Jörg Baberowski - Verbrannte Erde

Baberowski ist Historiker an der Humboldt-Universität Berlin und Thema seines Buches ist - wie der Untertitel besagt - Stalins Herrschaft der Gewalt.

Die Vorzüge des Buches sind der Quellenreichtum, wodurch auch interne Befehlsketten veranschaulicht werden, welche belegen, dass die unermessliche Brutalität nicht nur gegen Kader, sondern auch gegen Bevölkerungsgruppen von der Führungsebene der KPdSU und vor allem von Stalin abgesegnet war. Mit ein paar Unterschriften waren Tötungsbefehle zum Teil gegen Zehntausende oder Hunderttausende Wirklichkeit.

Nachvollziehbar dargelegt ist auch, wie Stalin es schaffte, die Macht in der KPdSU an sich zu reißen und über Jahrzehnte Menschen in Führungspositionen durch gegenseitige Überwachung und Denunzierung zu Mordmaschinen umzufunktionieren (wer zauderte, wurde selbst als Verräter gebrandmarkt und liquidiert).

Nicht stimmig erscheint mir, dass auf der einen Seite plausibel nachvollziehbar argumentiert wird, wie die Bolschewiki ab der Machtübernahme dazu kamen, Gegner zu liquidieren (Lenin wie Trotzki waren eifrige Verfasser von Tötungsbefehlen) und damit ein Klima geschafft wurde, dass der brutalste der Führungsclique innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren die absolute Macht in Partei und Staat erringen konnte.

Weniger nachvollziehbar ist Baberowskis These, dass der Terror ab etwa 1929 ausschließlich auf Stalins psychopathischen Charakter zurückzuführen ist. Er hätte Terror an- und ausknipsen können, habe vielleicht selbst an seine eigene Paranoia und seine eigenen Verschwörungstheorien geglaubt (Belege: die Ablehnung der Infos eines bevorstehenden Angriffs der Wehrmacht noch bis zum 22. Juni 1941 oder die jüdische Ärzte-Verschwörung gegen Ende seines Lebens) oder auch nicht (Beleg: der irrationale Glaube an eine trotzkistisch-nationalsozialistische Verschwörung). Hauptbegründung: sofort nach Stalins Tod hätten sich seine Nachfolger darauf geeinigt, mit dem gegenseitigen Terror bzw. dem Terror gegen die Bevölkerung Schluss zu machen.

Damit fehlt mir dann doch die Frage nach dem systemischen bzw. politischen Warum der Änderung der Politik nach Stalins Tod.

Weitere Infos im Spoiler

Autor:
~~https://www.geschichte.hu-berlin.de/de/bereiche-und-lehrstuehle/geosteuropas/personen/1683840~~
Wikipedia: Jörg Baberowski

Interview:
http://www.deutschlandradiokultur.de/stalin-war-ein-psychopathischer-gewalttaeter.954.de.html?dram:article_id=147048

Verlagsinfo:
http://www.chbeck.de/Baberowski-Verbrannte-Erde/productview.aspx?product=9537525 (Archiv-Version vom 23.05.2015)

Rezensionen:
http://www.zeit.de/2012/11/L-P-Baberowski
http://www.taz.de/!5098869/
http://www.deutschlandfunk.de/terror-als-machtprinzip.1310.de.html?dram:article_id=194578
http://www.deutschlandradiokultur.de/terror-als-methode.950.de.html?dram:article_id=141137
http://www.welt.de/kultur/history/article13885068/Stalin-und-der-sadistische-Macho-Kult-des-Toetens.html
http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-18425
~~http://www.geschichte.tu-darmstadt.de/index.php?id=3422~~
http://www.rosalux.de/news/38869/baberowski-verbrannte-erde-stalins-herrschaft-der-gewalt-koeln-2012.html
http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Verbrannte-Erde-Stalins-Herrschaft-der-Gewalt-von-Joerg-Baberowski/20120816 (Archiv-Version vom 04.03.2017)