HYPATIA
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Dekohärenz und der Zufall in der Quantenmechanik
17.05.2013 um 20:17Zu der Frage "Gibt es Zufall in der Quantenmechanik?" aus diesem Thread: Quantenmechanik: Objektiver Zufall
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In diesem Zusammenhang sollte ich dir vielleicht den Begriff der Dekohärenz ans Herz legen. Die Quantenmechanik und ihre Formeln enthalten grundsätzlich erst mal keine Zufälle, man sagt dass die QM deterministisch ist (wenn man eine Determinismusdefinition benutzt, die sich nicht mit der Lichtgeschwindigkeit beißt). Das bedeutet: Jeder Zustand eines Systems definiert den exakten nächsten Zustand im nächsten kleinen Zeitschritt. Da ist kein Zufall dabei, alles ist sauber definiert.
Lass mich ein kleines Beispiel anbringen:
Wir betrachten mal folgende physikalische Theorie:
A->B->C->D->A
So solle sich das physikalische System verhalten. Wenn es sich im Zustand A befindet dann befindet es sich im nächsten Zeitschritt in B, im nächsten in C und so weiter und irgendwann wieder in A. Und dann von vorne.
Diese Theorie ist deterministisch. Wenn ich den aktuellen Zustand kenne weiß ich genau, wie es in 1000 Zeitschritten aussieht. Und insbesondere bedeutet das, dass wenn ich die Zeit erst laufen lasse und dann um das gleiche Intervall rückwärts laufen lasse (wie immer ich das praktisch auch anstellen mag) dann komme ich wieder bei meinem Ausgangspunkt an.
Jetzt führen wir mal einen Zufall ein: Der Alte hat einen großen Würfel. Der Würfel hat 1000 Seiten er würfelt in jedem Zeitschritt. Jedes Mal wenn er ne 20 würfelt dann überspringt das System einen Zustand, und geht z.B. statt von A->B sofort A->C. Das ist Zufall. Und das führt dazu, dass die Theorie nicht mehr deterministisch ist: Wenn ich die Zeit rückwärts laufen lasse dann komme ich nicht zwangsläufig wieder am ursprünglichen Zustand an.
In der Quantenmechanik gibt es einen solchen Zufall NICHT!. In der Quantenmechanik gibt es einen streng deterministischen Zusammenhang zwischen den Zuständen.
Zustände schreibt man in der Quantenmechanik idr. so:
|A> |B> |C>
Aber das bedeutet in etwa das Gleiche wie wenn ich die Zustände einer Münze (Kopf und Zahl) betrachte:
|K> |Z>
Ist nur eine fancy Schreibweise.
Für diese Zustände gibt es jetzt feste Regeln wie sie ineinander übergehen, genau wie bei dem ABCD-System von oben. Mit dem kleinen Unterschied dass jetzt Zustände zueinander addiert werden dürfen (was bei einer Münze nicht so ganz ersichtlich wäre, was das bedeutet)
|K>+|Z> = |lol>
Weil diese Theorie deterministisch ist kann ich die Zeit auch rückwärts laufen lassen und ich müsste wieder zum Ausgangszustand zurück kommen, und genau das ist auch bei der Quantenmechanik der Fall.
Schieße ich ein Elektron durch einen Spalt dann wir das Elektron gebeugt. Die Richtung (der vertikale Impuls) des Elektrons verändert sich (scheinbar zufällig) und es fliegt irgendwo nach links oder nach rechts.
Wenn ich die Zeit jetzt rückwärts laufen lasse (und es gibt tatsächlich Versuchsanordnungen, die einen solchen praktischen Effekt auf das Elektron haben können) dann kommt das Elektron wieder exakt gerade aus dem Spalt heraus. Es wird NICHT ein Zweites mal gebeugt, es fliegt seinen exakten Pfad zurück bis zur Quelle und ist dort dann mit 100%er Sicherheit wieder anzutreffen.
Was ist dann also wirklich mit dem sog. Zufall in der Quantenmechanik? Was ist zufällig, und was ist deterministisch.
Nun, um es auf den Punkt zu bringen: Die Messung ist zufällig. Der Rest nicht. Gehen wir mal darauf ein, was eine Messung eigentlich macht:
Ich hab bereits erläutert dass es in der QM Zustände |A> gibt. Am besten stellt man sich diese Zustände als "Wolken" im Raum vor, die unterschiedlich dicht an verschiedenen Stellen ist.
