Schuldheute um 12:50 [Dieser Beitrag wurde bearbeitet.]

Gibt es Schuld?


Ich hab das aus einem email-Wechsel mit einem Freund kopiert. Schon klar, es wäre eher was für einen Blog, aber
a) hab ich keinen, und
b) birgt es glaub ich jede Menge Diskussionsstoff.
Schauen wir mal.


Wenn ich den Gedanken der Schuldfrage zu Ende denke, lande ich immer wieder bei der Suche nach dem einen ursächlichen Moment, in dem vom Täter die auslösende, objektiv betrachtet falsche Entscheidung getroffen hat.
Ich Frage, was waren die Faktoren und war es wirklich aus seiner subjektiven Sicht und Möglichkeit heraus eine „freie“ falsche Entscheidung?


Ich glaube - ist natürlich nur meine subjektive Sicht - , dass Du von zwei falschen Axiomen ausgehst. Wobei sich das zweite fast zwingend aus dem ersten ergibt. Eigentlich ist es nur ein falsches Axiom. Nämlich:
- es gibt Objektivität
Wenn man das Axiom setzt, dann ist es nicht mehr weit zu "falschen" und "richtigen" Taten, und dann kann man auch nach dem einen Moment fragen, in dem trotz aller Ausgangsfaktoren der "Täter" hätte erkennen müssen, dass seine Handlung "falsch" ist, was man gemeinhin als "Schuld" ansieht. Ich will nicht Schrödinger's Katze und Heisenberg's Uschärferelation bemühen, das ist auch gar nicht notwendig.
Zunächst einmal ist eine Tat. Sie in Kategorien wie Gut und Böse oder "richtig" und "falsch" einzuteilen, ist schon eine Bewertung. Und, wenn man das macht, dann ist es nur folgerichtig, auch von Schuld zu sprechen und Sühne zu fordern. Und letztlich ist darin auch die Theodizee-Frage enthalten. Denn man sagt damit ja auch: das, was passiert (ist), ist nicht richtig. Man akzeptiert die Realität nicht.

Aus der Warte des "Täters" gibt es keine "falsche" Entscheidung. Für ihn ist es in jedem Fall die "richtige" Entscheidung. Sonst hätte er sie so nicht getroffen. Das ist auch eine Grundannahme des NLP, mit der ich d'accord gehe:
• Menschen sind nicht neurotisch, verrückt oder gebrochen. Sie treffen stets die beste Wahl aus dem, was ihnen an Optionen zur Verfügung steht. Sie funktionieren in ihrem "Modell der Welt".
Insofern macht es wenig Sinn, über den Täter zu urteilen. Wohl aber über die Tat. Auch, wenn uns das in das nächste Dilemma führt. Nämlich: Ist es nicht eindeutig Hybris, Superbia - eine Todsünde nebenbei -, sozusagen über den Kopf des anderen hinweg zu urteilen: Du siehst deine Tat vielleicht als richtig an. Aber ich weiß es besser. Und noch schlimmer: Nicht nur das; ich nehme auch für mich in Anspruch, dass meine Sicht auf die Dinge die "objektive" ist: auch, wenn es Dir richtig erscheint, deine Tat war falsch. Das kann ich eigentlich nicht sagen. Ich kann nur sagen: Ich empfinde deine Tat als falsch. Und vielleicht noch: Und auch die absolut überwiegende Mehrheit der sozialen Gruppe, der ich mich zugehörig fühle, empfindet das als falsch. Was dann wohl der Maßstab "Objektivität", angelegt an Handlungen oder auch Entscheidungen, die dann "hauptursächlich" zu diesen Taten führen, wäre. Nur widerspricht diese Definition dem, was wir unter Objektivität verstehen.

