noch mehr kleine Geschichten...
02.12.2011 um 13:00Eine denkwürdige Herbergssuche
von Eckhard Leyser
Original anzeigen (0,2 MB)
Weihnachten nahte, das Fest der Liebe und der Geburt Jesu. Für Jonas war das Weihnachtsfest einfach das Höchste. Am meisten freute er sich auf den geschmückten Weihnachtsbaum, das Licht der vielen Kerzen und den Duft von frisch gebackenem Weihnachtsgebäck.
Besonders wichtig war für ihn, dass er in diesem Jahr wieder beim Spiel der Herbergssuche mitmachen durfte. Als Viertklässler der Grundschule war dies wohl zum letzten mal, da er danach zu einer anderen Schule wechseln würde. Er spielte den Wirt bei der Herbergssuche von Maria und Josef, nicht gerade die Hauptrolle aber dennoch wichtig für die Handlung. Wochenlang hatten sie auf der Bühne des Bürgerhauses geprobt. Frau Müller, seine Klassenlehrerin, legte besonderen Wert auf gute Aussprache und ein glaubwürdiges Auftreten.
Pfarrer Lehmann hatte sie im Religionsunterricht noch einmal intensiv eingestimmt auf die besondere Situation von Maria und Joseph, die sich vor 2000 Jahren abgespielt hatte. Er zog auch Parallelen zu heute, wo immer noch auf der ganzen Welt Flüchtlinge unterwegs seien, denen niemand helfen würde. Das beeindruckte Jonas sehr, denn er kam aus seiner sehr sozial eingestellten Familie. Seine Mutter half regelmäßig bei der Bad Dürkheimer Tafel aus und verteilte Essen an Bedürftige. Sein Vater war ehrenamtlich bei der Feuerwehr Maxdorf und bei den meisten Einsätzen immer einer der Ersten am Einsatzort ohne Rücksicht auf Schlaf oder Gesundheit.
Endlich kam der 4. Adventssonntag. Pünktlich trafen Schüler und Lehrer im Bürgerhaus ein, um noch einmal zu prüfen, ob auch alles klappen würde.
Etwas später kamen nacheinander die restlichen Schüler mit ihren Lehrern hinzu. Der Saal füllte sich zusätzlich mit Eltern, Großeltern, Verwandten und Gästen. Viele hatten Kameras und Camcorder dabei, um das Ereignis festzuhalten. Die Stimmung war aufgeregt und von angespannter Erwartung geprägt.
Die Gespräche schwollen zu einem immer stärkeren Summen an, weil sich die Menschen so viel zu sagen hatten. Viele winkten ihren Kindern auf der Bühne zu, um zu zeigen, dass sie sich auf die Vorführung freuten. Auch Jonas Eltern waren erschienen.
Endlich bat die Schuldirektorin Frau Beckmann energisch um Ruhe. Sie begrüßte alle Gäste und bat Frau Müller, mit dem Stück zu beginnen. Die Bühne war herrlich geschmückt mit Bäumen, Kerzen, Weihnachtssternen und einer bunten Häuserkulisse. Blickfang war im Schatten eines stattlichen Weihnachtsbaumes ein heimeliger Stall mit Kindern, die sich als Ochsen, Esel und Schafe verkleidet hatten. In der Mitte stand eine kleine hölzerne Krippe. Als erstes sang der Kinderchor.
Teresa schilderte anschließend zur Einstimmung aus dem Lukas-Evangelium, in welcher Notlage Maria und Joseph sich damals befanden. Maria war hochschwanger und die Stadt völlig überfüllt. Anna spielte die verzweifelte Maria und Sven den überaus besorgten Joseph. „Wie geht es Dir Maria?“ fragte er mit eindringlichem Blick auf sein Weib, die ihm antwortete „Ich kann nicht mehr lange, Joseph. Komm wir versuchen, eine Unterkunft zu finden.“ Als erstes klopften sie an die Tür des Schmiedes. Patrick, der den Schmied darstellte, öffnete die Tür und stellte sich breitbeinig davor. Er hatte ein geschwärztes Gesicht und zeigte eine grimmige Miene. In der Hand hielt er einen großen Hammer. „Was wollte ihr denn mitten in der Nacht“ fragte er mit lauter und drohender Stimme. „Oh Herr“, bat Joseph mit weicher Stimme, „mein Weib ist hochschwanger. Wir suchen eine Bleibe nur für eine Nacht. Habt Erbarmen mit uns!“. „Ich habe für Gesindel wie euch keinen Platz! Macht, dass ihr wegkommt!“ Sprach’s und schlug die Tür so fest zu, dass ein Baum aus der Dekoration umfiel. Einige Kinder aus dem Publikum lachten, doch Jonas war erschrocken über so viel Herzlosigkeit. Er hatte zwar die Szene schon oft in den Proben erlebt, doch es ging ihm immer noch sehr an sein weiches Gemüt. Der Kinderchor sang ein kleines Lied über die Herbergssuche während sich Maria und Joseph zum nächsten Haus aufmachten.