Eine solche Wolke könnte z.B. so aussehen:
Allerdings ist die Wolke nicht nur reel sondern auch imaginär (also eine Wolke komplexer Zahlen), aber das soll uns hier nicht weiter beschäftigen.
Diese Wolke ändert sich ständig aufgrund der physikalischen Einflüsse die auf sie wirken. Beschrieben wird das durch die sogenannte Schrödingergleichung. Und weil das ganze oftmals wie eine wellenartige Bewegung zwischen den reellen und komplexen Anteilen aussieht nennt man die Wolke gern Wellenfunktion. Ein etwas unglücklicher Begriff, weil er sprachlich andere Dinge impliziert als er tatsächlich meint, aber nun gut damit muss man eben klar kommen.
Also, Zustände kann man sich als diese lustigen Wolken vorstellen. Und wie ich bereits gesagt habe könnten Zustände addiert werden und dann passiert auch in der Schrödingergleichung.
|A>+|B> = |neuer Zustand>
Zwei Zustände werden addiert und es kommt wieder ein sinnvoller Zustand raus.
Jeder Zustand lässt sich als die Summe von anderen Zuständen darstellen. Das ganze nennt sich Fourier-Theorie und ist etwas unhandlich wenn man nicht in der Mathe drinnen ist, aber so wie die Zahl 10 sowohl 1+9 als auch 2+8 ist, so kann man jede Wellenfunktion auch als die Summe von veschiedenen anderen Wellenfunktionen darstellen.
Das ist wie beim Schall: Du hörst mit deinem Ohr ganz viele verschiedene Sinuswellen mit unterschiedlichen Frequenzen, aber zusammen ergibt sich ein sehr komplexes Tonsignal, z.B. einen Song aus dem Radio.
Dieses Lied lässt sich als eine Summe von Sinus-Wellen mit verschiedenen Frequenzen darstellen. Aber das ist nicht die einzige Möglichkeit. Zum Beispiel könnte ich als "Grundbausteine" statt der Sinuswellen auch irgendwelche Rechteckimpulse benutzen und dann geschickt zusammensetzen.
Oder ich benutze Töne die aus einem sehr kurzen lauten "Knacken" an einem einzelnen Zeitpunkt bestehen: Eine Signal hat ein Knacken bei 1,1s , das nächste Signal bei 1,10000001 usw.
Wenn ich davon ganz viele nehme kann ich wieder mein Lied zusammensetzen durch die Summe der Grundbausteine.
Wellenfunktionen lassen sich ebenso in "Grundbausteine" oder "Eigenzustände" zerlegen. Und jeder Satz von Grundbausteinen gehört zu einer bestimmten Größe, die zu dem System gehört.
Z.b. hat ein Elektron eine Eigenschaft namens Position, und dementsprechend gibt es eine Reihe von Moden
|x1> |x2>... usw.
die zu dieser Eigenschaft gehören. Wenn ein System z.B. in dem Zustand |x1> ist, dann bedeutet das, dass das Teilchen exakt bei der Position 1 ist.
Eine andere physikalische Größe könnte der Impuls des Elektons sein, und damit einher gehen die dazugehörigen Zustände:
|p1> |p2> ...
Wenn ein Teilchen jetzt in dem Zustand |p1> ist, dann hat genau den Impuls 1.
Der Gag daran ist jetzt, dass die Eigenzustände für verschiedene Systemgrößen unterschiedlich sind. Es gibt kein |x> das mit einem |p> gleich ist.
Das bedeutet, wenn das System in dem Zustand |x14> ist, dann lässt sich die Wellenfunktion als die Summe von einem Positions-Eigenzustand darstellen, nämlich genau |x14>. Aber es gibt kein |p> das genau die richtige Form hat, deswegen muss ich, wenn ich die Bausteine vom Impuls benutzen will mehrere |p>s:
|x14> = 0,1* |p1> + 0,4 * |p2> + 100 * |p3> +...
Grundsätzlich gilt: Je weniger |x> Zustände ich brauche um mein System darszustellen, desdo mehr |p> Zustände brauche ich. Einfach weil die Eigenzustände (charakteristische Wolkenformen) der Position und des Impulses komplett verschieden aussehen.
So, jetzt wieder zur Messung. Eine Messung bestimmt eine bestimmte Größe, genauer gesagt, einen bestimmten Typ von Eigenzuständen. Ein Messgerät für Positionen kann zum Beispiel die Eigenzustände |x> bestimmen. Aber es misst immer nur einen bestimmten Eigenzustand.
