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„Wir haben eine Gewaltseuche im Herzen des Islam“
26.10.2016 um 07:48Der Publizist Hamed Abdel-Samad prangert die Toleranz im Umgang mit dem Islam an. Europäische Politiker seien naiv, würden Extremisten Schlupflöcher bieten. Statt Parolen fordert er harte Maßnahmen.
„Wir haben ein ernsthaftes Problem.“ Zu diesem Fazit kommt der deutsch-ägyptische Islamkritiker Hamed Abdel-Samad. Die Theologie der Gewalt im Islam habe wie eine „Seuche“ alle islamischen Länder befallen - und auch alle europäischen Staaten, wo Muslime leben, sagt er im Interview mit der österreichischen Zeitung „Der Standard“.
Seine polarisierende Haltung zum Islam bescherte dem Publizisten bereits Morddrohungen von radikalen Salafisten aus Ägypten. Seit drei Jahren lebt er in Deutschland unter Polizeischutz. Dennoch schreibt der studierte Politikwissenschaftler weiter. Als Sohn eines sunnitischen Imams versucht er aufzuklären. Er arbeitete bereits für die Unesco, am Lehrstuhl für Islamwissenschaft der Universität Erfurt und wurde 2015 gemeinsam mit Ahmad Mansour von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf für sein Engagement gegen Antisemitismus ausgezeichnet. In seinem neuesten Buch „Der Koran. Botschaft der Liebe. Botschaft des Hasses“ beleuchtet er einzelne Suren und deren Interpretationsmöglichkeiten. Für den umstrittenen Islamwissenschaftler steht fest: „Wir haben eine richtige Gewaltseuche im Herzen des Islam.“
Im Interview warnt Abdel-Samad eindringlich vor einem demokratiegefährdenden politischen Islam. Der Koran sei ein Schriftwerk, das im Kontext der Entstehung betrachtet werden müsse, sagt er. Es enthalte sowohl die Botschaft der Liebe und des Friedens als auch die Botschaft des Hasses und der Gewalt.
Die Erklärung dafür liege in der Geschichte. In dem Buch sei die Entwicklung der Gemeinde Mohammeds dokumentiert. Zunächst sei sie in Mekka noch klein, schwach und friedlich gewesen, predigte Toleranz. Später, in Medina, habe sie eine Armee gehabt und fast ausschließlich vom Krieg, von Beute und dem Verkauf von Sklaven gelebt. „Darum kamen zuletzt die Passagen, die Krieg und Gewalt gegen Ungläubige verherrlichen“, erklärt Abdel-Samad.
So kann der Koran heute in zwei Lesarten interpretiert werden - der friedlichen und der gewalttätigen. Islamisten würden demnach laut Abdel-Samad den Koran nicht im historischen Kontext sehen. „Mohammed reagierte auf die Fragen der Menschen von damals - aber nicht auf unsere von heute.“ Im Koran als Ungläubige bezeichnete Menschen seien damals kleine Gruppen gewesen, die in Konkurrenz zu Mohammed standen. Damit seien nicht Atheisten, Juden oder Christen von heute gemeint. „Im Koran spricht nicht Gott für alle Zeiten für alle Menschen, sondern Mohammed spricht kontextbezogen auf Mekka und Medina“, so Abdel-Samad.
Verfassung setzt Rahmen für Religionsausübung
Der 44-Jährige warnt eindrücklich: „Man darf den Koran nicht als politisch-juristischen Ratgeber lesen.“ Weder der politische Teil des Korans, der die Entwicklung, Kriege und Friedensabkommen der Gemeinschaft um Mohammed beschreibt, noch der juristische Teil, der Gebote und Verbote umfasst, könne aus heutiger Sicht Allgemeingültigkeit besitzen.