Wie schon Platon festgestellt hat, ist der Mensch ein "homoi soikon", ein soziales Wesen. Der Mensch ist keine einsame Insel; ohne soziale Kontakte ist er gar nicht überlebensfähig. Interessant ist in diesem Zusammenhang der rechtsphilosophische Ansatz der "Interessenjurisprudenz", der sich zunehmend durchsetzt: Jeder Mensch ist einzigartig, und hat unterschiedliche Interessen. Aufgabe der Justiz ist es nun, diese Interessen in sozialverträglicher Weise zu koordinieren. Deshalb lehne ich mittllerweile auch das "esoterische" Konzept, dass man das jetzt gar nicht bewerten, beurteilen und auch verurteilen darf, vehement ab. Es ist notwendig, zu urteilen, um eben das Zusammenleben sozialverträglich zu machen. Die ersten Anläufe sozialer Gebilde verliefen nach dem "Recht des Stärkeren", aber das hat sich bezeichnenderweise nicht durchgesetzt. Und ich vermute fast, das Konzept ist nicht aufgrund irgendeinem "göttlichen Funken", der jedem Menschen innewohnt, überwunden worden, sondern einfach, weil sich die "Masse" gedacht hat: Moment mal. Zusammen sind wir doch viel stärker als der Stärkste unter uns. Letztlich hat sich das "Stärkere" durchgesetzt. Demokratie ist so gesehen nur die logische Folge des Rechts des Stärkeren. Die Frage, ob die weitere, langfristige logische Folge der Kommunismus ist, klammer ich mal aus; ich vermute aber fast, dass es so ist. Denn vermutlich wird die "Masse" sich früher oder später nicht mehr mit der relativen "Gleichheit" der Möglichkeiten zufrieden geben. Dass Menschen "bessere" und "schlechtere" Möglichkeiten haben, um Geld zu verdienen, wird m. E. früher oder später auch als ungerecht angesehen werden. Und ich kann das auch nachvollziehen. Auch kann man keine wirkliche Gleichheit der Möglichkeiten herstellen. Aber das ist ein anderes Thema und bleibt abzuwarten. Ich halte es nebenbei sogar für ziemlich wahrscheinlich, dass am Ende der Entwicklung wieder die Anarchie stehen wird, was auch den Anfang dargestellt hat. Um dann den Kreislauf erneut durchzumachen. Aber gut. Anderes Thema.
Da der Mensch aber nun zwangsläufig die Gemeinschaft der Menschen zum Überleben braucht, und jeder Mensch einzigartig ist - mit einzigartigen Interessen auf diese Gemeinschaft trifft, ergibt sich zwangsläufig ein "Common Sense", nämlich eine Festlegung der Kompromisse, die das Individuum eingehen muss, um in dieser Gesellschaft "akzeptiert" zu werden. Und hier muss man sich über die Grenzen der Akzeptanz einigen. Als soziale Gruppe. Es ist ja gerade das Wesen der sozialen Gruppe, das - nennen wir es "Ur -Recht" des Stärkeren zum Wohle der Mehrheit zu beschneiden. Derzeit regelt das Art.2 Abs. 1 GG für uns: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt [und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt]. Ist nun auch irgendwie ziemlich schwammig. Denn wie weit gehen meine Rechte? Wann werden sie verletzt? Eine erste Antwort versucht Abs. 2: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. [In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.]
Jetzt hat man schon zig Begriffe, die, um daraus Regeln ableiten zu können, definiert werden müssen: Wo beginnt körperliche Unversehrtheit ( Anrempeln)? Wo Freiheit? Was ist mit "freier Entfaltung der Persönlichkeit" gemeint?
Und es zeigt sich auch wieder das Urproblem: Ich sehe meine "Tat" als richtig an, trotzdem wird sie von jemand anderen als verletzend empfunden. In jedem "bewerten" steckt nun wieder der Superbia-Vorwurf. Aus Sicht des Täters: Ich hatte das Recht, so zu handeln. Die Verletzung der anderen Person wird dann damit gerechtfertigt, dass ich sage: die verletzte Person hat es verdient. Und hier wird es spannend. Warum?
a) Sie dürfte mein Verhalten gar nicht als Verletzung ansehen. Meine Tat war nicht verletzend. Ihre Verletzung resultiert aus Ihren "falschen" Vorstellungen.
-> Ich weiß besser als die andre Person, was falsch und richtig ist.
b) Mir ist zwar klar, dass meine Tat die andere Person verletzt, aber sie hat eine Ursache gesetzt, und meine verletzende Tat war nur die Wirkung. -> Ich gebe die Verantwortung für meine Handlung ab.
c) die Person hat eigentlich gar nichts gemacht, und das ist mir auch klar, aber ich war gerade so "wutgeladen o. ä. ", und sie war gerade da (Stichwort: U-Bahn-Schlägerei aber auch Selbstmordattentat), und hat halt Pech gehabt.
