Zwei jüngere Fische schwimmen zusammen im Meer rum,
als sie plötzlich einen älteren Fisch treffen, der da fragt:
"Moin moin, Wie ist das Wasser?"
Nachdem sich ihre Wege wieder getrennt haben, fragt der eine kleine Fisch
nach einiger Zeit den anderen:
"Was zur Hölle ist Wasser?".


Wenn Du an dieser Stelle Angst hast, dass ich mich als älteren, weiseren
Fisch ausgeben möchte, dann kann ich dich nur beruhigen.
Dieser bin ich nicht.

Der ganz einfache Punkt dieser Geschichte ist, dass die offensichtlichen, allgegenwärtigen
und wichtigen Wahrheiten die sind, die am schwersten zu erkennen und zu beschreiben sind.

Einfach so zitiert wirkt diese Aussage wie eine banale Binsenweisheit, aber Fakt ist,
dass diese Banalitäten in unserem alltäglichen Leben darüber entscheiden können,
ob wir leben oder sterben.
Das klingt vielleicht nach Übertreibung oder abstrakten Unsinn.


Ein Großteil meiner Annahmen über meine Realität sind komplett falsch und fehlgeleitet.
Hier, ein Beispiel dazu:
Alles, was ich sofort erleben kann, suggeriert mir automatisch, dass ich das absolute
Zentrum des Universums bin. Ich bin die einzige und wichtigste Person in meinem Leben,
denn ich bin das Einzige, was für mich wirklich ist.
Wir reden nur sehr selten über diese Art natürliche, egozentrische Einstellung, weil sie
in unserer sozialen Gesellschaft zu tiefst widerwärtig ist, obwohl wir alle ausnahmslos diese Einstellung
teilen.
Es ist unsere Grundeinstellung, tief in unserem Sein verwurzelt.
Überlegt doch:
Es gibt keine Erfahrung, die du gemacht hast, in der du nicht im Mittelpunkt gestanden hast. Die ganze Welt,
wie du sie erlebst, passiert vor dir, oder hinter dir, links oder rechts von dir, in deinem TV oder auf deinem Monitor.
Das, was deine Mitmenschen denken und fühlen, muss man dir irgendwie mitteilen - deine
eigene Leibeserfahrung ist im Gegensatz dazu so direkt, so eindringlich, so real, dass sie
die einzige Wahrheit ist, von der wir sicher ausgehen können, dass sie wahr ist.
Das alles ist aber keine Sache der Tugend, es ist eine Frage der Entscheidung.
Die Entscheidung an sich selbst zu arbeiten, um irgendwie einen Unterschied zu machen.
Um irgendwie von seiner zutiefst egozentrischen, naturgegebenen Grundeinstellung abzuweichen,
damit sich der Blick für das wichtige, humane, lebenswerte schärfen kann.


Da wir grade so ein akademisches Publikum vorfinden, ist es doch geradezu passend zu fragen, inwiefern
Wissen oder Intelligenz eine Rolle dabei spielt, wenn man sich selbst ändern will.
Wenn man sich dieser Frage nährt, muss man aber aufpassen.
Das wohl gefährlichste an unserer Bildung ist, dass wir dazu neigen, Dinge zu zerdenken, sodass man
sich in komplett abstrahierten Argumenten verliert, anstatt einfach mal aufrichtige Aufmerksamkeit für
das aufzubringen, was sich grade vor unseren Augen abspielt.
Die Aufmerksamkeit darauf zu richten, was sich in uns selbst abspielt.
Ich bin mir sicher, wir alle wissen, wie schwer es ist, immer aufmerksam und achtsam durchs Leben zu gehen
und wie einfach man von der Stimme im Kopf hypnotisiert wird.

Daher formuliert unser Bildungssytem auch die Maxime, "wie" man zu denken hat.
Das Klischee "Wie man zu denken hat" ist im Endeffekt die Wahrheit,
dass das Denken ein aktiver Prozess ist.
Es geht darum, bei komplettem Bewusstsein bewusst zu sein.
Es geht darum, dass wir aufmerksam genug mit unserer Umwelt umgehen, um
bewusst darüber nachzudenken, WIE wir über etwas nachdenken.
Es geht darum, WIE wir von der rein physischen Erfahrung zur kognitiv erarbeiteten
Bedeutungsfindung gelangen.

Wenn du das nämlich irgendwann nicht mehr kannst, dann bist du als Erwachsener komplett verloren.
Ich denke hierbei an das alte Klischee, dass
"der Verstand ein wunderbarer Diener, aber ein schrecklicher Meister" sei.
Dieses Klischee, so unspannend und langweilig es auch auf den ersten Blick erscheint, verbirgt
eine viel tiefere, und verstörendere, Wahrheit.
Es ist schließlich kein Zufall, dass die meisten durch Schusswaffen begangenen Suizide von
Erwachsenen eine gemeinsame Diagnose offenbaren.
Tod durch Kopfschuss.
Und eine weitere Wahrheit ist, dass diese Menschen schon viel länger Tod waren; noch bevor sie überhaupt
die Waffe an die Schläfe setzten.

