LUDWIG HIRSCH in MEMORIAM + weils grade wieder so viel Gewalt gib
06.01.2013 um 17:56weil ich gerade an ihn gedacht habe, was habe ich den Mann mit seinen Liedern geliebt und tue es noch
Abel 82
Meingott, warum drischt er denn immer noch auf mich ein?!
Er sieht doch, daß ich nur mehr dalieg' und mich nimmer wehr'.
Ich bin fertig, total fertig, das sieht er doch!
Das G'sicht! Ich muss mir das G'sicht schützen! lch muss mir die Hand
vors G'sicht halten.
So viel Blut überall. Aus der Nase, aus'n Mund, aus den Ohren, aus
den Augen, überall rinnt mir scho' das Blut auße.
Er soll aufhören! Bitte, bitte er soll aufhören!
Wie is' denn das ... Wie war das?
Da war die kleine Blonde mit den schwarzen Stiefeln, und ich hab'
was g'sagt, und sie hat g'lacht, und dann bin ich hinter ihr raus aus
dem Lokal, und da war das Auto, er is' ausg'stiegen, und dann hat er
zug'schlagen, und ich hab' z'ruckg'schlagen ...
Wo is' sie denn jetzt, die kleine Blonde? Warum sagt sie ihm denn
nicht, dass er aufhören soll? Die ganzen Leut', die da herumstehen
und zuschaun, warum sagen die denn nichts? Warum machen die
denn nichts?
Meingott, jetzt fangt er an, mit den Füßen zu treten.
Die Hand muss vor's G'sicht! Schnell!
Es geht nicht. Ich kann die Hand nicht bewegen. Ich kann überhaupt
nichts mehr bewegen.
Ich möcht' ihm so gern' sagen, dass eh alles in Ordnung ist mit seiner
Kleinen. "Alter, komm, geh'n ma auf ein Bier", möcht' ich ihm sagen,
aber ich kann nicht. Ich kann nicht mehr reden. Ich kann nicht
mehr schrei'n. Ich kann gar nichts mehr. Ich kann nunmehr
schrecklich klar denken.
Aber eins is' komisch. Es tut nicht mehr weh.
Er tritt mir dauernd mit seinen Schuhen in's G'sicht und es kracht
immer, wie wenn man einen Hendelhaxen bricht, aber ich spür'
nichts. Wenn ich eh nichts mehr spür', was will er denn noch mehr?
Er will mich totschlagen!
Um Himmelswillen, warum macht denn niemand was?! Der will
mich totschlagen!
Gleich hat er's geschafft. Gleich haben wir's beide geschafft. Ich spür'
mich schon ganz leicht werden.
So is' das also, wenn man erschlagen wird. Der Körper is' schon hin,
nur die Gedanken funktionieren noch. Und die werden dann
auf einmal abreißen. Ganz plötzlich, wie wenn man das Licht abdreht.
Und dann ist es aus. Dann bist weg. Endgültig.
Das ist verrückt, ich weiß genau, ich lieg da auf der Straße und hab
trotzdem das Gefühl, als ob ich einen Meter über
.....
A N G S T
Eins, - zwei, - drei,
drei Uhr Früh, drei Uhr Früh erst.
Ich muss wach bleiben, ich muss mein Spiel weiter
spielen, ich muss wach bleiben!
Augenlicht, Lichthof, Hofnarr, Narrenkappe, Kappe, Kappen?
Kalt ist mir. Ob Schnee draußen liegt?
Schneemann, Landschaft, Schaft
Nein, nein, ich schlaf nicht ein, das würde euch so passen!
Es ist schön, mit einer brennenden Zigarette
glühende Buchstaben in die Dunkelheit zu schreiben.
Mannschaft.
Ja, natürlich, natürlich liegt Schnee, viel Schnee, viel,
viel Schnee! Darum hör' ich euch nicht! Man hört
eure Schritte nicht im Schnee! Ihr seid da, ihr seid unten! Mein Gott!