-> Meine Interessen sind wichtiger als die des anderen

Die letzte Sicht wird nun allgemein als falsch angesehen, denn das ist das pure Recht des Stärkeren.
Die erste erscheint erst mal nachvollziehbar. Aber auch nur aus der Sicht des Täters. Und je nachdem, mit was für einem Mindset der nun durch die Gegend läuft, kann das Züge reiner "Ignoranz" annehmen, und dann über die Sicht des Dritten gelegt werden. (Die Ungläubigen haben den Tod verdient).
Seine eigene Meinung auch nur mit dem Recht des vermeintlich moralisch stärkeren über die des anderen zu erheben - und jetzt wird es schwierig, die "richtigen" Begriffe zu finden; Sprache ist dazu konzipiert, Geschichten zu erzählen, nicht um Komplexität darzustellen - ist also auf einer Metaebene "moralisch falsch", weswegen es einen "Common Sense" , ein gruppendynamisches Korrektiv braucht, das eben nicht fest steht, und das letztlich als Minimum genau diesen Sachverhalt ausmacht: Kommt es zu Streit zwischen zwei Individuen in der Gruppe, in dem zwangsläufig beide zunächst einmal denken, sie haben Recht, und können sie sich nicht einigen, kann nur die Gruppe als "Ganzes" entscheiden, wer denn nun in dem System, das beide Individuen verbindet, "Recht" hat. Und wir brauchen auch eine gewisse Verbindlichkeit dieser Regeln, um unserem emotionalen Grundbedürfnis nach Sicherheit "gerecht" zu werden, das ja überhaupt die Ursache für das Bilden sozialer Gruppen war.
Deshalb lehne ich mittlerweile das "esoterische" Konzept, dass man jetzt gar nicht bewerten, beurteilen und auch verurteilen darf, vehement ab.
Man kann sich aber fragen, was man denn jetzt alles so verurteilen will.
Und diese Frage betrifft weniger die "Rechte", die der einzelne hat, als viel mehr die "Pflichten".
Hat ein Mensch die "Pflicht", nicht zu töten? Da besteht weitgehend Common Sense: Ja. Hat er ( Notwehr aussen vor lassend.)
Hat ein Mensch die Pflicht, seine Mitmenschen in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht zu verletzen? Da besteht auch weitgehend Common Sense: Nein. Das geht ja auch gar nicht. Sagen wir, jemand verliebt sich in mich, ich empfinde aber nichts für ihn. Dann muss das schon ein ethisch sehr weiser Mensch sein, um nicht durch eine der "Realität" geschuldeten Handlung von mir nicht verletzt zu sein. Wobei das das Paradebeispiel für Möglichkeit a) ist. Mein Verhalten dürfte diese Person eigentlich nicht verletzen. Tut es aber dennoch. Sobald Emotionen ins Spiel kommen, wird das alles sehr "unlogisch". Aber hier ist genau der Ursprung für das "Leiden" der Menschen. Ich weiß nicht, wo ich das aufgeschnappt habe, aber ein Satz der mich nachhaltig beeindruckt hat:
Alles emotionale Leid rührt daher, die Realität nicht so zu akzeptieren, wie sie ist.
Dethlefsen schlägt auch in diese Kerbe: An der Welt gibt es nichts zu verbessern. Aber sehr viel an uns selbst. Ein Widerspruch eigentlich. Denn wenn ich mich "verbessere", "verbessere" ich damit auch die Welt. Nur: was ist besser? Das kann ich für das Kollektiv nicht sagen; es gibt keine Objektivität. Nur für mich. Und damit wäre "falsches" Handeln dann Handeln wider besseren Wissens. Was es ja auch nicht geben kann, denn wüsste der Täter es besser, hätte er ja nicht falsch gehandelt. Damit bleibt als ethische Pflicht des einzelnen das, worauf auch jedes durchdachte Ethik-Konzept meiner Meinung nach kommen muss. Der kategorische Imperativ: Was Du nicht willst, das man Dir tu, das für auch keinem andren zu. Weitergehende Forderungen (-> Es ist besser, Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu tun), lassen sich "logisch" nicht rechtfertigen. (M. E. aber emotional. Es fühlt sich besser an. Aber das kann ich nur für mich behaupten.) Aber letztlich lässt sich das auch nicht trennen. Denn auch das, was man als "Unrecht" empfindet, ist ja eine Wertung. Und Wertungen sind immer emotional. Logik wertet nicht. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Talionsregel: Auge um Auge, Zahn um Zahn. ursprünglich so gemeint war: Für ein Auge nicht mehr als ein Auge. Für einen Zahn nicht mehr als ein Zahn. Keine übertriebene Rache. Ist mittlerweile - wie so viel "gut gemeinte" Ideen in sein Gegenteil verkehrt worden, egal.