Und das sollte die wahre Aufgabe dieser "kein-scheiße, pseudo-freien Bildung" sein.
Wie man sein eigenes, komfortables, wirtschaftlich gut-situiertes Leben leben kann,
ohne dass man ein Sklave seiner Selbst wird,
in der Vorstellung gefangen, der einzig einzigartige, komplett vollkommende und höchste Mensch auf Erden zu sein,
Tag ein, Tag aus.

Das klingt alles schonwieder sehr abstrakt, also lasst mich genauer werden:
Der einfache Umstand, dass selbst die ältesten Menschen unter uns immer noch nicht verstehen,
was "Tag ein, Tag aus" tatsächlich bedeutet, zeigt die ganze Problematik.
Es gibt noch immer Teile unseres alltäglichen Lebens, über die Niemand wirklich ernsthaft spricht.
Dinge wie Langeweile, Routine, Unbedeutsamkeit und Frustration.
Jeder, der schon länger denselben Job hatte, weiß, wovon ich spreche.


Ein gutes Beispiel:
Jeden Morgen stehst du auf, um deine Pflichten zu erfüllen. Du funktionierst von acht bis vier, manchmal
auch von acht bis acht. Genau deshalb bist du am Ende des Tages müde, erschöpft und ausgelaugt und
daher möchtest du einfach nur nachhause, in dein Bett, oder einfach noch eine Molle trinken, während du
für eine Stunde die Füße hochlegst, weil du spätestens morgen wieder spuren musst.
Doch auf dem Weg nachhause bemerkst du, du hast gar nichts mehr zu Fressen zuhause, oder kein Bier
für die Entspannung, also scherst du aus, kehrst um, weil die meisten Läden schließen, wenn
du grade auf dem Weg heim bist. Währenddessen du auf dem Weg zum letzten Supermarkt bist, realisierst du,
dass du nichts zu Fressen hast, weil du schon die ganze Woche über Überstunden geschoben hast.
Da wir Menschen ja intelligent sind, aber noch immer nicht den verfickten Verkehr anständig regeln können,
da wir den Stress brauchen, um nicht über die wichtigen Dinge des Lebens nachzudenken, passiert es,
dass du in der Rush-Hour stecken bleibst. Du fährst vielleicht einen Smart, der nicht mehr als 5 Liter schluckt,
oder vielleicht sogar einen Hybriden, aber um dich herum dampfen die V12-Motoren und die Tanks der
Sub-Stadt-Geländewagen blasen unermesslich wichtige Ressourcen in die Atmosphäre, nur, weil wir
unsere Leben nicht anständig planen können. Weil wir für etwas Höheres funktionieren müssen.
Ich höre schon die Stimmen unserer ungeborenen Kinder, wie sie uns zutiefst verachten,
weil wir einfach scheiße sind. Wir sind scheiße. Die Scheiße der Schöpfung. Der singende, tanzende Abschaum. Nicht mehr, nicht weniger.
Irgendwann hast du es dann vielleicht geschafft und du kommst im Supermarkt an.
Doch natürlich bist du nicht der einzige, der um diese Uhrzeit noch schnell einkaufen gehen muss,
weil alle anderen Menschen genau das gleiche Schicksal teilen, so wie du. Wir haben sogar das gleiche Ziel:
Nur ein, zwei Kleinigkeiten, dann direkt wieder abhauen und entspannen.
Also quetschst du dich durch die engen Gassen, geblendet vom Neonlicht, und versuchst noch das nötigste
zu bekommen.
Selbst wenn du nur Klopapier brauchst, um dir den Arsch abwischen zu können, musst du an all dem Essen vorbei
an all den Süßigkeiten und auch an den ganzen, sinnlosen Verlockungen des Lebens, die nur existieren, um uns
Dumm zu halten und diese Erde bis auf Ihren harten Kern auszubeuten.
Irgendwann, nach einer kleinen Ewigkeit, erreichst du dann die Schlange an der Kasse und du hast das Gefühl,
als wäre es dort noch voller als auf den Straßen.
Die Schnellkassen sind mit tausenden Artikeln vollgestopft und erfüllen ihre Funktion nicht einmal mehr im
geringsten.
Nach einer subjektiven Stunde kommst du dann endlich an die Reihe, und kannst deine Bedürfnisse stillen.
Du bezahlst mit einer Karte, die eine Währung simuliert, die an sich nicht einmal echt ist und erhältst dafür
im Gegenzug Sachen, von denen du nicht einmal weißt, wofür du sie eigentlich brauchst.
Doch die Krönung des Abends ist die Kassiererin, die mit ihren Augenringen wie ein Panda aussieht,
beziehungsweise eine Stimme hat, die so rau ist, dass man sie ohne Probleme zum Dreiecksschleifer
umfunktionieren könnte. Und trotzdem wünscht sie dir einen schönen Abend, obwohl sie noch mindestens eine Stunde
dort festgewurzelt sitzen muss.

