„Hm, okay. Meinen Namen weißt du ja schon…“
„Ja.“
„Eine Frage…“
„Hm?“
„Wieso bin ich ein Risiko?“
„Wie meinst du das?“
„Ja die andere, also die, die abgehauen ist, meinte ich sei ein zu großes Risiko wenn ich wach wäre…“
Er stotterte erst etwas Unverständliches vor sich hin, doch dann sprach er wieder deutlicher.
„Woher weißt du davon? Ich meine, du warst ja so gut wie tot…?“
„Du würdest es mir ja dann doch nicht glauben…“
„Ähm… Okay? Erzähl‘ es mir doch einfach ein anderes Mal?“
Ich sah zu Liam hinüber, er redete etwas wirr vor sich hin.
„Chris?“
„Was denn jetzt wieder?“
„Sollten wir mit Liam nicht zu einem, naja…richtigen Arzt gehen?“ fragte ich zögerlich.
„Nicht nötig, ich komm‘ vielleicht nicht so rüber aber ich habe wirklich Medizin studiert!“ meinte Chris ein wenig empört.
>Soll ich ihm das jetzt glauben oder nicht? Immerhin hat er mit dieser komischen Frau zusammengearbeitet, wollte mich vorhin noch gegen meinen Willen hier festhalten – was soll ich nur tun???<
„Mach‘ dir um mich keine Sorgen Lucy, mir geht’s gut“ murmelte Liam hinter mir. Ich sah ihn an. Er versuchte zu lächeln, doch ich wusste ganz genau dass es nur gespielt war.
„Du musst mich echt nicht anlügen Schatz, ich weiß dass es dir nicht gut geht…“
Ich lächelte ihn an, beugte mich vor und gab ihm einen Kuss. Liam sah in meine Augen und lächelte wieder.
>Schau‘ mich bitte nicht so an…<
Er setzte sich auf, legte seine Arme um mich und hauchte mir ins Ohr: „Ich liebe dich!“
„Ich liebe dich doch auch!“
Liam machte den Anschein als wollte er mich nie wieder los lassen. Ich jedoch sah auch keinen Grund mich aus seinen Armen lösen zu wollen. Hier, bei ihm, fühlte ich mich sicher und geborgen.
„Tut dein Bauch noch sehr weh?“ fragte ich ihn besorgt.
„Nein, das geht schon“ antwortete er und schenkte mir erneut ein Lächeln. Doch diesmal war es echt und nicht gespielt. Ich lauschte seinem Atem. Er war regelmäßig und ruhig.
„Ich will euch ja nicht stören oder so, aber ihr vielleicht solltet ihr von hier verschwinden…“ unterbrach Chris Liam und mich plötzlich.
„Aber wo sollen wir hin?“ fragte ich ihn verwirrt.
„Äh…? Wie wär’s nach Hause?“ meinte Chris mit einem spöttischen Unterton.
„Achso… Ja, klar“ Es war mir ein Wenig peinlich dass ich darauf nicht gekommen bin.
„Aber… wo ist das?“ – das war mich noch peinlicher.
Chris sah mich verständnislos an. Er hielt mich anscheinend für völlig verrückt.
>Oh mein Gott – starr‘ mich doch nicht so an, ich kann ja auch nichts dafür dass ich das nicht mehr weiß?! Ich bin doch auch nur ein Mensch…<
Aber war ich das wirklich, ein Mensch? Immerhin war ich doch gestern noch halb tot gewesen und hab‘ mir selbst beim Schlafen oder besser gesagt beim Liegen zugesehen.
„Kommst du Lucy?“ Liam stupste mich sanft in die Seite.
„Äh…ja, ich komm schon. Sorry ich war in Gedanken…“
„Schon ok“ lachte Liam, nahm meine Hand und zog mich mit sich.
„Passt gut auf euch auf!“ rief Chris uns noch hinterher als wir den Raum verließen. Draußen angekommen blieb Liam kurz stehen. Einfach so. Er wandte sich zu mir.
„Lucy?“
„Ja?“
„Ach nichts…“
„Sag schon…?“
„Später dann, ok? Lass uns hier erst mal abhauen.“
„Äh… okay“ ich lächelte ihn an.
„Komm!“ meinte er und grinste mich an.