Letztlich müsste jeder Mensch, der sich nicht über andere "erhebt", nach diesem kategorischen Imperativ handeln. ( Da sieht man, wie wenigen Menschen die "Gleichheit" der Individuuen klar ist. Obwohl es quasi jeder von sich behauptet.)
Oder andersherum: jeder Mensch, der dem kategorischen Imperativ nicht konsequent folgt, hält sich für besser als die anderen.
Und da kommt dann auch das ins Spiel, was wir EGO nennen. Meine Meinung ist richtig; wer sie nicht teilt, liegt falsch. Deshalb ist es auch so verdammt gefährlich, von "übergeordneten" Werten auszugehen. Die kann es nicht geben. Damit teilt man in "Richtig" und "Falsch". Und setzt seine Bewertung mit der Allgemeingültigen gleich, die es aber nicht geben kann, weil es keine Objektivität von Werten gibt. Daraus jetzt zu folgern, dass es dann eben keine Werte geben kann, ist aber ebenso falsch. Es gibt den "Common Sense", und dieser beinhaltet Werte, die von dem Großteil der Gemeinschaft als richtig angesehen werden.
Das ist der Makrokosmus. Aber beginnen wir erst mal beim Mikrokosmus. Wenn ich jetzt gegen den kategorischen Imperativ verstoße, dann erhebe ich mich folglich über den anderen. Und zwar mit dem Recht des Stärkeren, das ja den Regeln der Gemeinschaft widerspricht. Denn woher sonst sollte ich für mich ein Recht ableiten, das ich, wenn ich es auf andere anwende, als richtig ansehe, wenn es aber auf mich angewendet wird, als falsch ansehe?
Das widerspricht zutiefst der Idee "Gerechtigkeit". Letztlich ist jeder Verstoß gegen den kategorischen Imperativ also ungerecht. Subjektiv ungerecht. Wenn ich damit anfange, füttere ich mein Ego, welches mich paradoxerweise auch noch allzuhäufig dafür mit kurzfristig positiv empfundenen Emotionen belohnt. Und letztlich ist es die Ursucht schlechthin. Und sie folgt den Regeln des Systems "Sucht". Man will immer mehr, es fühlt sich so lange gut an, solange man sein Suchtmittel dem Mikroorganismus zuführt, aber es macht nie langfristig zufrieden. Letztlich versagt hier aber jeder Mensch. Und überhaupt: Gilt das jetzt nur für Menschen? (Man denke zurück an Sklaverei. Sollte das nicht für jedes Leben gelten? Und wo beginnt Leben? Lebt ein Stein nicht, weil er nicht atmet? Was ist mit einer Pflanze? Da käme man dann ziemlich schnell zu der Überlegung, sich möglichst gar nicht in das Sein einzumischen. Aber: Das Leben hält sich nicht an den kategorischen Imperativ. Auch Tiere (eine "Tatsache", die von Menschen häufig ausgeblendet wird) verhalten sich unfair. Sollten wir den kategorischen Imperativ dem Sein also aufzwingen? Das hieße dann: Wir wissen es besser als "Gott", oder wie auch immer man das nennen will. Aus diesem Widerspruch kommt man nicht raus. Und das ist das Problem mit der Logik, so wie wir sie seit Aristoteles kennen, und die sich komplett durchgesetzt hat, eben weil sie so effektiv ist. Sie will ganz klare Kategorien. Aber die gibt es nicht. Es ergibt sich eher folgendes Bild: Wir befinden uns auf einer Skala. Und die Endpunkte - Recht des Stärkeren auf der einen Seite, der völlige Gewaltverzicht auf der anderen Seite sind letztlich dasselbe. Denn solange es auch nur irgendjemanden gibt, der sich nicht an den Gewaltverzicht hält, herrscht wieder das Recht des Stärkeren, und mit welchen Mitteln wollen wir seinem Treiben dann Einhalt gebieten? Und letztlich ist auch jede Ethik ein "Es sollte so sein"-Denken, das dem, was ist, widerspricht. Da kommt man nicht raus. Schlimmer noch: Jeder Mensch hat nicht zuletzt durch seine persönliche Prägung auch wieder ganz unterschiedliche Vorstellungen von dem, was sein sollte. Da jetzt mit dem Verstand eine Lösung zu suchen, ist wieder: Ich weiß es besser.