Genau an dieser Stelle setzt die Entscheidung an.
Nur weil du unermesslich viel Zeit hast, während du die ganze Zeit, Zeit deines Lebens warten musst,
heißt das lange noch nicht, dass du dir bewusst bist, was um dich herum passiert.
Wenn ich mich nicht bewusst dazu entscheide allen Dingen um mich herum Aufmerksamkeit beizumessen und
nur das gleiche Verhaltensmuster an den Tag lege, dann bleibt nichts anderes übrig, außer die gleiche,
wiederkehrende Frustration, die ausnahmslos jeder Mensch in seinem Leben kennt.
Es ist die Entscheidung zwischen aktivem Denken und der naturgegebenden Grundeinstellung.
Denkt doch mal drüber nach:
Immer wenn du einkaufen gehst, geht es nur um dich.
Es geht darum, deinen Hunger zu stillen.
Es geht darum, deine Langeweile zu bekämpfen
Es geht darum, dass du als erster wieder zuhause bist.
So kommen wir alle zu dem gleichen Schluss, dass alle anderen Menschen nur in unserem Weg stehen.
Wer sind diese beschissenen Menschen überhaupt?
Sieh doch, wie sie dich ansehen, so fordernd, musternd, herablassend.
Hör doch, wie zu tiefst unfair es ist, wenn der Mann hinter dir in der Schlange in sein Mobiltelefon brüllt,
während dir der Schädel vor Kopfschmerz platzt.
Du hast den ganzen beschissenen Tag gearbeitet, hattest deshalb nicht mal Zeit richtig zu fressen.

Wenn wir uns "entscheiden", so zu denken, dann ist das okay. Viele machen das so.
Aber nur weil so zu denken einfach und automatisch ist, heißt es nicht, dass jeder der so denkt,
sich auch dazu entschieden hat.
Es ist eher diese natürliche Grundeinstellung des Menschen.
Der automatische, unbewusste Weg, wie man diese langweilige, frustrierende Erfahrung des Alltags kompensiert
und relativiert. Man räumt sich selbst immer die Größte Priorität ein; das ist einfachste Biologie.

Es gibt dennoch immer eine Entscheidung, immer.
Du entscheidest, wie du deine Umwelt wahrnimmst.
Vielleicht fährt der Opa neben dir den Hummer, weil er schon einen schrecklichen Unfall in einem kleineren
Wagen hatte.
Vielleicht drängelt sich der Mitt-Dreißiger in der S-Klasse vor, weil seine fiebernde Tochter auf
dem Rücksitz dem Tode nah ist.
Und vielleicht gucken die anderen Menschen in der Schlange im Supermarkt, einschließlich der Kassiererin,
so grimmig, weil sie genauso genervt sind... wie du selbst.

Natürlich ist davon nichts wahrscheinlich; aber es ist auch nicht unmöglich - es kommt darauf an,
welche Wahrheit wir wählen.
Wenn du in dein Grundmuster verfällst, okay gut. Wenn du dich dazu entscheidest, anders zu denken, umso besser.
Wir haben immer die Wahl. Man muss es nur wissen, dass man immer die Wahl hat.

Hat man sich einmal dazu entschieden, aktiv zu denken, dann kann dieser Moment im Supermarkt eine Offenbarung sein.
Ein Heiliger Moment, in dem gleiche Menschen aufeinander treffen, weil sie die gleichen, zu tiefst humanen
Bedürfnisse teilen. Dieser Augenblick kann brennen wie die Liebe zweier Menschen, entzündet durch einen Funken,
heißer als die Sterne selbst.
Die aufrichtige Mit-Leidenschaft für deine Mit-Menschen, die reinste Form der Liebe.
Die Erkenntnis, dass alle Dinge unter ihrer Oberfläche genau gleich sind.
Alle Dinge.
Ausnahmslos.

Die einzige wahre Wahrheit ist, dass wir entscheiden, wie wir dieses Leben erleben wollen.
Wir ordnen Dingen automatisch eine Bedeutung zu, es muss aber ein aktiver Prozess sein.
Nur dann können wir verstehen und schlussendlich glücklich werden,
durch Wertschätzung.