Dieses mal klopften sie beim Bäcker, der von Lukas gespielt wurde. Er war ganz weiß angezogen und staubig vom Mehl. „Wer stört mich mitten in der Nacht“ polterte er „Ich muss Brot backen für die vielen hungrigen Mäuler!“. „Habt Erbarmen, Herr“ jammerte Joseph. „Mein Weib kommt heute Nacht nieder und wir haben keine Unterkunft!“ „Mit mir hat auch niemand Erbarmen“ entgegnete der Bäcker schroff. Schafft euch fort, sonst lasse ich die Hunde los!“ Maria und Joseph zuckten zusammen und hielten sich an den Händen, als wenn sie sich gegenseitig schützen wollten.
Wieder sang der Kinderchor eine Strophe. Nun begaben sich Maria und Joseph zum dritten und letzten Haus, das von Jonas besetzt war. Er spielte den Wirt und sah sehr glaubwürdig aus mit seiner speckigen Schürze und dem Küchentuch über der Schulter. „Wir sind ganz verzweifelt und am Ende, gebt uns doch ein Obdach nur für eine Nacht!“ sprach Joseph und sah Jonas eindringlich an. Maria hielt ihren Leib und lehnte sich an Joseph. Jonas traute seinen Augen nicht. Maria weinte sogar und vergoss dicke Tränen, die ihre Wangen herunter liefen.
Jonas spürte, wie sich sein Magen verkrampfte und seine Hände zitterten. Er wusste, dass er nun als erstes sagen musste: Schert euch weg, ihr Lumpenpack! Ihr habt mit gerade noch gefehlt. Kein Geld, die Frau hochschwanger und dann noch unverschämt werden! Danach sollte er sie in den Stall verweisen, wo sie zwischen den Tieren nächtigen sollten. Doch er brachte kein Wort heraus. Frau Müller, seine Lehrerin, hatte das Buch mit dem Text vor sich und formte mit ihren Lippen unhörbare Worte. Die anderen Kinder zischten und flüsterten ihm den Text zu, doch Jonas wollte nicht. Er spürte, dass hier etwas Entscheidendes passierte.
Er spürte wie ihm sein Herz bis zum Halse schlug. Doch er holte tief Luft und sagte laut und deutlich: „Nein, ich werde euch nicht abweisen. Es kann nicht sein, dass unser lieber Heiland in einem Stall zur Welt kommen muss. Bitte nehmt mein Zimmer und mein Bett. Mein Weib und ich können uns für eine Nacht behelfen. Ich will dafür sorgen, dass es euch an nichts fehlt!“ Sprach’s, machte die Tür weit auf und umarmte dass Paar.
Maria und Joseph waren sichtlich perplex, ließen sich aber umarmen und standen schließlich verwirrt da angesichts dieser außergewöhnlichen Entwicklung. Sie schauten zu Frau Müller, die mit offenem Mund und kerzengerade aufgerichtet auf ihrem Regieplatz saß. Die anderen Kinder auf der Bühne waren ebenfalls sprachlos. Die verkleideten Ochsen, Esel und Schafe kamen aus ihrem Stall, um Jonas mit Maria und Joseph zu sehen. Die Engel, die Hirten und der Chor schlossen sich an. Alle Besucher im Saal waren aufgestanden. Schließlich löste sich die Spannung und Applaus kam auf, der sich schnell zu einer ohrenbetäubenden Ovation mit Bravo-Rufen steigerte.
Die Schuldirektorin betrat die Bühne und wartete, bis der Applaus abebbte. Sie meinte, dass heute etwas ganz Besonderes geschehen sei. Jonas sei offenbar so ergriffen gewesen, dass er die Bitte von Maria und Joseph nicht abschlagen konnte. „Stimmt’s Jonas? Jonas antwortete, noch ganz benommen von der Situation: „Ich konnte einfach nicht mehr nein sagen, es tut mir leid.“
„Aber nein“, meinte die Direktorin und strich Joans sanft über das Haar. „Das muss dir nicht leid tun. Dein Beispiel sollte uns vielmehr zu denken geben, dass auch heute Mitleid viel zu selten vorkommt und der Egoismus die Oberhand behält. Nehmen wir uns Jonas zum Vorbild und hören wir mehr auf unser Herz! Ich danke allen Mitwirkenden und wünsche Ihnen nun Fröhliche Weihnachten und ein gutes neues Jahr!“
Lang anhaltender Beifall folgte. Jonas wurde von einigen Vätern auf die Schultern genommen und im Triumphzug von der Bühne getragen. Sein Vater klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Seine Mutter umarmte und küsste ihn.
Aber auch im Publikum zeigte sich eine sonderbare Verwandlung. Fast alle Menschen gaben sich spontan die Hand und wünschten sich gegenseitig fröhliche Weihnachten. Manche umarmten sich sogar.
Am nächsten Tag waren die Zeitungen voll von dieser denkwürdigen Herbergssuche. Viele Pfarrer gingen auf dieses Ereignis in ihren Weihnachtspredigten ein und appellierten für mehr Nächstenliebe unter den Menschen.
Jonas studierte übrigens später Pädagogik und ging nach Afrika als Entwicklungshelfer, wo er seine Bestimmung fand.
