Expertenrunde
30.08.2009 um 03:14Experten nennt man Menschen, die nach verheerenden Katastrofen in Erscheinung treten und ebenso schnell wieder verschwinden. Ein Merkmal dieser Experten ist das Ignorieren von Fakten und die Verbreitung der eigenen Meinung sowie die Neigung, sich selber im besten Licht dastehen zu lassen. Äußerlich erkennt man Experten meist nicht, im Alltag sind sie unauffällig bis unsichtbar und erst angelockt durch Unglücksfälle (Flugzeugabstürze, Terroranschläge, Krisen im Mittleren Osten, Schwangerschaft in der luxemburgischen Aristokratie) treten sie, meist im Privatfernsehen, in Erscheinung.
Fast jedes Großereignis ruft einen (meist Dutzende) Experten auf den Plan. Sie haben meist keinen (bekannten) Namen und man fragt sich auch nicht, warum das so ist. Sie präsentieren dem Zuschauer Fakten, die er schon weiß:
"Der Grund für den Flugzeugabsturz, das habe ich nach intensiver Recherche herausgefunden, ist in dem Verlust der Flugfähigkeit des Flugzeuges zu suchen."
oder Fakten, die er nur vermutet:
"Der Grund für den Flugzeugabsturz ist vermutlich in dem Verlust der Flugfähigkeit des Flugzeuges zu suchen."
oder gar Fakten, die er selber erfunden hat:
"Der Grund für den Flugzeugabsturz, das habe ich nach intensiver Recherche herausgefunden, ist in den Beziehungen der Familie Osama Bin Ladens zum niederländischen Königshaus zu suchen."
Auf eine nähere Erläuterung lässt er sich nicht ein, hat er doch nicht einmal das Wrack persönlich gesehen, kann also nur spekulieren, was er nach einem peinlichen Verhör auch durchaus bereit ist, zuzugeben. Das macht er nicht freiwillig, denn spekulieren kann ja jeder, Großverlag aller Spekulationsinteressierten ist die Bild-Zeitung, Geld mit Spekulationen wird außer beim Springer-Verlag ausschließlich an der Börse gemacht. Aber als selbsternannter Experte will man sich gerade von diesen schmutzigen Geschäften ja abgrenzen.
Experten verbreiten allerhand Studien, Theorien, Aufklärung. Manchmal wurde schon alles studiert, theoretisiert, aufgeklärt und dann geht das Ganze Retour. Blaue Spielzeug-LKWs sind krebserregender als gelbe Spielzeugbagger heißt es in einem Interview eines anerkannten Experten der Krebsforschung, nach einem halben Jahr kann man lesen, dass gelbe Spielzeugbagger nun doch gefährlich sind, Blaue aber gar keinen Krebs erregen. Dafür ist dann Milch ein nahezu todbringendes Gift, wenn es mal wieder darum geht, bisherigen Wissensstand mit spektakulären Neuigkeiten zu verfälschen. Hinterher weiß natürlich keiner mehr, was stimmt und was nicht. Dann treten die Experten auf den Plan. Sie klären uns dann darüber auf, dass es weder richtig ist, den Nachwuchs nur mit blauen LKWs noch mit gelben Baggern spielen zu lassen. Man sollte doch ausgewogen vorgehen und die Spielzeuge ausgeglichen benutzen, einen Mittelweg soll man gehen.
Wem es noch nicht aufgefallen ist: Der Mittelweg wird IMMER als rettende Lösung vorgeschlagen. An dieser Stelle möchte unser Experte noch mal auf das Buch hinweisen, was er zufällig gerade geschrieben hat und was er überhaupt nicht geplant hat, bei diesem Interview zu promoten.