Ruhig bleiben, ruhig bleiben, sie sehen dich ja nicht,
dahinten sehen sie dich ja nicht.
"Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See".
Ihr Schweine, ich weiß, ihr wollt mich sehen, ich soll
aufstehen, soll zum Fenster gehen und schau'n, ob
Schnee draußen liegt, aber das brauch' ich nicht, ich
weiß es ja, ich weiß es schon lange!
Ich bleib' hier hinten hocken, ich rühr' mich nicht von der Stelle.
Ich hab' ja hier alles, was ich brauche: Zigaretten, Streichhölzer,
Streichholzschachtel, Schachtelteufel, Teufel!
Seltsam, in der Dunkelheit sind alle Gegenstände
größer als sie wirklich sind. Warum?
Dunkelheit, Gott sei Dank, dass es dich gibt!
Schlafen, schlafen, ich möchte schlafen, schlafen, schlafen.
Ich darf nicht schlafen, darauf warten sie ja!
Augenlicht, Lichthof, Hofnarr, Narrenkappe! Kappe, Kappe.
Sie sind so böse.
Sie haben riesige weiße Fäuste, mit denen sie dich schlagen!
Sie züchten menschenfressende Bestien,
zu denen sie dich in den Käfig sperren.
Sie konstruieren tausendarmige elektrische Ungeheuer, die dich umarmen
und das tut so weh, tut so wahnsinnig weh! Tut so weh,
Garaus, Ausweis, weis, weiß, weiß.
Ob Schnee draußen liegt?
Der Turm
lch weiß noch genau, ich war vielleicht fünf Jahre alt,
da hab' ich mir von Mutter einen Strumpf über den Kopf gezogen,
bin damit runter zur Milchfrau und hab' gebrüllt:
"Fruchtjoghurt oder Leben!"
Sie haben mich zur Strafe den ganzen Tag in mein Zimmer
gesperrt,
haben die Vorhänge zugezogen, die Glühbirne aus der Fassung
geschraubt
und mich mit der Dunkelheit und einer Fliege,
die da irgendwo zwischen Vorhang und Fenster herumlärmte,
allein gelassen.
Ich hab' mich hing'setzt und hab' begonnen, aus meinen Träumen
einen Turm zu errichten.
Einen Turm, bis zum Himmel hoch.
Und ich und meine Freunde, der Franz, der Jakob, der Thomas und
auch die kleine Hildi,
wir zogen durch die Straßen und riefen alle Kinder der Welt
zusammen und luden sie ein,
mit uns in den Turm zu ziehen. Ja, und das taten sie dann auch.
Und wir sprachen alle die gleiche Sprache, lebten in Frieden,
waren frei und glücklich bis zum Himmel hoch, und niemand konnte
uns stören dabei,
denn vor dem großen Eingangstor war eine gewaltige,
feuerspeiende Fliege postiert,
die uns beschützte.
Und ich weiß noch genau, plötzlich polterte mein Vater ins Zimmer,
mit seinen schwarzen, schweren Schuhen, die er immer trug.
Er riß die Vorhänge auf, schraubte die Glühbirne in die Fassung,
erschlug die Fliege und rief: "Ausgeträumt mein Sohn! Raus!"
Da fiel mein Turm in sich zusammen, und alle Kinder der Welt
waren wieder,
wie auf einen Schlag, über die ganze Erde zerstreut,
und keiner verstand mehr die Sprache des anderen.
Und ich ging runter auf die Straße, traf dort den Franz, den Jakob,
den Thomas
und die kleine Hildi und erzählte ihnen meine Traumgeschichte.
Und an diesem Nachmittag beschloss der Franz, nicht
Verhaltensforscher,
sondern Ziegelhersteller, der Jakob nicht mehr Astronaut, sondern
Technischer Zeichner zu werden,
der Thomas beschloss, Architektur zu studieren, die kleine Hildi
wollte sowieso immer Maurer lernen,
und ich beschloss, ganz einfach Träumeerzähler zu werden.
