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DVdEN - GG Kapitel 27: Gottes Gnade (Hörbuch)
16.12.2015 um 21:14DVdEN - GG Kapitel 27: Gottes Gnade
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Langsamen Schrittes trat Vaith an das Tor zu Gottes Gnaden. Die Runenstimmen waren wirklich nervig, da konnte er ihre Vorbesitzerin verstehen. Trotz des Durcheinanders dieses Geplappers war ihre Botschaft für ihn deutlich zu erkennen. Er steckte seine Schwerter weg und stand nun direkt vor dem in die Wand eingelassene Markierung. Das Siegel war wie ein großes Tor gezeichnet, mit vielen glanzvollen Verzierungen.
Es war überraschend bei dem Licht an dieser Stelle überhaupt etwas zu erkennen – das Licht war aber auch nicht blendend, sondern war mehr wie eine realgewordene Energie. Sie fühlte sich angenehm an.
Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, legte er seine rechte Hand auf die Mitte des Siegels, genau dort war ein Schlüsselloch angedeutet. Als die Hand auf dem Schlüsselloch platziert war, leuchteten alle Runen auf seinem Körper in den schillerndsten Farben auf. Die inneren Stimmen wurden ein bunter Haufen aus Jubel, Gesängen und sonstigen freudigen Bekundungen. Dann erschien aus dem vermeintlichen Schlüsselloch eine Ranke aus Licht und schlängelte sich von seiner Hand aus am Arm entlang zum Rest seines Körpers. Dieser Anblick war auf der einen Seite verstörend, auf der Anderen durch ging Vaith ein Gefühl des Triumphes. Ihm war allerdings nicht ganz klar, ob er sich selbst so freute – oder die Runen ihre enorme Gefühlswelle auf ihn übertrugen.
Wie immer es auch war, das Licht bahnte sich seinen Weg über seinen Körper und umschlang ihn Stück für Stück um Brust, Taille, Beine, Arme, Flügel. Bei der Ausweitung zum Kopf hin, bemerkte Vaith eine Änderung der Stimmen. Sie einigten sich auf ihren Wortlaut und auch ihre Tonlage sowie ihre Stimmlage vereinigten sich zu einer einzigen Stimme. Sein Körper war inzwischen von dem Licht vollständig eingehüllt. Er konzentrierte sich auf die Stimme, etwas an ihr ließ sein Herz höher schlagen – obwohl sie bis jetzt noch sehr verschwommen erklang.
Erneut hallte die Stimme in seinem Geist und diesmal verstand er die Botschaft:
„Komm"
Der Befehl riss ihn von den Füßen, das Licht sog ihn in die Wand und sein Körpergefühl wich für einen kurzen Augenblick einer völligen Befreiung seines Selbst. Im nächsten Moment war er von den Ranken befreit und stand in einem leeren, weißen Raum. Es gab kein ersichtliches, von Wänden beschränktes Ende. Einzig der Boden unter seinen Füßen, versicherte ihm an einem Ort, statt im unendlichen Nichts gelandet zu sein. Vaith war verwirrt – nicht nur wegen seines Aufenthaltsortes – sondern wegen der Stimme durch die er dorthin gerufen worden war. Sein Herz pochte heftig, während es von Trauer und seltsamen Glück gefüllt war.
Sein Blick schweifte gehetzt durch die befremdliche Umgebung. „Bruder? Bist, bist du es?“, fragte er in die Leere des Raumes. Schwer atmend suchte Vaith sich immer wieder zu anderen Seiten windend nach einem unsichtbaren Zeichen für die Anwesenheit des Besitzers jener Stimme, wegen der er hier war. Vaith war sich absolut sicher; das war sein verstorbener Bruder Nekro gewesen!
Da meldete die Stimme sich wieder: „Ja und nein. Zu meiner irdischen Zeit, war ich der Bruder eines Engels mit dem Namen Vaith.“ Die Stimme war nicht klar aus einer Richtung auszumachen, sie kam von überall und nirgendwo. Auch wenn er ihn nicht sah, Vaith wurde fast wahnsinnig von dem ihn erfassenden Glücksgefühl. Sein Bruder war hier, zwar nicht gestaltlich – aber er war hier! „Bruder! Ich bin so froh. Dein Verlust hat mich zerrissen, ich war so verloren ohne dich. Jetzt, jetzt wird alles gut“, frohlockte Vaith von seiner aussichtslosen Suche eines physischen Körpers innehaltend.