************************************************************
DER WEIHNACHTSBAUM vom WEIHNACHTSMANN
Der Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war ärgerlich. Sein weisser Spitz, der sonst immer lustig bellend vor ihm herlief, merkte das und schlich hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her.
Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an seiner Tätigkeit. Es war alle Jahre dasselbe. Es war kein Schwung in der Sache. Spielzeug und Esswaren, das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich wohl darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und singen, so wollte er es, das taten sie aber nur selten.
Den ganzen Dezembermonat hatte der Weihnachtsmann schon darüber nachgegrübelt, was er wohl Neues erfinden könne, um einmal wieder eine rechte Weihnachtsfreude in die Kinderwelt zu bringen, eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen teilnehmen würden. Kostbarkeiten durften es auch nicht sein, denn er hatte so und soviel auszugeben und mehr nicht.
So stapfte er denn auch durch den verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzweg war. Dort wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet er sich nämlich immer über die Verteilung der Gaben.
Schon von weitem sah er, dass das Christkindchen da war, denn ein heller Schein war dort. Das Christkindchen hatte ein langes weißes Pelzkleidchen an und lachte über das ganze Gesicht. Denn um es herum lagen große Bündel Kleeheu und Bohnenstiegen und Espen- und Weidenzweige, und daran taten sich die hungrigen Hirsche und Rehe und Hasen gütlich. Sogar für die Sauen gab es etwas: Kastanien, Eicheln und Rüben.
Der Weihnachtsmann nahm seinen Wolkenschieber ab und bot dem Christkindchen die Tageszeit. „Na, Alterchen, wie geht's?“ fragte das Christkind. „Hast wohl schlechte Laune?“ Damit hakte es den Alten unter und ging mit ihm. Hinter ihnen trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht mehr betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die Luft.
„Ja“, sagte der Weihnachtsmann, „die ganze Sache macht mir so recht keinen Spaß mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich weiß
nicht. Das mit den Pfefferkuchen und den Äpfeln und Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf, und dann ist das Fest vorbei. Man müsste etwas Neues erfinden, etwas, das nicht zum Essen und nicht zum Spielen ist, aber wobei alt und jung singt und lacht und fröhlich wird.“
Das Christkindchen nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht; dann sagte es: „Da hast du recht, Alter, mir ist das auch schon aufgefallen. Ich habe daran auch schon gedacht, aber das ist nicht so leicht.“
„Das ist es ja gerade“, knurrte der Weihnachtsmann, „ich bin zu alt und zu dumm dazu. Ich habe schon richtiges Kopfweh vom vielen Nachdenken, und es fällt mir doch nichts Vernünftiges ein. Wenn es so weitergeht, schläft allmählich die ganze Sache ein, und es wird ein Fest wie alle anderen, von dem die Menschen dann weiter nichts haben als Faulenzen, Essen und Trinken.“
Nachdenklich gingen beide durch den weißen Winterwald, der Weihnachtsmann mit brummigem, das Christkindchen mit nachdenklichem Gesicht. Es war so still im Wald, kein Zweig rührte sich, nur wenn die Eule sich auf einen Ast setzte, fiel ein Stück Schneebehang mit halblautem Ton herab. So kamen die beiden, den Spitz hinter sich, aus dem hohen Holz auf einen alten Kahlschlag, auf dem großeund kleine Tannen standen. Das sah wunderschön aus. Der Mond schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der Schnee sah aus wie Silber, und die Tannen standen darin, schwarz und weiß es eine Pracht war. Eine fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrund stand, sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig gewachsen, hatte auf jedem Zweig einen Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine Eiszapfen, und glitzerte und flimmerte nur so im Mondenschein.
Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmannes los, stieß den Alten an, zeigte auf die Tanne und sagte: „Ist das nicht wunderhübsch?“
„Ja“, sagte der Alte, „aber was hilft mir das ?“
„Gib ein paar Äpfel her“, sagte das Christkindchen, „ich habe einen Gedanken.“
Der Weihnachtsmann machte ein dummes Gesicht, denn er konnte es sich nicht recht vorstellen, dass das Christkind bei der Kälte Appetit auf die eiskalten Äpfel hatte. Er hatte zwar noch einen guten alten Schnaps, aber den mochte er dem Christkindchen nicht anbieten.
Er machte sein Tragband ab, stellte seine riesige Kiepe in den Schnee, kramte darin herum und langte ein paar recht schöne Äpfel heraus. Dann fasste er in die Tasche, holte sein Messer heraus, wetzte es an einem Buchenstamm und reichte es dem Christkindchen.
„Sieh, wie schlau du bist“, sagte das Christkindchen. „Nun schneid mal etwas Bindfaden in zwei Finger lange Stücke, und mach mir kleine Pflöckchen.“
Dem Alten kam das alles etwas ulkig vor, aber er sagte nichts und tat, was das Christkind ihm sagte. Als er die Bindfaden Enden und die Pflöckchen fertig hatte, nahm das Christkind einen Apfel, steckte ein Pflöckchen hinein, band den Faden daran und hängte den an einen Ast.
