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Tschernobyl: Neuer Sarg für den Teufel
14.07.2011 um 08:22Zur Sanierung soll über dem Katastrophenreaktor eine riesige Halle errichtet werden – ein Milliardenauftrag für die westliche Industrie
Wehe, wenn sich „Jelena“ rührt. Dann kann sie Dutzende unter sich begraben, Hunderte in den Strahlentod reißen und Tausende mit radioaktivem Staub verseuchen. „Jelena“ ist der 2000 Tonnen schwere Betondeckel des Reaktorkerns von Tschernobyl.
Die Arbeiter im Katastrophenreaktor gaben dem massiven Betonklotz, der beim Unglück am 26. April 1986 in die Luft geschleudert wurde und seither schräg verkeilt in der morschen Halle hängt, den Namen einer Frau. „Weil das Ding den typischen Charakter einer Frau hat: Man weiß nie, was sie macht“, erzählen sie.
Tschernobyl im Frühjahr 1993: Von außen ist der geborstene Meiler mit rostigen Stahlplatten notdürftig abgedeckt. Der 300 000 Tonnen schwere, kurz nach dem Unglück errichtete Sarg (auch Sarkophag genannt), ist undicht. Westliche Sicherheitsexperten schätzen, daß die Außenhaut auf einer Gesamtfläche von etwa 1000 Quadratmetern leck ist.
Das Innere bietet einen schaurigen Anblick: In der völlig zerstörten Reaktorhalle türmen sich Hunderte Tonnen von Schutt, verrottete und zerbrochene Stahlbetonträger und versengte Einbauten: Betreten lebensgefährlich! Brennstoffhaltiger Staub wird mit jedem Windstoß durch die riesigen Löcher aus dem Gebäude getragen, durch die auch Schwärme von Insekten und Vögeln aus und ein fliegen.
Die Gefährdung durch den radioaktiv strahlenden Schrottreaktor soll nach dem Willen des ukrainischen Ministers für „Tschernobyl-Angelegenheiten“,Georgy Gotovchits, bald ein Ende haben. Die bisherigen Pläne, den Reaktor einfach mit Sand oder Beton zuzuschütten, wurden wegen der unkontrollierbaren Reaktionen im Inneren verworfen. Nun hat er einen internationalen Ideenwettbewerb ausgeschrieben.
Gegen ein Honorar von 500 Dollar verschickte Gotovchits seit letztem Sommer ein 50 Seiten starkes Manuskript in Englisch oder Russisch mit dem Titel „Umhüllung“. Inhalt: „Unterlagen zur Umwandlung des KKW Tschernobyl in ein ökologisch sicheres System“. Auch verschiedene deutsche Firmen besorgten sich den Anforderungskatalog für die Tschernobyl-Käseglocke. Manche waren sichtlich erstaunt, wie unprofessionell hier um Ideen für die Sanierung der größten zivilen Nuklearkatastrophe aller Zeiten geworben wird.
So ist kaum anzunehmen, daß die 20 000 Dollar, die der Gewinner der Ausschreibung mit nach Hause nehmen darf, beim Poker um den Milliardenauftrag eine Rolle spielen. Zwar sind so triviale Informationen wie „der früheste Termin für die Bildung einer Schneedecke“ in dem Papier zu finden (6. Oktober), aber einige wichtige Angaben fehlen völlig. „Das sieht aus wie eine Ausschreibung für einen Jugend-forscht-Wettbewerb“, kommentiert ein Bewerber.
Weitgehend ungeklärt sind etwa die Strahlenschutzanforderungen an den zweiten Betonmantel und ein Anforderungsprofil für die Entsorgung des Havariereaktors. Auch der für Reaktorsicherheit zuständige Minister Klaus Töpfer, der kürzlich in der Ukraine war, glaubt nicht, daß diese Ausschreibung der richtige Weg ist. Er will daher vor einem deutschen Engagement ein Sicherheitskonzept erstellen lassen.
Französische Unternehmen sind da nicht so zimperlich. Jacques Gaudron vom Bauriesen Bouygues möchte „den Teufel von Tschernobyl“ so schnell wie möglich einsperren. Um den Auftrag an Land zu ziehen, scheint ihm jedes Mittel recht zu sein. Schon im Juli 1992 bestätigte der ukrainische Präsident in einem Brief an François Mitterrand den Bauauftrag an Bouygues. Daraufhin stellte die französische Regierung 12 Millionen Francs Soforthilfe in Aussicht. Wie konnte Bouygues den Auftrag bekommen, bevor der Wettbewerb abgeschlossen ist, fragte sich die Konkurrenz?