Das Messgerät wird für das System 0.1*|x1> + 0.9*|x2> wird zum Beispiel mit 10% Wahrscheinlichkeit |x1> anzeigen und mit 90% Wahrscheinlichkeit |x2>. Es kann keine "gemischten" Zustände anzeigen, nur die Eigenzustände. Bei der Messung wird das System auch in den enstprechenden Eigenzustand versetzt. D.h.
das System, das vorher so aussah:
0.1*|x1> + 0.9*|x2>
sieht nach einer Positionsmessung nun so aus:
1.0*|x2>
Man hat das System also manipuliert.
Das bedeutet aber auch, dass die Summe der |p>s, die das System ebenfalls beschrieben haben nun komplett anders aussieht. Logisch, denn 0.1*|x1> + 0.9*|x2> hat eine andere |p>-Summe als |1.0*|x2>.
So und nach dem ganzen vielen Text sind wir jetzt endlich bei deinem Zufall angekommen: Wer entscheidet, welchen Eigenzustand das Messgerät anzeigt :) ? Ist das Zufall? Würfelt Gott?
Nein. Es gibt keinen Zufall in der QM. Nicht in dem Würfel-Sinne. Lass mich das Problem so angehen:
Habe ich ein einzelnes Teilchen im Zustand |A> dann weiß ich genau, wie es sich verhält. Ich braucht bloß mit der Schrödinger-Gleichung rumrechnen und weiß dann, AHA, nach 10s ist das Teilche in Zustand |F>.
Was passiert wenn ich ein zweites Teilchen (Zustand |B>) dazubringe und beide interagieren? Ganz einfach: Schrödingergleichung und rumrechnen.
Drittes Teilchen? Schrödingergleichung.
Viertes Teilchen? Schrödingergleichung.
Fünfmilliardstes Teilchen? Schrödingergleichung.
Mhh ach moment, langsam wird es schwierig zu rechnen. Aber das ändert ja nix an der Gleichung oder? Sollte doch
theoretisch
alles berechenbar sein, oder?
Richtig, ist es auch. Unter der Voraussetzung, dass ich die exakten Zustände der Teilchen auch kenne.
Kenne ich den exakten Zustand der Teilchen nicht muss ich statistisch Rechnen. Glücklicherweise verhalten sich große Quantenmechanische System nach sehr schönen Verteilungsfunktionen, die allesamt recht intuitiv erfassbar sind (nennt sich klassische Mechanik). Die Quantenmechanik gebietet nun durch ihre Regeln, dass sie einzelne Teilchen bei Kontakt mit einem riesigen System sehr schnell "darin verlieren" oder "eingliedern". Oder mit anderen Worten: Kommt ein Teilchen in Kontakt (d.h. es wechselwirkt stark) mit einem sehr komplexen System, dann wird die kleine Wellenfunktion des armen Teilchens einmal richtig ordentlich durchgeschüttelt, und am Ende sieht es komplett anders und vor allem sehr klassisch aus.
Schnappen wir uns also mal ein Elektron in dem Zustand |x1> + |x2> und bringen es in Kontakt mit einem RIESIGEN Quantensystem. Dieses Quantensystem ist genau so gestaltet, dass es Energiesenken hat, in die wunderbar ein |x1>-Elektron oder ein |x2>-Elektron passen würde. Das ganze oszilliert ein bisschen, also kommt es auf den genauen Zeitpunkt an.
Sagen wir mal, die Senke passt gerade an ein |x1>-Elektron: Die Wellenfunktion des Elektrons wechselwirkt jetzt mit dem großen Objekt, wabbert ein bisschen herum und bleibt dann letztendlich schön sauber in dem Senke liegen, wie ein Ball in einem Tal. Vielleicht passt die Senke nicht besonders gut, dann wackelt es sehr lange, bis es sich einpasst. Vielleicht passt die Senke aber auch sehr, sehr gut, dann wackelt es nicht so lange. In jedem Fall kommt es irgendwann in der Senke zum liegen. Das ist Dekohärenz: Der |x2>-Anteil des Elektrons verschwindet, weil er an dem riesigen System abfedert wie ein Hammer an einer Gummiwand und irgendwann seine Energie komplett verloren hat.
Das gleiche Prinzip gilt natürlich auch für die |x2>-Senke.