„So“, sagte es dann, „nun müssen auch an die anderen welche, und dabei kannst du helfen, aber vorsichtig, dass kein Schnee abfällt!“
Der Alte half, obgleich er nicht wusste, warum. Aber es machte ihm schließlich Spaß , und als die ganze kleine Tanne voll von rotbäckigen Äpfeln hing, da trat er fünf Schritte zurück, lachte und sagte; „Kiek, wie niedlich das aussieht! Aber was hat das alles für'n Zweck?“
„Braucht denn alles gleich einen Zweck zu haben?“ lachte das Christkind. „Pass auf, das wird noch schöner. Nun gib mal Nüsse her!“
Der Alte krabbelte aus seiner Kiepe Walnüsse heraus und gab sie dem Christkindchen. Das steckte in jedes ein Hölzchen, machte einen Faden daran, rieb immer eine Nuss an der goldenen Oberseite seiner Flügel, dann war die Nuss golden, und die nächste an der silbernen Unterseite seiner Flügel, dann hatte es eine silberne Nuss und hängte sie zwischen die Äpfel.
„Was sagst nun, Alterchen?“ fragte es dann. „Ist das nicht allerliebst?“
„Ja“, sagte der, „aber ich weiß immer noch nicht...“
„Komm schon!“ lachte das Christkindchen. „Hast du Lichter?“
„Lichter nicht“, meinte der Weihnachtsmann, „aber 'nen Wachsstock!“
„Das ist fein“, sagte das Christkind, nahm den Wachsstock, zerschnitt ihn und drehte erst ein Stück um den Mitteltrieb des Bäumchens und die anderen Stücke um die Zweigenden, bog sie hübsch gerade und sagte dann; „Feuerzeug hast du doch?“
„Gewiss “, sagte der Alte, holte Stein, Stahl und Schwammdose heraus, pinkte Feuer aus dem Stein, ließ den Zunder in der Schwammdose zum Glimmen kommen und steckte daran ein paar Schwefelspäne an. Die gab er dem Christkindchen. Das nahm einen hell brennenden Schwefelspan und steckte damit erst das oberste Licht an, dann das nächste davon rechts, dann das gegenüberliegende. Und rund um das Bäumchen gehend, brachte es so ein Licht nach dem andern zum Brennen.
Da stand nun das Bäumchen im Schnee; aus seinem halbverschneiten, dunklen Gezweig sahen die roten Backen der Äpfel, die Gold- und Silbernüsse blitzten und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten feierlich. Das Christkindchen lachte über das ganze rosige Gesicht und patschte in die Hände, der alte Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und der kleine Spitz sprang hin und her und bellte.
Als die Lichter ein wenig heruntergebrannt waren, wehte das Christkindchen mit seinen goldsilbernen Flügeln, und da gingen die Lichter aus. Es sagte dem Weihnachtsmann, er solle das Bäumchen vorsichtig absägen. Das tat der, und dann gingen beide den Berg hinab und nahmen das bunte Bäumchen mit.
Als sie in den Ort kamen, schlief schon alles. Beim kleinsten Hause machten die beiden halt. Das Christkindchen machte leise die Tür auf und trat ein; der Weihnachtsmann ging hinterher. In der Stube stand ein dreibeiniger Schemel mit einer durchlochten Platte. Den stellten sie auf den Tisch und steckten den Baum hinein. Der Weihnachtsmann legte dann noch allerlei schöne Dinge, Spielzeug, Kuchen, Äpfel und Nüsse unter den Baum, und dann verließen beide das Haus so leise, wie sie es betreten hatten.
Als der Mann, dem das Häuschen gehörte, am andern Morgen erwachte und den bunten Baum sah, da staunte er und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Als er aber an dem Türpfosten, den des Christkinds Flügel gestreift hatte, Gold- und Silberflimmer hängen sah, da wusste er Bescheid. Er steckte die Lichter an dem Bäumchen an und weckte Frau und Kinder. Das war eine Freude in dem kleinen Haus wie an keinem Weihnachtstag. Keines von den Kindern sah nach dem Spielzeug, nach dem Kuchen und den Äpfeln, sie sahen nur alle nach dem Lichterbaum. Sie fassten sich an den Händen, tanzten um den Baum und sangen alle Weihnachtslieder, die sie wussten, und selbst das Kleinste, das noch auf dem Arm getragen wurde, krähte, was es krähen konnte.
Als es hell lichter Tag geworden war, da kamen die Freunde und Verwandten des Bergmanns, sahen sich das Bäumchen an, freuten sich darüber und gingen gleich in den Wald, um sich für ihre Kinder auch ein Weihnachtsbäumchen zu holen. Die anderen Leute, die das sahen, machten es nach, jeder holte sich einen Tannenbaum und putzte ihn an, der eine so, der andere so, aber Lichter, Äpfel und Nüsse hängten sie alle daran.
Als es dann Abend wurde, brannte im ganzen Dorf Haus bei Haus ein Weihnachtsbaum, überall hörte man Weihnachtslieder und das Jubeln und Lachen der Kinder.