Lediglich der Teil mit allgemeinen Prinzipien - etwa Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Solidarität mit den Armen, Bewahrung der Schöpfung, Verlangen nach Wissen und Gleichheit aller Menschen - könne einfach übertragen werden. Wichtig für die heutige Zeit sei, dass die Verfassung an erster Stelle komme und den Rahmen für die Religionsausübung festsetze. „Nicht alles, was im Koran steht, darf automatisch umgesetzt werden“, sagt er.
Für den Publizisten lassen sich mit seinem Ansatz Handlungsrichtlinien für die aktuellen Debatten rund um den Islam finden. Etwa werde das Verschleierungsgebot - auch von muslimischen Mädchen - unter Verweis auf den Koran legitimiert. Zu Zeiten Mohammeds im feindseligen Umfeld in Medina hätte die Verschleierung die Funktion gehabt, auf der Straße nicht aufzufallen. Heute sei der Grund dafür hinfällig, eine Verschleierung nicht unter dem Aspekt der Religionsfreiheit gerechtfertigt.
In drei Punkten sieht er ein Kopftuch oder eine Verschleierung als besonders kritisch an. Mädchen zu zwingen, ein Kopftuch zu tragen, sei eine Bevormundung und frühe Sexualisierung, sagt er. „Jede religiöse Indoktrinierung von Kindern ist ein Verstoß gegen Menschen- und Kinderrechte. Warum soll man davon ausgehen, dass ein Mann Lust auf ein achtjähriges Mädchen hat?“, fragt er. Auch im öffentlichen Dienst sei das Kopftuch „höchst problematisch“, weil Islamisten es seit Jahren als Propagandamittel nutzten. Für die Burka fordert Abdel-Samad „aus Prinzip“ ein Komplettverbot.
„Seit 9/11 sind wir hilflos“
„Eine Frau, die das Gesicht verdeckt, sagt uns, ich bin euch moralisch überlegen und will mit euch nichts zu tun haben. Ich will nicht mit euch kommunizieren“, so Abdel-Samad. „Vollverschleierte Frauen dürfen keine Sozialhilfe erhalten, weil sie sich durch die Burka oder den Nikab 99 Prozent aller Berufschancen vergeben. Sie bemühen sich nicht, einen Job zu bekommen“, meint er. Auch aus Sicherheitsgründen ließe sich ein Verbot rechtfertigen, da sich viele IS-Kämpfer als Burkaträgerinnen verkleidet hätten.
Politikern wirft Abdel-Samad schwere Fehler im Umgang mit dem Islam vor. Die Frage, ob Islam und Demokratie zusammenpassten, beantwortet er sehr eindeutig: „Nein, natürlich nicht. Seit 9/11 sind wir hilflos und versuchen mit irgendwelchen Parolen die Lage zu beruhigen.“
Der Islamismus sei weltweit auf dem Vormarsch. In Deutschland gebe es inzwischen zwischen 6000 und 40.000 Unterstützer, vor ein paar Jahren seien es nur 300 Gefährder gewesen. Das zeige, dass Parolen wie „Der Islam gehört zu Deutschland“ nicht helfen würden. „Man muss die Probleme ehrlich benennen und darf das Gewaltpotenzial des Islam nicht unter den Teppich kehren.“
Die Politiker müssten lernen, dem politischen Islam keinen Unterschlupf zu bieten. „Der Salafismus wächst in Europa krebsgeschwürartig“, so Abdel-Samad. „Die Politiker in Europa dürfen nicht naiv sein und nicht im Namen der Toleranz zulassen, dass die Intoleranten ihre Infrastrukturen ausbeuten“, warnt er.https://www.welt.de/politik/deutschland/article159027515/Wir-haben-eine-Gewaltseuche-im-Herzen-des-Islam.html
Auch im Umgang mit muslimischen Organisationen sei Vorsicht angebracht: Viele gäben sich demokratisch und staatstragend, solange sie in der Minderheit sind. Aber kämen sie an die Macht, zeigten sie „ihre hässliche Fratze und ihr totalitäres Gedankengut“.