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Lilo Tulatz:
Spaziergang im Zschoner Grund



(Dresden)
Für mich war es ein Tag wie jeder andere auch. Es war ein schöner sonniger Tag. Ich nahm meine beiden Kinder bei der Hand und spazierte mit ihnen zum nahegelegenen Zschoner Grund. Meine Gedanken waren bei meinem Mann in Berlin, und ob er wohl bei der Geburt unseres dritten Kindes im November auf Urlaub kommen werde. Er war als Werkleiter eines mittleren Betriebes eingesetzt und wohnte irgendwie und irgendwo in einem möblierten Zimmer. Besuchen kam er uns nur jedes zweite Wochenende. Eine Wohnung in Berlin war uns erst nach zwei Jahren Wartezeit in Aussicht gestellt worden.

„Warum sind denn so viele Leute da?" fragten die Kinder und rissen mich aus den Gedanken über unsere Zukunft. Es war auch wirklich ungewöhnlich - so viele Menschen am frühen Nachmittag auf dem Heimweg zu ihren am Stadtrand gelegenen Wohnungen. Man erklärte mir, die Arbeiter hätten die Baustellen und Betriebe verlassen und seien auf die Straße gegangen, um für bestimmte Veränderungen zu demonstrieren. Ich war ahnungslos. Aber am nächsten Tag hatte sich die Welt für mich nicht verändert, und von Unruhen war in meiner Umgebung nichts zu spüren.
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