Von da aus ist der Weihnachtsbaum über ganz Deutschland gewandert und von da über die ganze Erde. Weil aber der erste Weihnachtsbaum am Morgen brannte, so wird in manchen Gegenden den Kindern morgens beschert.
von Eckhard Leyser
Original anzeigen (0,2 MB)
Weihnachten nahte, das Fest der Liebe und der Geburt Jesu. Für Jonas war das Weihnachtsfest einfach das Höchste. Am meisten freute er sich auf den geschmückten Weihnachtsbaum, das Licht der vielen Kerzen und den Duft von frisch gebackenem Weihnachtsgebäck.
Besonders wichtig war für ihn, dass er in diesem Jahr wieder beim Spiel der Herbergssuche mitmachen durfte. Als Viertklässler der Grundschule war dies wohl zum letzten mal, da er danach zu einer anderen Schule wechseln würde. Er spielte den Wirt bei der Herbergssuche von Maria und Josef, nicht gerade die Hauptrolle aber dennoch wichtig für die Handlung. Wochenlang hatten sie auf der Bühne des Bürgerhauses geprobt. Frau Müller, seine Klassenlehrerin, legte besonderen Wert auf gute Aussprache und ein glaubwürdiges Auftreten.
Pfarrer Lehmann hatte sie im Religionsunterricht noch einmal intensiv eingestimmt auf die besondere Situation von Maria und Joseph, die sich vor 2000 Jahren abgespielt hatte. Er zog auch Parallelen zu heute, wo immer noch auf der ganzen Welt Flüchtlinge unterwegs seien, denen niemand helfen würde. Das beeindruckte Jonas sehr, denn er kam aus seiner sehr sozial eingestellten Familie. Seine Mutter half regelmäßig bei der Bad Dürkheimer Tafel aus und verteilte Essen an Bedürftige. Sein Vater war ehrenamtlich bei der Feuerwehr Maxdorf und bei den meisten Einsätzen immer einer der Ersten am Einsatzort ohne Rücksicht auf Schlaf oder Gesundheit.
Endlich kam der 4. Adventssonntag. Pünktlich trafen Schüler und Lehrer im Bürgerhaus ein, um noch einmal zu prüfen, ob auch alles klappen würde.
Etwas später kamen nacheinander die restlichen Schüler mit ihren Lehrern hinzu. Der Saal füllte sich zusätzlich mit Eltern, Großeltern, Verwandten und Gästen. Viele hatten Kameras und Camcorder dabei, um das Ereignis festzuhalten. Die Stimmung war aufgeregt und von angespannter Erwartung geprägt.
Die Gespräche schwollen zu einem immer stärkeren Summen an, weil sich die Menschen so viel zu sagen hatten. Viele winkten ihren Kindern auf der Bühne zu, um zu zeigen, dass sie sich auf die Vorführung freuten. Auch Jonas Eltern waren erschienen.
Endlich bat die Schuldirektorin Frau Beckmann energisch um Ruhe. Sie begrüßte alle Gäste und bat Frau Müller, mit dem Stück zu beginnen. Die Bühne war herrlich geschmückt mit Bäumen, Kerzen, Weihnachtssternen und einer bunten Häuserkulisse. Blickfang war im Schatten eines stattlichen Weihnachtsbaumes ein heimeliger Stall mit Kindern, die sich als Ochsen, Esel und Schafe verkleidet hatten. In der Mitte stand eine kleine hölzerne Krippe. Als erstes sang der Kinderchor.
Teresa schilderte anschließend zur Einstimmung aus dem Lukas-Evangelium, in welcher Notlage Maria und Joseph sich damals befanden. Maria war hochschwanger und die Stadt völlig überfüllt. Anna spielte die verzweifelte Maria und Sven den überaus besorgten Joseph. „Wie geht es Dir Maria?“ fragte er mit eindringlichem Blick auf sein Weib, die ihm antwortete „Ich kann nicht mehr lange, Joseph. Komm wir versuchen, eine Unterkunft zu finden.“ Als erstes klopften sie an die Tür des Schmiedes. Patrick, der den Schmied darstellte, öffnete die Tür und stellte sich breitbeinig davor. Er hatte ein geschwärztes Gesicht und zeigte eine grimmige Miene. In der Hand hielt er einen großen Hammer. „Was wollte ihr denn mitten in der Nacht“ fragte er mit lauter und drohender Stimme. „Oh Herr“, bat Joseph mit weicher Stimme, „mein Weib ist hochschwanger. Wir suchen eine Bleibe nur für eine Nacht. Habt Erbarmen mit uns!“. „Ich habe für Gesindel wie euch keinen Platz! Macht, dass ihr wegkommt!“ Sprach’s und schlug die Tür so fest zu, dass ein Baum aus der Dekoration umfiel. Einige Kinder aus dem Publikum lachten, doch Jonas war erschrocken über so viel Herzlosigkeit. Er hatte zwar die Szene schon oft in den Proben erlebt, doch es ging ihm immer noch sehr an sein weiches Gemüt. Der Kinderchor sang ein kleines Lied über die Herbergssuche während sich Maria und Joseph zum nächsten Haus aufmachten.