„Bruder? Du bist nicht mein Bruder“, erwiderte Nekros Stimme hart. Vaiths Freude erhielt einen Dämpfer: „Was redest du da? Natürlich bin ich dein Bruder. Erkennst du mich denn nicht? Ich habe mich natürlich stark verändert seit du mich zuletzt gesehen hast. Meine Macht und mein Aussehen sind anders, aber – “ Da unterbrach ihn Nekro: „Mein Bruder war ein stolzer Engel, der im Namen des Allmächtigen gehandelt hat. Was ich hier sehe, ist ein schwerer Sünder mit dem Blut himmlischer Diener an seinen Klingen. Ein Verräter am Herrn und seiner eigenen Familie. So ein Geschöpf kann nicht mein Bruder sein.“
Beklommen hörte Vaith die Worte seines Bruders und sah sich an; sein Körper war eingehüllt in die Schwärze einer überaus mächtigen, dämonischen Kraft. Ein leichter Rot-Ton war durch die Nutzung seiner maximalen Magie von seinem letzten Kampf noch erkennbar. Sein Bruder hatte Recht, dies war schon lange kein Engelskörper mehr. Sein Herz bekam einen Stich versetzt. Wie war er so geworden?
Nüchtern erhob er seinen Kopf nach oben. Er war nicht im Stande eine Decke auszumachen, auch war kein Himmel zu sehen – es herrschte einfach ein durchgehendes, weißes Nichts. „Bruder! Wie kann ich meine Sünden begleichen? Ich will wieder der Engel sein, auf den du stolz sein kannst!“, rief er. Die Antwort war in ohrenbetäubender Lautstärke: „Narr! Du hast unschuldiges Blut vergossen, hast die Diener Gottes bei ihrer Aufgabe behindert und noch viel schlimmer – Seite an Seite mit dem Bösen gekämpft. Diese Schuld wieder gut zu machen, bedarf unermesslicher Buße.“ In Vaith stieg Verzweiflung hoch – er durfte, er konnte nicht mit dem Gewissen existieren, dass sein Bruder ihn verachtete!
„Hör mich an! Ich nehme jede Buße auf mich! Egal wie hart die Sühne sein wird, ich gehe sie ein!“, flehte er und kniete mit gefalteten Händen nieder. Er schloss die Augen und versuchte die Ruhe zu einem Gebet zu finden.
So erhoffte er sich, die Gnade Gottes und vor allem, die seines Bruders zu erwerben. Es lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken, als ein Knurren seine Ohren erreichte. Er öffnete seine Augen und drehte sich zu dem Verursacher des Geräusches.
Ein Dämon stand mit krummen Rücken und großen, schiefen Zähnen da und bleckte gierig über seine Lippen während er ihn hungrig anstarrte. Überrascht aber kampfbereit stand Vaith langsam aber selbstsicher auf und zog seine zwei Schwerter. Der Dämon riss sein Maul sabbernd auf und raste mit kräftigen Pranken auf ihn zu. Vaith war es ein leichtes mit nur einer kurzen, grazilen Bewegung dem Dämon seine Kehle durchzuschneiden. Dieser gurgelte noch kurz in seinem eigenen Saft vor sich hin und sank zusammen. Vaith schnaubte. Zwar war ihm schleierhaft, wie es ein Dämon an diesen Ort geschafft hatte, aber das war keine Herausforderung für ihn. Gerade als er seine Schwerter wieder wegstecken wollte, bemerkte er weitere Präsenzen rund um sich. Wie aus der Luft heraus war er nun von unzähligen Dämonen umkreist. Erschrocken stand er sofort wieder in Stellung. Der Haufen stürmte auf ihn ein. Doch durch Vaiths Können gelang es ihnen nicht einmal einen Kratzer zu verursachen. Er wandte sich so geschickt, dass die dümmlichen Wesen keine Chance zur Nachverfolgung seiner nächsten Bewegung besaßen. Mitten im Gemetzel ertönte erneut Nekros Stimme: „Erinnere dich an deine erste Sünde, dann wirst du verstehen.“
Irritiert sprang Vaith aus dem Kreis der Angreifer heraus zur Seite. Was meinte sein Bruder damit? Er musste nachdenken. Die Schar seiner Gegner verfolgte ihn und so begann er, zu laufen. Er dachte zurück, was war seine erste Sünde? Wo hatte er zuerst gegen den Willen des Himmels verstoßen? Es musste kurz nach Nekros Tod gewesen sein, da war sich Vaith sicher. Außerdem musste es mit den Dämonen zusammenhängen, nur das erklärte ihr Erscheinen.