„Die haben die Ukrainer einfach über den Tisch gezogen“, vermutet ein Betroffener. Um allen Korruptionsvorwürfen entgegenzutreten, hat Paris inzwischen die vorschnelle Finanz- zusage zurückgestellt.
Seit August 1992 formiert sich ein deutsches Konsortium unter der Federführung der Kraftanlagen Heidelberg. Die sieben Firmen (Hochtief, Siemens, Noell, Nukem, GNS und K.A.B.) wollen nicht nur den neuen Mantel und ein umfassendes Entsorgungskonzept für den Unglücksmeiler entwickeln. Darüber hinaus wollen sie Konzepte zur Stillegung aller anderen Kraftwerksblöcke in Tschernobyl vorlegen.
Der französische Sarg soll aus Stahlbeton gefertigt werden und auf Rollen über den Reaktor gestülpt werden. Um die Strahlenbelastung für die Bau- arbeiter zu reduzieren, will Bouygues die Riesenhalle (etwa 200 Meter lang, 80 Meter hoch und 90 Meter breit) in einigen hundert Metern Sicherheitsabstand fertigstellen und dann über den Block 4 schieben.
Der deutsche Plan sieht vor, zuerst Schutzmauern an den Längsseiten hochzuziehen. Von diesen Schutzwänden ausgehend, könnten Träger über den Katastrophenbau geschoben werden, die später ein Dach aufnehmen.
Die Kosten für die baulichen Maßnahmen schätzt das deutsche „Konsortium Tschernobyl“ auf einige hundert Millionen bis zu einer Milliarde Mark.
Beim Ideenwettbewerb konkurrieren die deutschen und französischen Firmen. Hinter den Kulissen aber hat sich das deutsche Konsortium mit französischen Firmen – an der Spitze die Nuklearspezialisten der SGN – darauf geeinigt, die große Gesamtsanierung aller Tschernobyl-Blöcke gemeinsam anzugehen.
Wehe, wenn sich „Jelena“ rührt. Dann kann sie Dutzende unter sich begraben, Hunderte in den Strahlentod reißen und Tausende mit radioaktivem Staub verseuchen. „Jelena“ ist der 2000 Tonnen schwere Betondeckel des Reaktorkerns von Tschernobyl.
Die Arbeiter im Katastrophenreaktor gaben dem massiven Betonklotz, der beim Unglück am 26. April 1986 in die Luft geschleudert wurde und seither schräg verkeilt in der morschen Halle hängt, den Namen einer Frau. „Weil das Ding den typischen Charakter einer Frau hat: Man weiß nie, was sie macht“, erzählen sie.
Tschernobyl im Frühjahr 1993: Von außen ist der geborstene Meiler mit rostigen Stahlplatten notdürftig abgedeckt. Der 300 000 Tonnen schwere, kurz nach dem Unglück errichtete Sarg (auch Sarkophag genannt), ist undicht. Westliche Sicherheitsexperten schätzen, daß die Außenhaut auf einer Gesamtfläche von etwa 1000 Quadratmetern leck ist.
Das Innere bietet einen schaurigen Anblick: In der völlig zerstörten Reaktorhalle türmen sich Hunderte Tonnen von Schutt, verrottete und zerbrochene Stahlbetonträger und versengte Einbauten: Betreten lebensgefährlich! Brennstoffhaltiger Staub wird mit jedem Windstoß durch die riesigen Löcher aus dem Gebäude getragen, durch die auch Schwärme von Insekten und Vögeln aus und ein fliegen.
Die Gefährdung durch den radioaktiv strahlenden Schrottreaktor soll nach dem Willen des ukrainischen Ministers für „Tschernobyl-Angelegenheiten“,Georgy Gotovchits, bald ein Ende haben. Die bisherigen Pläne, den Reaktor einfach mit Sand oder Beton zuzuschütten, wurden wegen der unkontrollierbaren Reaktionen im Inneren verworfen. Nun hat er einen internationalen Ideenwettbewerb ausgeschrieben.