Dieses mal klopften sie beim Bäcker, der von Lukas gespielt wurde. Er war ganz weiß angezogen und staubig vom Mehl. „Wer stört mich mitten in der Nacht“ polterte er „Ich muss Brot backen für die vielen hungrigen Mäuler!“. „Habt Erbarmen, Herr“ jammerte Joseph. „Mein Weib kommt heute Nacht nieder und wir haben keine Unterkunft!“ „Mit mir hat auch niemand Erbarmen“ entgegnete der Bäcker schroff. Schafft euch fort, sonst lasse ich die Hunde los!“ Maria und Joseph zuckten zusammen und hielten sich an den Händen, als wenn sie sich gegenseitig schützen wollten.
Wieder sang der Kinderchor eine Strophe. Nun begaben sich Maria und Joseph zum dritten und letzten Haus, das von Jonas besetzt war. Er spielte den Wirt und sah sehr glaubwürdig aus mit seiner speckigen Schürze und dem Küchentuch über der Schulter. „Wir sind ganz verzweifelt und am Ende, gebt uns doch ein Obdach nur für eine Nacht!“ sprach Joseph und sah Jonas eindringlich an. Maria hielt ihren Leib und lehnte sich an Joseph. Jonas traute seinen Augen nicht. Maria weinte sogar und vergoss dicke Tränen, die ihre Wangen herunter liefen.
Jonas spürte, wie sich sein Magen verkrampfte und seine Hände zitterten. Er wusste, dass er nun als erstes sagen musste: Schert euch weg, ihr Lumpenpack! Ihr habt mit gerade noch gefehlt. Kein Geld, die Frau hochschwanger und dann noch unverschämt werden! Danach sollte er sie in den Stall verweisen, wo sie zwischen den Tieren nächtigen sollten. Doch er brachte kein Wort heraus. Frau Müller, seine Lehrerin, hatte das Buch mit dem Text vor sich und formte mit ihren Lippen unhörbare Worte. Die anderen Kinder zischten und flüsterten ihm den Text zu, doch Jonas wollte nicht. Er spürte, dass hier etwas Entscheidendes passierte.
Er spürte wie ihm sein Herz bis zum Halse schlug. Doch er holte tief Luft und sagte laut und deutlich: „Nein, ich werde euch nicht abweisen. Es kann nicht sein, dass unser lieber Heiland in einem Stall zur Welt kommen muss. Bitte nehmt mein Zimmer und mein Bett. Mein Weib und ich können uns für eine Nacht behelfen. Ich will dafür sorgen, dass es euch an nichts fehlt!“ Sprach’s, machte die Tür weit auf und umarmte dass Paar.
Maria und Joseph waren sichtlich perplex, ließen sich aber umarmen und standen schließlich verwirrt da angesichts dieser außergewöhnlichen Entwicklung. Sie schauten zu Frau Müller, die mit offenem Mund und kerzengerade aufgerichtet auf ihrem Regieplatz saß. Die anderen Kinder auf der Bühne waren ebenfalls sprachlos. Die verkleideten Ochsen, Esel und Schafe kamen aus ihrem Stall, um Jonas mit Maria und Joseph zu sehen. Die Engel, die Hirten und der Chor schlossen sich an. Alle Besucher im Saal waren aufgestanden. Schließlich löste sich die Spannung und Applaus kam auf, der sich schnell zu einer ohrenbetäubenden Ovation mit Bravo-Rufen steigerte.
Die Schuldirektorin betrat die Bühne und wartete, bis der Applaus abebbte. Sie meinte, dass heute etwas ganz Besonderes geschehen sei. Jonas sei offenbar so ergriffen gewesen, dass er die Bitte von Maria und Joseph nicht abschlagen konnte. „Stimmt’s Jonas? Jonas antwortete, noch ganz benommen von der Situation: „Ich konnte einfach nicht mehr nein sagen, es tut mir leid.“
„Aber nein“, meinte die Direktorin und strich Joans sanft über das Haar. „Das muss dir nicht leid tun. Dein Beispiel sollte uns vielmehr zu denken geben, dass auch heute Mitleid viel zu selten vorkommt und der Egoismus die Oberhand behält. Nehmen wir uns Jonas zum Vorbild und hören wir mehr auf unser Herz! Ich danke allen Mitwirkenden und wünsche Ihnen nun Fröhliche Weihnachten und ein gutes neues Jahr!“
Lang anhaltender Beifall folgte. Jonas wurde von einigen Vätern auf die Schultern genommen und im Triumphzug von der Bühne getragen. Sein Vater klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Seine Mutter umarmte und küsste ihn.
Aber auch im Publikum zeigte sich eine sonderbare Verwandlung. Fast alle Menschen gaben sich spontan die Hand und wünschten sich gegenseitig fröhliche Weihnachten. Manche umarmten sich sogar.
Am nächsten Tag waren die Zeitungen voll von dieser denkwürdigen Herbergssuche. Viele Pfarrer gingen auf dieses Ereignis in ihren Weihnachtspredigten ein und appellierten für mehr Nächstenliebe unter den Menschen.
Jonas studierte übrigens später Pädagogik und ging nach Afrika als Entwicklungshelfer, wo er seine Bestimmung fand.