Da wurde es ihm bewusst: Er war ohne Erlaubnis auf die Erde gegangen und hatte aus reinem Rachegelüst angefangen im Alleingang die Dämonen abzuschlachten. Was aber verlangte Nekro nun von ihm? Dies musste zu seiner Buße dienen… Sollte er etwa?
Vaiths Schritte wurden langsamer. Angst und Vermutungen machten sich gleichermaßen in ihm breit. Sollte er etwa auf diese Art büßen? Es gab nur einen Weg es herauszufinden. Die Dämonen kamen näher und näher. Statt sie aber erneut abzugrasen, steckte er sein rechtes Schwert weg und streckte seinen Arm weit von ihm ab. Einer der Dämonen sprang in die Höhe und seine überdimensional großen Klauen trennten Vaiths Arm sauber von ihm ab.
Der Rest der Dämonen wechselte ihren Ansturm von Vaith auf den zu Boden fallenden Arm und dieser wurde von zig dämonischen Mäulern zerfetzt. Vaith sah vom Schmerz des Stumpfes betäubt auf die fressenden Biester. Dies war also seine Buße, er musste die Sünden zurückzahlen. Damals hatte er im Kampf ebenfalls seinen Arm verloren. Zurückerlangt hatte er ihn über dämonische Umwege, somit war es nicht Rechtens ihn zu besitzen.
Die Dämonen lösten sich auf, als von dem Arm nichts mehr übrig war. Vaith ahnte, dass es das noch nicht gewesen war. Er stand auf und fasste sich an den komischer Weise nicht mehr schmerzenden Stumpf seines Armes. Es war, als sei er sofort geschlossen verheilt. Vermutlich ging es einzig um den Verlust des Armes, nicht um die Schwächung durch die Verletzung. Es war der Weg seiner Buße.
Als er einige Schritte ging, viel ihm eine neue Gestalt einige Meter vor ihm auf. Erst war er sich unschlüssig, was ihn erwartete – doch dann erkannte er den käferartigen Körperbau. „Du!“, zischte Vaith die Zähne zusammenbeißend. Es war die Dämonin, die ihn verführt hatte. Sie gab ihm den neuen Arm. Sie gab ihm Macht. Vaith zitterte, als sie mit gehässigem Blick auf ihn zu kam. „Deine Dienstzeit bei mir ist vorbei, du hast keinen Anspruch mehr auf meine Kraft!“, sagte sie und er spürte den Entzug von Magie. Sein linker Flügel erschlaffte. Den hatte sie ihm auch wieder gerichtet, es war Teil ihres Deals gewesen. „Das war es für mich, ich lasse euch zwei jetzt alleine… hi hi“, kicherte sie und verschwand in schwarzen Rauch. Er schaute sich um, wen hatte sie mit „euch zwei“ gemeint?
Sein Blick fiel auf ein ihm ebenfalls bekanntes Gesicht und er zog überrascht Luft ein; Klerod stand vor ihm – der Engel, der seinen endgültigen Verrat an seinen Geschwistern symbolisierte! „Hallo, Vaith. Du bist also hier, um Gnade zu erhalten. Nun, die hast du mir nicht gewährt“, sagte Klerod trocken. Vaith versuchte sich zu fassen, Worte zu finden, die sein Tun rechtfertigten. „Es war eine Notlage, die Dämonin hatte mich im Bann und – “, da unterbrach ihn Klerod: „Es war Mord an einem Engel, an einem Mitglied der himmlischen Familie - zu der auch du gehörtest.“ Vaith erstarrte, sein Gegenüber hatte Recht. Er ermordete den Engel Klerod. Die Zeit dies zu büßen, war gekommen. So zog er das Schwert, mit dem er einst ebenjenen getötet hatte aus der Scheide und wollte es ihm übergeben. Dieser wehrte aber ab: „Es ist deine Sühne, nicht meine Rache.“ Vaith verstand und drehte auf einmal vollkommen ruhig die Klinge zu sich um. „Ich tue Buße“, flüsterte Vaith mit geschlossenen Augen und der kalte Stahl drang wie in Zeitlupe durch seine Haut und sein Fleisch. Der Schmerz war erträglich in Betracht der Bedeutung dieser Tat. Seine Hand umklammerte die Klinge, doch dann war sie fort und damit auch der Schmerz.