Denn hier ist noch eine Wahrheit:
Es gibt keinen Atheismus. Es gibt nicht so etwas wie: Nicht-Wertschätzen. Jeder macht das.
Wir entscheiden nur, was wir wertschätzen.

Wir allein können Menschen, Tieren, Gegenständen einen Wert einhauchen und damit ist es unsere Entscheidung,
ob diese Welt gut oder schlecht ist.
Wir gestalten sie, sie gestaltet sich nicht selbst.

Und das begreifen zu wollen, ist noch viel wichtiger als alles andere:

Wenn du Macht wertschätzt, dann wirst du immer Angst haben, sie zu verlieren. Du wirst alles tun, um sie zu
erhalten. Du wirst dich schwach fühlen und Angst haben, wenn sie dann weg ist.

Wenn du Geld und Materialismus wertschätzt, dann kriegst du nie genug von allem. Du willst immer mehr davon.
Und kein Preis ist dir zu hoch.

Wenn du deinen eigenen Körper wertschätzt, dann wirst du dich immer zu fett oder zu hässlich fühlen.
Du wirst mit deinem Alter schrumpeliger und dabei tausend Tode sterben, bevor du überhaupt erst aufhörst
zu atmen.

Wenn du deinen Intellekt wertschätzt und willst, dass andere denken, dass du schlau bist, dann wirst du dich
nur dumm fühlen. Immer auf der Hut, dass niemand erfährt, dass du doch nicht der Schlauste bist.
Weil es immer einen Klügeren gibt.

Glaub mir, das wahrhaftig bösartige an diesen Formen der Wertschätzung ist, dass sie im Grunde
keine bösen Absichten verfolgen.
Sie sind einfach unbewusste und ungerichtete Verhaltensmuster.
Das ist die Art von natürlicher Grundeinstellung, in die du einfach hineingeboren wirst.
Tag um Tag festigt sich das Bild der Welt in deinem Kopf und du sortierst alles aus, um es dann
zu klassifizieren und einschätzen zu können - doch ohne sich dessen bewusst zu sein.

Die Welt hindert dich auch nicht daran so zu denken, im Gegenteil, sie will es.
(Und mit Welt meine ich jeden Menschen auf dieser Erde).
Sie braucht es, denn Macht und Stärke des Einen harmonieren elementar mit der Angst und Frustration des Anderen.

Unsere Welt hat auch Wohlstand und Freiheit hervorgebracht, was, so bläut man uns ein, ein Fortschritt ist.
Welcher Fortschritt?

Die Freiheit, Gott zu sein, aber nur in unserem eigenen, schädelgroßen Universum.
Wir glauben, wir könnten nichts außerhalb unseres Körpers ändern und darum ändert sich nichts.
Wir fallen in Ohnmacht, weil wir ohnmächtig sind.

Doch die größte Freiheit, ist eine andere.
Sie hat nichts mit Gewinnen, Bekommen und Haben zu tun.
Es ist die Freiheit, aufmerksam zu sein, Disziplin zu besitzen, fleißig zu sein.
Um Sich für die Menschen aufzuopfern, die du vielleicht nicht einmal kennst.

Ihnen so oft zur Seite stehen, wie es nur geht, egal wie uncool, unsexy und gar nicht modern diese Einstellung ist.

Anderen Menschen zu zeigen, dass du sie liebst, weil sie leben. Weil sie auch lieben können.
In der Hoffnung, dass sich irgendwann der Kreis schließt und auch nur ein Krümel vom Kuchen zurückkommt, den du
für alle gebacken hast.

Das ist die wahre Freiheit, nach der ich streben will.

Die Alternative ist der Tod. Das Unbewusste. Das Ewige. Das Unveränderliche.
Die Angst etwas verloren zu haben, was man nie besessen hat.

Ich weiß, das alles klingt nicht schön oder inspirierend, aber es ist nicht meine Wahrheit. Es ist unsere Wahrheit.
Natürlich kannst du denken, was du willst und das ist auch gut so, nur bitte sei dabei aktiv.
Denn das, was unterm Strich für uns Alle bleibt, wenn wir nicht mehr sind, ist unser Vermächtnis.
Und die Entscheidung, wie wir leben sollen, BEVOR wir sterben.

Wenn du das nächste Mal am Verzweifeln bist, weil du nicht weiter weißt und du niemanden hast,
der für dich da ist, dann gibt es nur eines, was ich dir aus ganzem Herzen mitteilen will.

Die einfachsten und wichtigsten Dinge im Leben sind so allgegenwärtig und so gut versteckt,
dass wir uns jedes Mal selbst daran erinnern müssen:

Das ist Wasser.

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David Foster Wallace - This is Water
https://www.youtube.com/watch?v=7mYNeIfJrO0
Frei übersetzt und interpretiert.