************************************************************
DER WEIHNACHTSBAUM vom WEIHNACHTSMANN
Der Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war ärgerlich. Sein weisser Spitz, der sonst immer lustig bellend vor ihm herlief, merkte das und schlich hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her.
Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an seiner Tätigkeit. Es war alle Jahre dasselbe. Es war kein Schwung in der Sache. Spielzeug und Esswaren, das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich wohl darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und singen, so wollte er es, das taten sie aber nur selten.
Den ganzen Dezembermonat hatte der Weihnachtsmann schon darüber nachgegrübelt, was er wohl Neues erfinden könne, um einmal wieder eine rechte Weihnachtsfreude in die Kinderwelt zu bringen, eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen teilnehmen würden. Kostbarkeiten durften es auch nicht sein, denn er hatte so und soviel auszugeben und mehr nicht.
So stapfte er denn auch durch den verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzweg war. Dort wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet er sich nämlich immer über die Verteilung der Gaben.
Schon von weitem sah er, dass das Christkindchen da war, denn ein heller Schein war dort. Das Christkindchen hatte ein langes weißes Pelzkleidchen an und lachte über das ganze Gesicht. Denn um es herum lagen große Bündel Kleeheu und Bohnenstiegen und Espen- und Weidenzweige, und daran taten sich die hungrigen Hirsche und Rehe und Hasen gütlich. Sogar für die Sauen gab es etwas: Kastanien, Eicheln und Rüben.
Der Weihnachtsmann nahm seinen Wolkenschieber ab und bot dem Christkindchen die Tageszeit. „Na, Alterchen, wie geht's?“ fragte das Christkind. „Hast wohl schlechte Laune?“ Damit hakte es den Alten unter und ging mit ihm. Hinter ihnen trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht mehr betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die Luft.
„Ja“, sagte der Weihnachtsmann, „die ganze Sache macht mir so recht keinen Spaß mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich weiß
nicht. Das mit den Pfefferkuchen und den Äpfeln und Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf, und dann ist das Fest vorbei. Man müsste etwas Neues erfinden, etwas, das nicht zum Essen und nicht zum Spielen ist, aber wobei alt und jung singt und lacht und fröhlich wird.“
Das Christkindchen nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht; dann sagte es: „Da hast du recht, Alter, mir ist das auch schon aufgefallen. Ich habe daran auch schon gedacht, aber das ist nicht so leicht.“
„Das ist es ja gerade“, knurrte der Weihnachtsmann, „ich bin zu alt und zu dumm dazu. Ich habe schon richtiges Kopfweh vom vielen Nachdenken, und es fällt mir doch nichts Vernünftiges ein. Wenn es so weitergeht, schläft allmählich die ganze Sache ein, und es wird ein Fest wie alle anderen, von dem die Menschen dann weiter nichts haben als Faulenzen, Essen und Trinken.“
Nachdenklich gingen beide durch den weißen Winterwald, der Weihnachtsmann mit brummigem, das Christkindchen mit nachdenklichem Gesicht. Es war so still im Wald, kein Zweig rührte sich, nur wenn die Eule sich auf einen Ast setzte, fiel ein Stück Schneebehang mit halblautem Ton herab. So kamen die beiden, den Spitz hinter sich, aus dem hohen Holz auf einen alten Kahlschlag, auf dem großeund kleine Tannen standen. Das sah wunderschön aus. Der Mond schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der Schnee sah aus wie Silber, und die Tannen standen darin, schwarz und weiß es eine Pracht war. Eine fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrund stand, sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig gewachsen, hatte auf jedem Zweig einen Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine Eiszapfen, und glitzerte und flimmerte nur so im Mondenschein.
Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmannes los, stieß den Alten an, zeigte auf die Tanne und sagte: „Ist das nicht wunderhübsch?“
„Ja“, sagte der Alte, „aber was hilft mir das ?“
„Gib ein paar Äpfel her“, sagte das Christkindchen, „ich habe einen Gedanken.“
Der Weihnachtsmann machte ein dummes Gesicht, denn er konnte es sich nicht recht vorstellen, dass das Christkind bei der Kälte Appetit auf die eiskalten Äpfel hatte. Er hatte zwar noch einen guten alten Schnaps, aber den mochte er dem Christkindchen nicht anbieten.
Er machte sein Tragband ab, stellte seine riesige Kiepe in den Schnee, kramte darin herum und langte ein paar recht schöne Äpfel heraus. Dann fasste er in die Tasche, holte sein Messer heraus, wetzte es an einem Buchenstamm und reichte es dem Christkindchen.
„Sieh, wie schlau du bist“, sagte das Christkindchen. „Nun schneid mal etwas Bindfaden in zwei Finger lange Stücke, und mach mir kleine Pflöckchen.“
Dem Alten kam das alles etwas ulkig vor, aber er sagte nichts und tat, was das Christkind ihm sagte. Als er die Bindfaden Enden und die Pflöckchen fertig hatte, nahm das Christkind einen Apfel, steckte ein Pflöckchen hinein, band den Faden daran und hängte den an einen Ast.