Was passiert jetzt aber, wenn das große System furchtbar schnell oszilliert. Und schlimmer noch: Ich kenne den Zustand des Systems nicht? Mal ist es eine |x1>-Senke, mal eine |x2>-Senke? Mal so mal so. Dann haben wir ein Problem. Das große System (ich nenne es jetzt einfach mal Messgerät) ist nur noch statistisch erfassbar. Ich weiß grob was es macht: |x>-Senken erzeugen. Aber weil ich den Zustand nicht kenne, und es aufgrund seiner immense Größe so schnell oszilliert weiß ich nie genau, welche Senke gerade vorhanden ist. Wenn ich jetzt mein Elektron an das Messgerät heranbringe ist es im Prinzip totaler Zufall was passiert. Eventuell fällt es in die eine Senke, villeicht aber auch in eine andere Senke. Vielleicht wechselt die Wellenfunktion des Messgeräts aber auch so schnell, dass es während es schon fast in einer Senke drin war plötzlich in eine andere Senke fällt? Absolut zufällig, was passiert. Aber nicht weil das Elektron zufällig ist. Nicht weil die Quantenmechanik zufällig ist. Das einzige was zufällig ist, ist mein Wissen über das Messgerät. Solange ich nicht weiß, wie das Messgerät aufgebaut ist und welchen exakten Zustand es hat kann ich nicht sagen was passiert. Wüsste ich den Zustand des Messgeräts könnte ich dir exakt vorherberechnen (Rechenpower vorausgesetzt) was passiert, genau wie bei jeder anderen Teilchen-Teilchen-Interaktion. So aber muss man sich damit zufrieden geben zu sagen, welche |x>-Zustände wahrscheinlicher die Dekohärenz an diesem riesen Kuddel-Muddel-messgeräte-System überleben (weil sie von Beginn an stärker ausgeprägt waren und mehr Energie hatten) und somit "gemessen" werden. Aber Zufall ist da keiner dabei. Nur Unwissen. Und ich hoffe dass du auch den Unterschied zu einer Hidden-Variable-Theory weiter oben verstanden, denn das ist was ganz anderes als die Unwissenheit, die bei einem statistisch betrachteten Quantensystem auftritt.
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Das ganze im Orginal gepostet hier:
Quantenmechanik: Objektiver Zufall (Seite 3) (Beitrag von HYPATIA)
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In diesem Zusammenhang sollte ich dir vielleicht den Begriff der Dekohärenz ans Herz legen. Die Quantenmechanik und ihre Formeln enthalten grundsätzlich erst mal keine Zufälle, man sagt dass die QM deterministisch ist (wenn man eine Determinismusdefinition benutzt, die sich nicht mit der Lichtgeschwindigkeit beißt). Das bedeutet: Jeder Zustand eines Systems definiert den exakten nächsten Zustand im nächsten kleinen Zeitschritt. Da ist kein Zufall dabei, alles ist sauber definiert.
Lass mich ein kleines Beispiel anbringen:
Wir betrachten mal folgende physikalische Theorie:
A->B->C->D->A
So solle sich das physikalische System verhalten. Wenn es sich im Zustand A befindet dann befindet es sich im nächsten Zeitschritt in B, im nächsten in C und so weiter und irgendwann wieder in A. Und dann von vorne.
Diese Theorie ist deterministisch. Wenn ich den aktuellen Zustand kenne weiß ich genau, wie es in 1000 Zeitschritten aussieht. Und insbesondere bedeutet das, dass wenn ich die Zeit erst laufen lasse und dann um das gleiche Intervall rückwärts laufen lasse (wie immer ich das praktisch auch anstellen mag) dann komme ich wieder bei meinem Ausgangspunkt an.
Jetzt führen wir mal einen Zufall ein: Der Alte hat einen großen Würfel. Der Würfel hat 1000 Seiten er würfelt in jedem Zeitschritt. Jedes Mal wenn er ne 20 würfelt dann überspringt das System einen Zustand, und geht z.B. statt von A->B sofort A->C. Das ist Zufall. Und das führt dazu, dass die Theorie nicht mehr deterministisch ist: Wenn ich die Zeit rückwärts laufen lasse dann komme ich nicht zwangsläufig wieder am ursprünglichen Zustand an.
In der Quantenmechanik gibt es einen solchen Zufall NICHT!. In der Quantenmechanik gibt es einen streng deterministischen Zusammenhang zwischen den Zuständen.