Er machte verwundert die Augen auf und sowohl das Schwert wie Klerod waren fort. Auch hier schien er ausreichend gebüßt zu haben. „Der gefallene Sohn kehrt reumütig zurück, richtig so“, hörte er es hinter sich. Es war Achels Stimme. Vaiths Magen krampfte sich zusammen. Er stand schon etwas geschwächt auf und stellte sich gleich zwei seiner Sünden gegenüber. Achel und Achis, die beiden Engel an denen er seine neuen Kräfte getestet hatte. „Bringen wir es schnell hinter uns“, sagte Vaith mit gebeugtem Kopf, bereit den grausamen Tod zu sterben, den er den Beiden beschert hatte. Statt dem Sirren einer Klinge, hörte er jedoch Achels überdrüssiges Lachen: „Für was hältst du uns? Barbaren, die ihre Mordlust an einem Sünder nicht kontrollieren können? Vaith, wir sind anders. Achis und ich sind reine Engel, schuldlos im Gegensatz zu dir. Es ist Buße genug, den Fehler einzusehen. Wir hegen keinerlei weiteren Groll gegen dich, Bruder.“ Mit diesen Worten ging Achel still gefolgt von Achis an Vaith vorbei. Er brauchte all seine Selbstdisziplin um die Wut in sich zu bändigen. Ja, das war typisch Achel gewesen. Seinen Mord an ihm auf diese Art zu vergeben, war für Vaith die größte Bestrafung. Diese Worte schnitten tiefer in seinen Stolz, als es eine Klinge je hätte tun können.
Vaith sackte zusammen, schlug mit der Faust mehrfach auf den Boden. Er wollte den Zorn zurück lassen, die Schikanen seiner eigenen Denkweise loslassen. Die Entfremdung vom Engeldasein zum dämonischen Diener war auf der Trauer und dem Wunsch nach Rache entstanden. Doch genau in diesem Moment begriff Vaith, dass er genau dort seine größte Sünde begangen hatte. Statt den Worten seiner Brüder zu lauschen, war er zum mordenden Berserker geworden.
„Steh auf, Bruder“, forderte ihn eine Stimme sanft auf. Vaith riss sich mit letztem Willen zusammen und kam zittrig auf die Beine. Als er wackelig stand, erkannte er eine Person vor sich stehend. Ein Schock durchfuhr ihn, als er Nekro in dieser erkannte. „Bruder?!“, fragte er ungläubig. „Ich bin es, Vaith. Du hast fast alle Sünden verbüßt. Einzig zwei Dinge stehen noch aus. Bei der Einen, kann ich dir helfen – die Andere musst du tun“, erklärte Nekro. Eifrig nickte Vaith: „Sicher, was muss ich noch tun?“ Ernst antwortete ihm Nekro: „Der Pakt mit dem Teufel haftet wie ein Brandmal auf deiner Seele. Dies lässt sich nicht einfach so rückgängig machen. Es bedarf einer äußerst schwerwiegenden Tat der Wiedergutmachung. Durch den Pakt hast du dich dem Teufel vollständig verschrieben. Eigentlich bist du unrettbar.“
Fragend schaute Vaith seinen Bruder an: „Was muss ich tun, um dafür Buße zu tun?“ Nekros Blick traf seinen: „Du wirst mich zum Ausgleich in deinen Geist und deinen Körper aufnehmen. Meine Seele wird in deinem Körper weiterleben. Wir werden eins und damit das Böse aus dir heraus spülen. Das Gleichgewicht zwischen Himmel und Hölle wird durch unser gemeinsames Tun durch dich wieder hergestellt.“ Vaiths Augen wurden groß. Sein Bruder würde durch ihn ins Leben zurückfinden. „Was ist die zweite Sünde?“, fragte Vaith ohne weiter auf vorherigen Punkt einzugehen. „Du wirst den Diebstahl des Runenschlüssels begleichen. Es mag sein, dass die Trägerin körperlich der Rasse der dämonischen Neo-Angels angehört, aber die Stimmen der Runen können nur von im Kern reinen Wesen vernommen werden. Zwar wird jedes Geschöpf, egal ob böse oder gut, von dem Ruf zu sich geführt – doch auch die Stimmen als Träger der Runen zu hören, ist etwas Anderes. Heißt, sie hatte es verdient, Gottes Gnade zu erhalten. Darum war es auch klar, dass du im Innersten noch die Möglichkeit der Einsicht besaßest und nur den Weg gewiesen brauchtest – denn du hast sie ebenfalls gehört“, schloss er ab.
„Nun, willigst du in die Buße ein?“, fragte Nekro. Vaith atmete kräftig durch und gab schließlich die knappe Antwort: „Ja!“. Daraufhin kam Nekro näher und ehe Vaith sich versah, war er in einer festen Umarmung mit seinem Bruder. Er hörte ihn noch flüstern: „Weiche, Sünde!“, dann stand er in hellen Flammen, die ihm den schwarzen Ruß und die innere Magie des Teufels aus dem Leibe brannten.