Genau, das machen Experten nämlich auch, sie fassen ihre schmalen Spekulationen in viele Worte, binden sie ein und lassen sich Geld dafür geben, dass Menschen diese informativ neutralen Werke lesen, dafür Geld ausgeben und uns rationalen Menschen dann auf den Geist gehen mit dem achso revolutionären Beweis, dass die alten Ägypter schon Hubschrauber und Kernkraftwerke hatten. Weil nämlich ein Amulett eines Pharao an einen UH-60 erinnert, der erst tausende Jahre später gebaut wurde und weil ein spätantiker Radiumjunkie zufällig im biblischen Alter nach dem Betreten einer frisch ausgebuddelten Pyramide seiner übers Leben angesammelten Strahlungsdosis erlag. Man stelle sich vor, ein UH-60 Black Hawk wäre niemals gebaut worden. Das ägyptische Amulett hätte niemanden an einen Hubschrauber erinnert und keine revolutionäre Neuigkeit hätte ihren Weg in die durch informative Überreizung geplagte Welt geschafft, in der es gilt, für simpelste Erscheinungen die wildesten Gründe zu (er)finden.
Aber man sollte den Experten dankbar sein. Ohne sie wüssten die Politiker nicht, dass Computerspielen grausame Monster hervorbringt, Mütter wüssten nicht, dass Grimms Märchen jedes Kind zu einem barbarischen Hühnermörder macht, Fernsehzuschauer wüssten nicht, was die Stille Treppe ist und warum sie aus der Ehekrise führt und ADHS heilen kann, gelangweilte Hausfrauen wüssten nicht, warum sich das Baby von Kronprinz Schwulibert von Geylhuber in nächster Zeit von der lesbischen Reinemachfrau des schwedischen Königs bemuttern lassen muss und warum das niederländische Königshaus Verbindungen mit der Familie von Osama Bin Laden hat.
Was täten wir nur ohne die Experten, ohne die namenlosen Ritter der Erkenntnis, die allgegenwärtigen Talkgäste für Moderatoren, deren hyperaktive Moderationsmethoden nur durch die gelassene Ruhestrahlung faktenlos vor sich hin sabbelnder Durchschnittstypen unterbrochen werden, untermalt von einer gefährlich epilepsieauslösenden Telefonnummer, die unaufhörlich blinkt um über diese das Buch zu bestellen, damit man sich den Stuss nicht anhören muss. Wer das Buch nicht bestellen will, der kann natürlich auch bei dem Gewinnspiel mitmachen, in dem es darum geht, ein Wort zu sagen, welches der Experte in seinen Vorhaltungen auch verwendet hat, wer das richtige Wort sagt, der gewinnt ein Buch des Experten oder den neuesten Toaster aus dem Hause Tchibo mit eingebauter LCD-Anzeige und integrierter Mustertoastfunktion, damit man nach zwei Monaten den nächsten Experten ins Studio rufen kann, der vor der Krebsgefahr von Toastern mit LCD-Anzeige und integrierter Mustertoastfunktion warnt.
Irgendwann, so sagt es die Wahrscheinlichkeit, wird ein Experte daherkommen, der vor der Krebsgefahr von Experten warnt. Und auch dieser Experte wird der festen Überzeugung sein, dass die niederländische Königsfamilie eine Verbindung zur Familie Osama Bin Ladens hat, denn schließlich bestehen wir alle aus Nachfahren des damals noch erfolgreichsten Pärchens (als Gene noch was wert waren...) und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein bielefelder Familienforscher aufdeckt, dass die Linien von Osama Bin Laden und dem niederländischen König im Jahre 23 666 911 vor Christus zusammenführen und daraus das Übel der Welt entstand. Samt krebserregender gelber Spielzeugbagger.
© GilbMLRS
Fast jedes Großereignis ruft einen (meist Dutzende) Experten auf den Plan. Sie haben meist keinen (bekannten) Namen und man fragt sich auch nicht, warum das so ist. Sie präsentieren dem Zuschauer Fakten, die er schon weiß:
"Der Grund für den Flugzeugabsturz, das habe ich nach intensiver Recherche herausgefunden, ist in dem Verlust der Flugfähigkeit des Flugzeuges zu suchen."
oder Fakten, die er nur vermutet:
"Der Grund für den Flugzeugabsturz ist vermutlich in dem Verlust der Flugfähigkeit des Flugzeuges zu suchen."
oder gar Fakten, die er selber erfunden hat:
"Der Grund für den Flugzeugabsturz, das habe ich nach intensiver Recherche herausgefunden, ist in den Beziehungen der Familie Osama Bin Ladens zum niederländischen Königshaus zu suchen."