Zustände schreibt man in der Quantenmechanik idr. so:
|A> |B> |C>
Aber das bedeutet in etwa das Gleiche wie wenn ich die Zustände einer Münze (Kopf und Zahl) betrachte:
|K> |Z>
Ist nur eine fancy Schreibweise.
Für diese Zustände gibt es jetzt feste Regeln wie sie ineinander übergehen, genau wie bei dem ABCD-System von oben. Mit dem kleinen Unterschied dass jetzt Zustände zueinander addiert werden dürfen (was bei einer Münze nicht so ganz ersichtlich wäre, was das bedeutet)
|K>+|Z> = |lol>
Weil diese Theorie deterministisch ist kann ich die Zeit auch rückwärts laufen lassen und ich müsste wieder zum Ausgangszustand zurück kommen, und genau das ist auch bei der Quantenmechanik der Fall.
Schieße ich ein Elektron durch einen Spalt dann wir das Elektron gebeugt. Die Richtung (der vertikale Impuls) des Elektrons verändert sich (scheinbar zufällig) und es fliegt irgendwo nach links oder nach rechts.
Wenn ich die Zeit jetzt rückwärts laufen lasse (und es gibt tatsächlich Versuchsanordnungen, die einen solchen praktischen Effekt auf das Elektron haben können) dann kommt das Elektron wieder exakt gerade aus dem Spalt heraus. Es wird NICHT ein Zweites mal gebeugt, es fliegt seinen exakten Pfad zurück bis zur Quelle und ist dort dann mit 100%er Sicherheit wieder anzutreffen.
Was ist dann also wirklich mit dem sog. Zufall in der Quantenmechanik? Was ist zufällig, und was ist deterministisch.
Nun, um es auf den Punkt zu bringen: Die Messung ist zufällig. Der Rest nicht. Gehen wir mal darauf ein, was eine Messung eigentlich macht:
Ich hab bereits erläutert dass es in der QM Zustände |A> gibt. Am besten stellt man sich diese Zustände als "Wolken" im Raum vor, die unterschiedlich dicht an verschiedenen Stellen ist.
Eine solche Wolke könnte z.B. so aussehen:
Allerdings ist die Wolke nicht nur reel sondern auch imaginär (also eine Wolke komplexer Zahlen), aber das soll uns hier nicht weiter beschäftigen.
Diese Wolke ändert sich ständig aufgrund der physikalischen Einflüsse die auf sie wirken. Beschrieben wird das durch die sogenannte Schrödingergleichung. Und weil das ganze oftmals wie eine wellenartige Bewegung zwischen den reellen und komplexen Anteilen aussieht nennt man die Wolke gern Wellenfunktion. Ein etwas unglücklicher Begriff, weil er sprachlich andere Dinge impliziert als er tatsächlich meint, aber nun gut damit muss man eben klar kommen.
Also, Zustände kann man sich als diese lustigen Wolken vorstellen. Und wie ich bereits gesagt habe könnten Zustände addiert werden und dann passiert auch in der Schrödingergleichung.
|A>+|B> = |neuer Zustand>
Zwei Zustände werden addiert und es kommt wieder ein sinnvoller Zustand raus.
Jeder Zustand lässt sich als die Summe von anderen Zuständen darstellen. Das ganze nennt sich Fourier-Theorie und ist etwas unhandlich wenn man nicht in der Mathe drinnen ist, aber so wie die Zahl 10 sowohl 1+9 als auch 2+8 ist, so kann man jede Wellenfunktion auch als die Summe von veschiedenen anderen Wellenfunktionen darstellen.
Das ist wie beim Schall: Du hörst mit deinem Ohr ganz viele verschiedene Sinuswellen mit unterschiedlichen Frequenzen, aber zusammen ergibt sich ein sehr komplexes Tonsignal, z.B. einen Song aus dem Radio.
Dieses Lied lässt sich als eine Summe von Sinus-Wellen mit verschiedenen Frequenzen darstellen. Aber das ist nicht die einzige Möglichkeit. Zum Beispiel könnte ich als "Grundbausteine" statt der Sinuswellen auch irgendwelche Rechteckimpulse benutzen und dann geschickt zusammensetzen.
Oder ich benutze Töne die aus einem sehr kurzen lauten "Knacken" an einem einzelnen Zeitpunkt bestehen: Eine Signal hat ein Knacken bei 1,1s , das nächste Signal bei 1,10000001 usw.