Und wir schworen uns hoch und heilig: "Bald, sehr bald bauen wir
einen Turm. Einen Turm, bis zum Himmel hoch!"
Abel 82
Meingott, warum drischt er denn immer noch auf mich ein?!
Er sieht doch, daß ich nur mehr dalieg' und mich nimmer wehr'.
Ich bin fertig, total fertig, das sieht er doch!
Das G'sicht! Ich muss mir das G'sicht schützen! lch muss mir die Hand
vors G'sicht halten.
So viel Blut überall. Aus der Nase, aus'n Mund, aus den Ohren, aus
den Augen, überall rinnt mir scho' das Blut auße.
Er soll aufhören! Bitte, bitte er soll aufhören!
Wie is' denn das ... Wie war das?
Da war die kleine Blonde mit den schwarzen Stiefeln, und ich hab'
was g'sagt, und sie hat g'lacht, und dann bin ich hinter ihr raus aus
dem Lokal, und da war das Auto, er is' ausg'stiegen, und dann hat er
zug'schlagen, und ich hab' z'ruckg'schlagen ...
Wo is' sie denn jetzt, die kleine Blonde? Warum sagt sie ihm denn
nicht, dass er aufhören soll? Die ganzen Leut', die da herumstehen
und zuschaun, warum sagen die denn nichts? Warum machen die
denn nichts?
Meingott, jetzt fangt er an, mit den Füßen zu treten.
Die Hand muss vor's G'sicht! Schnell!
Es geht nicht. Ich kann die Hand nicht bewegen. Ich kann überhaupt
nichts mehr bewegen.
Ich möcht' ihm so gern' sagen, dass eh alles in Ordnung ist mit seiner
Kleinen. "Alter, komm, geh'n ma auf ein Bier", möcht' ich ihm sagen,
aber ich kann nicht. Ich kann nicht mehr reden. Ich kann nicht
mehr schrei'n. Ich kann gar nichts mehr. Ich kann nunmehr
schrecklich klar denken.
Aber eins is' komisch. Es tut nicht mehr weh.
Er tritt mir dauernd mit seinen Schuhen in's G'sicht und es kracht
immer, wie wenn man einen Hendelhaxen bricht, aber ich spür'
nichts. Wenn ich eh nichts mehr spür', was will er denn noch mehr?
Er will mich totschlagen!
Um Himmelswillen, warum macht denn niemand was?! Der will
mich totschlagen!
Gleich hat er's geschafft. Gleich haben wir's beide geschafft. Ich spür'
mich schon ganz leicht werden.
So is' das also, wenn man erschlagen wird. Der Körper is' schon hin,
nur die Gedanken funktionieren noch. Und die werden dann
auf einmal abreißen. Ganz plötzlich, wie wenn man das Licht abdreht.
Und dann ist es aus. Dann bist weg. Endgültig.
Das ist verrückt, ich weiß genau, ich lieg da auf der Straße und hab
trotzdem das Gefühl, als ob ich einen Meter über
.....
A N G S T
Eins, - zwei, - drei,
drei Uhr Früh, drei Uhr Früh erst.
Ich muss wach bleiben, ich muss mein Spiel weiter
spielen, ich muss wach bleiben!
Augenlicht, Lichthof, Hofnarr, Narrenkappe, Kappe, Kappen?
Kalt ist mir. Ob Schnee draußen liegt?
Schneemann, Landschaft, Schaft
Nein, nein, ich schlaf nicht ein, das würde euch so passen!
Es ist schön, mit einer brennenden Zigarette
glühende Buchstaben in die Dunkelheit zu schreiben.
Mannschaft.
Ja, natürlich, natürlich liegt Schnee, viel Schnee, viel,
viel Schnee! Darum hör' ich euch nicht! Man hört
eure Schritte nicht im Schnee! Ihr seid da, ihr seid unten! Mein Gott!
Ruhig bleiben, ruhig bleiben, sie sehen dich ja nicht,
dahinten sehen sie dich ja nicht.
"Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See".
