wesenskern schützen, am besten durch Abschottung. Ziel einer Gesellschaft kann aber nicht das Ausmerzen von Stereotypen bzw. die akkurate Verteilung von Stereotypen auf bestimmte Kulturräume sein. Ziel sollte sein, dass das Aussehen eines Menschen nicht mehr zu seiner Ungleichbehandlung führt.

Und da sich hierzulande sogar sehr viele Menschen in diesem Punkt einig sind, ist es nicht verwunderlich, dass die Kampagne einige ziemlich fuchsig macht. Sie interpretieren diese nämlich dahingehend, dass ihnen latenter Rassismus unterstellt werde. Man war ja früher schon beleidigt, wenn Eltern einem die eigene Schlampigkeit vorhielten, obwohl das Kinderzimmer bereits gewissenhaft aufgeräumt worden war. Beim Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit klingeln die Ohren erst recht. Zwischen Sensibilisierung und Bevormundung liegt ein unangenehm schmaler Grat. Für diese Tatsache sollten die Verantwortlichen der Aktion einmal sensibilisiert werden.
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