Gegen ein Honorar von 500 Dollar verschickte Gotovchits seit letztem Sommer ein 50 Seiten starkes Manuskript in Englisch oder Russisch mit dem Titel „Umhüllung“. Inhalt: „Unterlagen zur Umwandlung des KKW Tschernobyl in ein ökologisch sicheres System“. Auch verschiedene deutsche Firmen besorgten sich den Anforderungskatalog für die Tschernobyl-Käseglocke. Manche waren sichtlich erstaunt, wie unprofessionell hier um Ideen für die Sanierung der größten zivilen Nuklearkatastrophe aller Zeiten geworben wird.
So ist kaum anzunehmen, daß die 20 000 Dollar, die der Gewinner der Ausschreibung mit nach Hause nehmen darf, beim Poker um den Milliardenauftrag eine Rolle spielen. Zwar sind so triviale Informationen wie „der früheste Termin für die Bildung einer Schneedecke“ in dem Papier zu finden (6. Oktober), aber einige wichtige Angaben fehlen völlig. „Das sieht aus wie eine Ausschreibung für einen Jugend-forscht-Wettbewerb“, kommentiert ein Bewerber.
Weitgehend ungeklärt sind etwa die Strahlenschutzanforderungen an den zweiten Betonmantel und ein Anforderungsprofil für die Entsorgung des Havariereaktors. Auch der für Reaktorsicherheit zuständige Minister Klaus Töpfer, der kürzlich in der Ukraine war, glaubt nicht, daß diese Ausschreibung der richtige Weg ist. Er will daher vor einem deutschen Engagement ein Sicherheitskonzept erstellen lassen.
Französische Unternehmen sind da nicht so zimperlich. Jacques Gaudron vom Bauriesen Bouygues möchte „den Teufel von Tschernobyl“ so schnell wie möglich einsperren. Um den Auftrag an Land zu ziehen, scheint ihm jedes Mittel recht zu sein. Schon im Juli 1992 bestätigte der ukrainische Präsident in einem Brief an François Mitterrand den Bauauftrag an Bouygues. Daraufhin stellte die französische Regierung 12 Millionen Francs Soforthilfe in Aussicht. Wie konnte Bouygues den Auftrag bekommen, bevor der Wettbewerb abgeschlossen ist, fragte sich die Konkurrenz?
„Die haben die Ukrainer einfach über den Tisch gezogen“, vermutet ein Betroffener. Um allen Korruptionsvorwürfen entgegenzutreten, hat Paris inzwischen die vorschnelle Finanz- zusage zurückgestellt.
Seit August 1992 formiert sich ein deutsches Konsortium unter der Federführung der Kraftanlagen Heidelberg. Die sieben Firmen (Hochtief, Siemens, Noell, Nukem, GNS und K.A.B.) wollen nicht nur den neuen Mantel und ein umfassendes Entsorgungskonzept für den Unglücksmeiler entwickeln. Darüber hinaus wollen sie Konzepte zur Stillegung aller anderen Kraftwerksblöcke in Tschernobyl vorlegen.
Der französische Sarg soll aus Stahlbeton gefertigt werden und auf Rollen über den Reaktor gestülpt werden. Um die Strahlenbelastung für die Bau- arbeiter zu reduzieren, will Bouygues die Riesenhalle (etwa 200 Meter lang, 80 Meter hoch und 90 Meter breit) in einigen hundert Metern Sicherheitsabstand fertigstellen und dann über den Block 4 schieben.
Der deutsche Plan sieht vor, zuerst Schutzmauern an den Längsseiten hochzuziehen. Von diesen Schutzwänden ausgehend, könnten Träger über den Katastrophenbau geschoben werden, die später ein Dach aufnehmen.
Die Kosten für die baulichen Maßnahmen schätzt das deutsche „Konsortium Tschernobyl“ auf einige hundert Millionen bis zu einer Milliarde Mark.
Beim Ideenwettbewerb konkurrieren die deutschen und französischen Firmen. Hinter den Kulissen aber hat sich das deutsche Konsortium mit französischen Firmen – an der Spitze die Nuklearspezialisten der SGN – darauf geeinigt, die große Gesamtsanierung aller Tschernobyl-Blöcke gemeinsam anzugehen.