"Spurensicherung. Zeitzeugen zum 17. Juni 1953" GNN Verlag
14.06.2016 um 02:19Helmut Büttner
Antifaschisten unter Jungarbeiterfäusten
(Magdeburg)
http://www.spurensicherung.org/texte/Band2/buettner.htm#top
Antifaschisten unter Jungarbeiterfäusten
(Magdeburg)
Kaum hatte der ideologische Trommelwirbel des RIAS begonnen, folgten auch Tausende Arbeiter aus Magdeburger Schwermaschinenbaubetrieben spontan den Losungen, die aus dem Äther kamen. Die zumeist jungen Anführer, beispielsweise im Thälmannwerk oder im Schwermaschinenbau „Karl Liebknecht", hatten dabei infolge der administrativen Normerhöhungen und anderer bürokratischer Regierungsmaßnahmen leichtes Spiel.Weiterlesen unter
Es waren bittere Erfahrungen, die wir Mitarbeiter der Magdeburger „Volksstimme" im Zeitungshochhaus Bahnhofstraße 17 sammeln mußten. Als Chefredakteur wirkte Karl Jacobi - ein gebürtiger Schwabe, von denen manche behaupten, daß sie „saugrob", aber auch „saugemütlich" sein können. Karl war so einer, und ehemalige Leipziger Journalistikstudenten erzählen noch heute gern von manch stimmungsvollem Weinabend mit ihrem Professor. Aber vor allem war Karl Jacobi ein mutiger, aufrechter Antifaschist, hinter dem bereits ein schwerer Lebensweg lag. In der Weimarer Zeit Journalist der Arbeiterpresse, hatte er danach als Interbrigadist gegen die spanischen Faschisten gekämpft, war später von den Nazis verhaftet, erst wegen „Hochverrat" zum Tode verurteilt und anschließend viele Jahre in KZ und Zuchthäusern gequält worden. „Als ich von meiner Mutter Abschied nahm", so erzahlte er mir einmal, „hatte sie blondes Haar, als ich sie wiedersah, weißes ..."
An jenem Morgen eröffnete unser Chefredakteur betont ruhig das turnusmäßige Redaktionsseminar, obwohl ein erregter Redakteur darauf hinwies, daß im Norden der Stadt ein Demonstrationszug in Richtung Zentrum marschiere. „Das werden die staatlichen Organe schon in Ordnung bringen", meinte er. „Wir lassen uns jedenfalls nicht von unserem Seminar ablenken."
Nach etwa einer Stunde stürzte der Pförtner in den Raum und rief: „Sie stürmen das Hochhaus!" Nun gehörte Karl Jacobi zu den ersten, die nach unten rannten und sich den „Demonstranten" widersetzten. Ich war nur wenige Meter von ihm entfernt und sah, wie ihn junge Arbeiter aus dem Thälmannwerk mit großen Schraubenschlüsseln auf den Kopf schlugen, so daß sein blaues Sommerhemd voller Blut war.
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