Wenn ich davon ganz viele nehme kann ich wieder mein Lied zusammensetzen durch die Summe der Grundbausteine.
Wellenfunktionen lassen sich ebenso in "Grundbausteine" oder "Eigenzustände" zerlegen. Und jeder Satz von Grundbausteinen gehört zu einer bestimmten Größe, die zu dem System gehört.
Z.b. hat ein Elektron eine Eigenschaft namens Position, und dementsprechend gibt es eine Reihe von Moden
|x1> |x2>... usw.
die zu dieser Eigenschaft gehören. Wenn ein System z.B. in dem Zustand |x1> ist, dann bedeutet das, dass das Teilchen exakt bei der Position 1 ist.
Eine andere physikalische Größe könnte der Impuls des Elektons sein, und damit einher gehen die dazugehörigen Zustände:
|p1> |p2> ...
Wenn ein Teilchen jetzt in dem Zustand |p1> ist, dann hat genau den Impuls 1.
Der Gag daran ist jetzt, dass die Eigenzustände für verschiedene Systemgrößen unterschiedlich sind. Es gibt kein |x> das mit einem |p> gleich ist.
Das bedeutet, wenn das System in dem Zustand |x14> ist, dann lässt sich die Wellenfunktion als die Summe von einem Positions-Eigenzustand darstellen, nämlich genau |x14>. Aber es gibt kein |p> das genau die richtige Form hat, deswegen muss ich, wenn ich die Bausteine vom Impuls benutzen will mehrere |p>s:
|x14> = 0,1* |p1> + 0,4 * |p2> + 100 * |p3> +...
Grundsätzlich gilt: Je weniger |x> Zustände ich brauche um mein System darszustellen, desdo mehr |p> Zustände brauche ich. Einfach weil die Eigenzustände (charakteristische Wolkenformen) der Position und des Impulses komplett verschieden aussehen.
So, jetzt wieder zur Messung. Eine Messung bestimmt eine bestimmte Größe, genauer gesagt, einen bestimmten Typ von Eigenzuständen. Ein Messgerät für Positionen kann zum Beispiel die Eigenzustände |x> bestimmen. Aber es misst immer nur einen bestimmten Eigenzustand.
Das Messgerät wird für das System 0.1*|x1> + 0.9*|x2> wird zum Beispiel mit 10% Wahrscheinlichkeit |x1> anzeigen und mit 90% Wahrscheinlichkeit |x2>. Es kann keine "gemischten" Zustände anzeigen, nur die Eigenzustände. Bei der Messung wird das System auch in den enstprechenden Eigenzustand versetzt. D.h.
das System, das vorher so aussah:
0.1*|x1> + 0.9*|x2>
sieht nach einer Positionsmessung nun so aus:
1.0*|x2>
Man hat das System also manipuliert.
Das bedeutet aber auch, dass die Summe der |p>s, die das System ebenfalls beschrieben haben nun komplett anders aussieht. Logisch, denn 0.1*|x1> + 0.9*|x2> hat eine andere |p>-Summe als |1.0*|x2>.
So und nach dem ganzen vielen Text sind wir jetzt endlich bei deinem Zufall angekommen: Wer entscheidet, welchen Eigenzustand das Messgerät anzeigt :) ? Ist das Zufall? Würfelt Gott?
Nein. Es gibt keinen Zufall in der QM. Nicht in dem Würfel-Sinne. Lass mich das Problem so angehen:
Habe ich ein einzelnes Teilchen im Zustand |A> dann weiß ich genau, wie es sich verhält. Ich braucht bloß mit der Schrödinger-Gleichung rumrechnen und weiß dann, AHA, nach 10s ist das Teilche in Zustand |F>.
Was passiert wenn ich ein zweites Teilchen (Zustand |B>) dazubringe und beide interagieren? Ganz einfach: Schrödingergleichung und rumrechnen.
Drittes Teilchen? Schrödingergleichung.
Viertes Teilchen? Schrödingergleichung.
Fünfmilliardstes Teilchen? Schrödingergleichung.
Mhh ach moment, langsam wird es schwierig zu rechnen. Aber das ändert ja nix an der Gleichung oder? Sollte doch
theoretisch
alles berechenbar sein, oder?
Richtig, ist es auch. Unter der Voraussetzung, dass ich die exakten Zustände der Teilchen auch kenne.