Er nahm wieder meine Hand und ich folgte ihm einfach. Wusste zwar nicht wohin er mich führen würde. Wir gingen die Straße entlang, an einem großen Park vorbei, ich blieb kurz stehen um den Kindern beim Spielen zuzusehen. Ein etwas älteres Pärchen fütterte die Vögel. Auf einmal war Liam weg.
„Liam???“ rief ich.
Da stand er auch gleich neben mir. Er murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.
>Hm, wie lang der Weg wohl noch dauert?<
„Wir sind gleich da“ meinte Liam plötzlich.
„Hab‘ ich etwa laut gedacht?“ fragte ich vorsichtig. Ich spürte förmlich wie mein Kopf rot anlief.
„Ja!“ lachte Liam.
Er sah mich wieder an. Lehnte sich zu mir und flüsterte: „Ich liebe dich mein Engel!“
Ich sah ihn an. „Ich liebe dich auch“ murmelte ich verlegen.
Er gab mir einen flüchtigen Kuss, nahm meine Hand und führte mich zu einem großen Wohnblock. Vor der Tür suchte Liam kurz in seiner Hosentasche, bis er endlich fand was er suchte. Er zog etwas kleines Silbernes aus seiner Tasche, den Schlüssel.
>Oh Mann, was sollte er denn sonst suchen? Ich bin ja vielleicht blöd…<
Als Liam den Schlüssel ins Schloss steckte, fragte er mich ob ich mich auf zu Hause freue, ich nickte als Antwort nur lächelnd und als er aufgesperrt hatte schoss mir sofort der Geruch von Parfum in die Nase. Im Flur der Wohnung angekommen sah ich mich ein Wenig um. Auf den ersten Blick fiel mir eine Kommode auf, auf der drei Bilder und ein paar Blumen standen. Ich begutachtete ein Bild genauer, darauf waren meine Schwester und ich zu sehen – gemeinsam mit unseren Eltern. Mir stiegen Tränen in die Augen bei dem Gedanken dass meine Schwester irgendwo da draußen rumlief während ich ein Jahr lang im Glauben war dass sie gemeinsam mit meinen Eltern ums Leben gekommen war. Ich vermisste sie und meine Eltern unendlich. Plötzlich landete ein kleiner Schlüsselbund vor dem Bild. Vor Schreck hielt ich den Atem an.
„Tut mir Leid…Hab ich dich erschreckt Schatz?“
„Ein bisschen…“ seufzte ich.
„Tut mir wirklich Leid… Das wollte ich nicht…“ flüsterte Liam mir zu, umarmte mich von hinten und küsste mich.
„Schon ok!“ antwortete ich, drehte mich um und lächelte ihn an.
Plötzlich hob Liam mich hoch und trug mich den Flur entlang ins Wohnzimmer, dort legte er mich behutsam aufs Sofa und setzte sich neben mich. Da stöhnte er plötzlich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf.
„Was ist los?“ fragte ich und setzte mich ruckartig auf.
„Nichts, alles ok…“
„Oh nein…sicher dein Bauch, stimmt‘s?“
Ich schaute ihn besorgt an. Er versuchte zu lächeln, aber er gab es schließlich doch auf und ließ sich rückwärts auf die Couch fallen. Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter, lauschte seinem Atem. Er beruhigte sich langsam wieder und wurde gleichmäßig.
„Geht’s wieder?“
„Ja, ich sagte doch es sei alles ok.“
Da fiel mir ein dass im Bad doch eigentlich Schmerztabletten liegen mussten.
„Wart hier kurz“ meinte ich flüchtig zu ihm und stand auf um ins Bad zu gehen.
„ich werde wohl kaum abhauen“ lachte Liam.
Erst lief ich in die Küche statt ins Bad, aber dann stand ich im richtigen Raum.
>So… und wo sind jetzt die Tabletten? <
Zuerst suchte ich in dem Schrank gleich bei der Türe, doch da waren nur Handtücher und in der unteren Lade Putzlappen. In dem Schränkchen über dem Waschbecken fand ich etliche Zahnpflegeprodukte, aber keine Schmerztabletten.
„Suchst du was Schatz?“ rief Liam aus dem Wohnzimmer.
„Nein, nicht wirklich“ antwortete ich ihm.
>Wo sind diese verfluchten Tabletten?! <
Ich suchte weiter.
„So so … du suchst also ‚nichts‘ “