„So“, sagte es dann, „nun müssen auch an die anderen welche, und dabei kannst du helfen, aber vorsichtig, dass kein Schnee abfällt!“
Der Alte half, obgleich er nicht wusste, warum. Aber es machte ihm schließlich Spaß , und als die ganze kleine Tanne voll von rotbäckigen Äpfeln hing, da trat er fünf Schritte zurück, lachte und sagte; „Kiek, wie niedlich das aussieht! Aber was hat das alles für'n Zweck?“
„Braucht denn alles gleich einen Zweck zu haben?“ lachte das Christkind. „Pass auf, das wird noch schöner. Nun gib mal Nüsse her!“
Der Alte krabbelte aus seiner Kiepe Walnüsse heraus und gab sie dem Christkindchen. Das steckte in jedes ein Hölzchen, machte einen Faden daran, rieb immer eine Nuss an der goldenen Oberseite seiner Flügel, dann war die Nuss golden, und die nächste an der silbernen Unterseite seiner Flügel, dann hatte es eine silberne Nuss und hängte sie zwischen die Äpfel.
„Was sagst nun, Alterchen?“ fragte es dann. „Ist das nicht allerliebst?“
„Ja“, sagte der, „aber ich weiß immer noch nicht...“
„Komm schon!“ lachte das Christkindchen. „Hast du Lichter?“
„Lichter nicht“, meinte der Weihnachtsmann, „aber 'nen Wachsstock!“
„Das ist fein“, sagte das Christkind, nahm den Wachsstock, zerschnitt ihn und drehte erst ein Stück um den Mitteltrieb des Bäumchens und die anderen Stücke um die Zweigenden, bog sie hübsch gerade und sagte dann; „Feuerzeug hast du doch?“
„Gewiss “, sagte der Alte, holte Stein, Stahl und Schwammdose heraus, pinkte Feuer aus dem Stein, ließ den Zunder in der Schwammdose zum Glimmen kommen und steckte daran ein paar Schwefelspäne an. Die gab er dem Christkindchen. Das nahm einen hell brennenden Schwefelspan und steckte damit erst das oberste Licht an, dann das nächste davon rechts, dann das gegenüberliegende. Und rund um das Bäumchen gehend, brachte es so ein Licht nach dem andern zum Brennen.
Da stand nun das Bäumchen im Schnee; aus seinem halbverschneiten, dunklen Gezweig sahen die roten Backen der Äpfel, die Gold- und Silbernüsse blitzten und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten feierlich. Das Christkindchen lachte über das ganze rosige Gesicht und patschte in die Hände, der alte Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und der kleine Spitz sprang hin und her und bellte.
Als die Lichter ein wenig heruntergebrannt waren, wehte das Christkindchen mit seinen goldsilbernen Flügeln, und da gingen die Lichter aus. Es sagte dem Weihnachtsmann, er solle das Bäumchen vorsichtig absägen. Das tat der, und dann gingen beide den Berg hinab und nahmen das bunte Bäumchen mit.
Als sie in den Ort kamen, schlief schon alles. Beim kleinsten Hause machten die beiden halt. Das Christkindchen machte leise die Tür auf und trat ein; der Weihnachtsmann ging hinterher. In der Stube stand ein dreibeiniger Schemel mit einer durchlochten Platte. Den stellten sie auf den Tisch und steckten den Baum hinein. Der Weihnachtsmann legte dann noch allerlei schöne Dinge, Spielzeug, Kuchen, Äpfel und Nüsse unter den Baum, und dann verließen beide das Haus so leise, wie sie es betreten hatten.
Als der Mann, dem das Häuschen gehörte, am andern Morgen erwachte und den bunten Baum sah, da staunte er und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Als er aber an dem Türpfosten, den des Christkinds Flügel gestreift hatte, Gold- und Silberflimmer hängen sah, da wusste er Bescheid. Er steckte die Lichter an dem Bäumchen an und weckte Frau und Kinder. Das war eine Freude in dem kleinen Haus wie an keinem Weihnachtstag. Keines von den Kindern sah nach dem Spielzeug, nach dem Kuchen und den Äpfeln, sie sahen nur alle nach dem Lichterbaum. Sie fassten sich an den Händen, tanzten um den Baum und sangen alle Weihnachtslieder, die sie wussten, und selbst das Kleinste, das noch auf dem Arm getragen wurde, krähte, was es krähen konnte.
Als es hell lichter Tag geworden war, da kamen die Freunde und Verwandten des Bergmanns, sahen sich das Bäumchen an, freuten sich darüber und gingen gleich in den Wald, um sich für ihre Kinder auch ein Weihnachtsbäumchen zu holen. Die anderen Leute, die das sahen, machten es nach, jeder holte sich einen Tannenbaum und putzte ihn an, der eine so, der andere so, aber Lichter, Äpfel und Nüsse hängten sie alle daran.
Als es dann Abend wurde, brannte im ganzen Dorf Haus bei Haus ein Weihnachtsbaum, überall hörte man Weihnachtslieder und das Jubeln und Lachen der Kinder.
Von da aus ist der Weihnachtsbaum über ganz Deutschland gewandert und von da über die ganze Erde. Weil aber der erste Weihnachtsbaum am Morgen brannte, so wird in manchen Gegenden den Kindern morgens beschert.