Die Frage kann also nicht lauten: Wie sollte es sein; was ist gerecht?
Die Frage muss lauten: Was hat für die größtmögliche Schnittmenge den größtmöglichen Nutzen? Welche Regeln funktionieren in welchem System am "besten" ? Das ist alles, was wir entscheiden können und auch müssen. Das ist: "Macht euch die Erde Untertan."
Und ab einem gewissen Grad erreichen Übertretungen des Einzelnen dieser Regeln ein Niveau, dass das für die Gemeinschaft nicht mehr tolerierbar ist. Und hier stellt sich dann wieder die Frage nach dem Recht des Stärkeren. Will man dieses dem Individuum oder der Gemeinschaft zugestehen? Wenn man es der Gemeinschaft zugesteht, muss man ihr auch die Möglichkeit der Bestrafung zugestehen. Denn auf diese zu verzichten, würde bedeuten, das individuelle Recht des Stärkeren zu akzeptieren. Und insofern steckt hier auch die Definition von Schuld. Obwohl du das Spiel "soziale Gemeinschaft" spielen willst, bist Du nicht bereit, Dich an die Spielregeln zu halten. Und da kommt man auch nicht mit "Ich will das Spiel der Gemeinschaft nicht spielen" nicht raus. Niemand ist dazu gezwungen. Zumindest nicht in Deutschland. Bleib isoliert in deiner Wohnung, tritt nicht in sozialen Kontakt zu andren Menschen, du bekommst alles, was Du zum Überleben brauchst, Du kannst auch wen immer Du willst in deinen Mikrokosmus einladen, und wenn ihr euch da andre Regeln geben wollt, solange ihr unter euch bleibt und eure Spielregeln akzeptiert, auch ok. Aber wenn Du in der sozialen Gemeinschaft Deutschland mitspielen willst, dann hast Du die Regeln einzuhalten, die sich diese Gemeinschaft selbst gegeben hat. Tust Du das nicht, lädst Du Schuld auf Dich, die auch gesühnt wird - werden muss -, weil sonst die Regeln ihre Geltung verlieren. Und eine Regel, die nicht gilt, ist keine Regel, und der Weg zum "Recht des Stärkeren" ist wieder geebnet. Dafür braucht man gar nicht den Vergeltungsgedanken. Das ist das, was man "Generalprävention" nennt. Das General, der Staat, hat sich Regeln gesetzt, eben um das Recht des Stärkeren zu beschneiden, weil das von der Mehrzahl als ungerecht empfunden wird. Strafe bewirkt somit, dass ich mich auch auf diese Regeln verlassen kann (Juristen teilen das dann noch mal auf in "negative" Generalprävention = Abschreckung und "positive" Generalprävention = Vertrauen stärken auf die Rechtsordnung. Diese Unterscheidung ist letztlich künstlich. Eigentlich ist beides sozusagen der generalisierte kategorische Imperativ: Diese Regeln gelten für und gegen mich).
Dann gibt es die Spezialprävention, die wiederum in eine positive und eine negative aufgeteilt wird. Die negative will die Gemeinschaft vor der Gefahr des Täters schützen, was auch noch nicht an dem Täter ansetzt, sondern letztlich der Preis ist, den das Individuum zwangsläufig bezahlen muss, wenn es sich nicht an die Spielregeln der Gruppe hält, die Gruppe aber an diesen Spielregeln festhalten will. Auch da geht es nicht gegen das Individuum, sondern für die Gruppe. Nur die positive Spezialprävention stört sich um des Täters willen an dessem Verhalten; er soll "resozialisiert" werden. Schon lustig. Ausgerechnet die Art der "Verbrechensprävention", die die sozialverträglichste sein soll, weil sie ohne den Sühnegedanken auskommt und nur einen "wohlwollenden" Blick auf den Täter wirft, ihm "helfen" und nicht strafen will - quasi die von den vier "deutschen Strafgründen" am "besten" gemeinte Variante - ist letzlich die Ungerechteste. Denn nur hier wird nicht die Tat des Täters verurteilt, sondern der Täter.