Ihr Schweine, ich weiß, ihr wollt mich sehen, ich soll
aufstehen, soll zum Fenster gehen und schau'n, ob
Schnee draußen liegt, aber das brauch' ich nicht, ich
weiß es ja, ich weiß es schon lange!
Ich bleib' hier hinten hocken, ich rühr' mich nicht von der Stelle.
Ich hab' ja hier alles, was ich brauche: Zigaretten, Streichhölzer,
Streichholzschachtel, Schachtelteufel, Teufel!
Seltsam, in der Dunkelheit sind alle Gegenstände
größer als sie wirklich sind. Warum?
Dunkelheit, Gott sei Dank, dass es dich gibt!
Schlafen, schlafen, ich möchte schlafen, schlafen, schlafen.
Ich darf nicht schlafen, darauf warten sie ja!
Augenlicht, Lichthof, Hofnarr, Narrenkappe! Kappe, Kappe.
Sie sind so böse.
Sie haben riesige weiße Fäuste, mit denen sie dich schlagen!
Sie züchten menschenfressende Bestien,
zu denen sie dich in den Käfig sperren.
Sie konstruieren tausendarmige elektrische Ungeheuer, die dich umarmen
und das tut so weh, tut so wahnsinnig weh! Tut so weh,
Garaus, Ausweis, weis, weiß, weiß.
Ob Schnee draußen liegt?
Der Turm
lch weiß noch genau, ich war vielleicht fünf Jahre alt,
da hab' ich mir von Mutter einen Strumpf über den Kopf gezogen,
bin damit runter zur Milchfrau und hab' gebrüllt:
"Fruchtjoghurt oder Leben!"
Sie haben mich zur Strafe den ganzen Tag in mein Zimmer
gesperrt,
haben die Vorhänge zugezogen, die Glühbirne aus der Fassung
geschraubt
und mich mit der Dunkelheit und einer Fliege,
die da irgendwo zwischen Vorhang und Fenster herumlärmte,
allein gelassen.
Ich hab' mich hing'setzt und hab' begonnen, aus meinen Träumen
einen Turm zu errichten.
Einen Turm, bis zum Himmel hoch.
Und ich und meine Freunde, der Franz, der Jakob, der Thomas und
auch die kleine Hildi,
wir zogen durch die Straßen und riefen alle Kinder der Welt
zusammen und luden sie ein,
mit uns in den Turm zu ziehen. Ja, und das taten sie dann auch.
Und wir sprachen alle die gleiche Sprache, lebten in Frieden,
waren frei und glücklich bis zum Himmel hoch, und niemand konnte
uns stören dabei,
denn vor dem großen Eingangstor war eine gewaltige,
feuerspeiende Fliege postiert,
die uns beschützte.
Und ich weiß noch genau, plötzlich polterte mein Vater ins Zimmer,
mit seinen schwarzen, schweren Schuhen, die er immer trug.
Er riß die Vorhänge auf, schraubte die Glühbirne in die Fassung,
erschlug die Fliege und rief: "Ausgeträumt mein Sohn! Raus!"
Da fiel mein Turm in sich zusammen, und alle Kinder der Welt
waren wieder,
wie auf einen Schlag, über die ganze Erde zerstreut,
und keiner verstand mehr die Sprache des anderen.
Und ich ging runter auf die Straße, traf dort den Franz, den Jakob,
den Thomas
und die kleine Hildi und erzählte ihnen meine Traumgeschichte.
Und an diesem Nachmittag beschloss der Franz, nicht
Verhaltensforscher,
sondern Ziegelhersteller, der Jakob nicht mehr Astronaut, sondern
Technischer Zeichner zu werden,
der Thomas beschloss, Architektur zu studieren, die kleine Hildi
wollte sowieso immer Maurer lernen,
und ich beschloss, ganz einfach Träumeerzähler zu werden.
Und wir schworen uns hoch und heilig: "Bald, sehr bald bauen wir
einen Turm. Einen Turm, bis zum Himmel hoch!"
Ludwig Hirsch - Dunkelgraue Lieder
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