Kenne ich den exakten Zustand der Teilchen nicht muss ich statistisch Rechnen. Glücklicherweise verhalten sich große Quantenmechanische System nach sehr schönen Verteilungsfunktionen, die allesamt recht intuitiv erfassbar sind (nennt sich klassische Mechanik). Die Quantenmechanik gebietet nun durch ihre Regeln, dass sie einzelne Teilchen bei Kontakt mit einem riesigen System sehr schnell "darin verlieren" oder "eingliedern". Oder mit anderen Worten: Kommt ein Teilchen in Kontakt (d.h. es wechselwirkt stark) mit einem sehr komplexen System, dann wird die kleine Wellenfunktion des armen Teilchens einmal richtig ordentlich durchgeschüttelt, und am Ende sieht es komplett anders und vor allem sehr klassisch aus.
Schnappen wir uns also mal ein Elektron in dem Zustand |x1> + |x2> und bringen es in Kontakt mit einem RIESIGEN Quantensystem. Dieses Quantensystem ist genau so gestaltet, dass es Energiesenken hat, in die wunderbar ein |x1>-Elektron oder ein |x2>-Elektron passen würde. Das ganze oszilliert ein bisschen, also kommt es auf den genauen Zeitpunkt an.
Sagen wir mal, die Senke passt gerade an ein |x1>-Elektron: Die Wellenfunktion des Elektrons wechselwirkt jetzt mit dem großen Objekt, wabbert ein bisschen herum und bleibt dann letztendlich schön sauber in dem Senke liegen, wie ein Ball in einem Tal. Vielleicht passt die Senke nicht besonders gut, dann wackelt es sehr lange, bis es sich einpasst. Vielleicht passt die Senke aber auch sehr, sehr gut, dann wackelt es nicht so lange. In jedem Fall kommt es irgendwann in der Senke zum liegen. Das ist Dekohärenz: Der |x2>-Anteil des Elektrons verschwindet, weil er an dem riesigen System abfedert wie ein Hammer an einer Gummiwand und irgendwann seine Energie komplett verloren hat.
Das gleiche Prinzip gilt natürlich auch für die |x2>-Senke.
Was passiert jetzt aber, wenn das große System furchtbar schnell oszilliert. Und schlimmer noch: Ich kenne den Zustand des Systems nicht? Mal ist es eine |x1>-Senke, mal eine |x2>-Senke? Mal so mal so. Dann haben wir ein Problem. Das große System (ich nenne es jetzt einfach mal Messgerät) ist nur noch statistisch erfassbar. Ich weiß grob was es macht: |x>-Senken erzeugen. Aber weil ich den Zustand nicht kenne, und es aufgrund seiner immense Größe so schnell oszilliert weiß ich nie genau, welche Senke gerade vorhanden ist. Wenn ich jetzt mein Elektron an das Messgerät heranbringe ist es im Prinzip totaler Zufall was passiert. Eventuell fällt es in die eine Senke, villeicht aber auch in eine andere Senke. Vielleicht wechselt die Wellenfunktion des Messgeräts aber auch so schnell, dass es während es schon fast in einer Senke drin war plötzlich in eine andere Senke fällt? Absolut zufällig, was passiert. Aber nicht weil das Elektron zufällig ist. Nicht weil die Quantenmechanik zufällig ist. Das einzige was zufällig ist, ist mein Wissen über das Messgerät. Solange ich nicht weiß, wie das Messgerät aufgebaut ist und welchen exakten Zustand es hat kann ich nicht sagen was passiert. Wüsste ich den Zustand des Messgeräts könnte ich dir exakt vorherberechnen (Rechenpower vorausgesetzt) was passiert, genau wie bei jeder anderen Teilchen-Teilchen-Interaktion. So aber muss man sich damit zufrieden geben zu sagen, welche |x>-Zustände wahrscheinlicher die Dekohärenz an diesem riesen Kuddel-Muddel-messgeräte-System überleben (weil sie von Beginn an stärker ausgeprägt waren und mehr Energie hatten) und somit "gemessen" werden. Aber Zufall ist da keiner dabei. Nur Unwissen. Und ich hoffe dass du auch den Unterschied zu einer Hidden-Variable-Theory weiter oben verstanden, denn das ist was ganz anderes als die Unwissenheit, die bei einem statistisch betrachteten Quantensystem auftritt.
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Das ganze im Orginal gepostet hier:
Quantenmechanik: Objektiver Zufall (Seite 3) (Beitrag von HYPATIA)