Auf eine nähere Erläuterung lässt er sich nicht ein, hat er doch nicht einmal das Wrack persönlich gesehen, kann also nur spekulieren, was er nach einem peinlichen Verhör auch durchaus bereit ist, zuzugeben. Das macht er nicht freiwillig, denn spekulieren kann ja jeder, Großverlag aller Spekulationsinteressierten ist die Bild-Zeitung, Geld mit Spekulationen wird außer beim Springer-Verlag ausschließlich an der Börse gemacht. Aber als selbsternannter Experte will man sich gerade von diesen schmutzigen Geschäften ja abgrenzen.
Experten verbreiten allerhand Studien, Theorien, Aufklärung. Manchmal wurde schon alles studiert, theoretisiert, aufgeklärt und dann geht das Ganze Retour. Blaue Spielzeug-LKWs sind krebserregender als gelbe Spielzeugbagger heißt es in einem Interview eines anerkannten Experten der Krebsforschung, nach einem halben Jahr kann man lesen, dass gelbe Spielzeugbagger nun doch gefährlich sind, Blaue aber gar keinen Krebs erregen. Dafür ist dann Milch ein nahezu todbringendes Gift, wenn es mal wieder darum geht, bisherigen Wissensstand mit spektakulären Neuigkeiten zu verfälschen. Hinterher weiß natürlich keiner mehr, was stimmt und was nicht. Dann treten die Experten auf den Plan. Sie klären uns dann darüber auf, dass es weder richtig ist, den Nachwuchs nur mit blauen LKWs noch mit gelben Baggern spielen zu lassen. Man sollte doch ausgewogen vorgehen und die Spielzeuge ausgeglichen benutzen, einen Mittelweg soll man gehen.
Wem es noch nicht aufgefallen ist: Der Mittelweg wird IMMER als rettende Lösung vorgeschlagen. An dieser Stelle möchte unser Experte noch mal auf das Buch hinweisen, was er zufällig gerade geschrieben hat und was er überhaupt nicht geplant hat, bei diesem Interview zu promoten.
Genau, das machen Experten nämlich auch, sie fassen ihre schmalen Spekulationen in viele Worte, binden sie ein und lassen sich Geld dafür geben, dass Menschen diese informativ neutralen Werke lesen, dafür Geld ausgeben und uns rationalen Menschen dann auf den Geist gehen mit dem achso revolutionären Beweis, dass die alten Ägypter schon Hubschrauber und Kernkraftwerke hatten. Weil nämlich ein Amulett eines Pharao an einen UH-60 erinnert, der erst tausende Jahre später gebaut wurde und weil ein spätantiker Radiumjunkie zufällig im biblischen Alter nach dem Betreten einer frisch ausgebuddelten Pyramide seiner übers Leben angesammelten Strahlungsdosis erlag. Man stelle sich vor, ein UH-60 Black Hawk wäre niemals gebaut worden. Das ägyptische Amulett hätte niemanden an einen Hubschrauber erinnert und keine revolutionäre Neuigkeit hätte ihren Weg in die durch informative Überreizung geplagte Welt geschafft, in der es gilt, für simpelste Erscheinungen die wildesten Gründe zu (er)finden.
Aber man sollte den Experten dankbar sein. Ohne sie wüssten die Politiker nicht, dass Computerspielen grausame Monster hervorbringt, Mütter wüssten nicht, dass Grimms Märchen jedes Kind zu einem barbarischen Hühnermörder macht, Fernsehzuschauer wüssten nicht, was die Stille Treppe ist und warum sie aus der Ehekrise führt und ADHS heilen kann, gelangweilte Hausfrauen wüssten nicht, warum sich das Baby von Kronprinz Schwulibert von Geylhuber in nächster Zeit von der lesbischen Reinemachfrau des schwedischen Königs bemuttern lassen muss und warum das niederländische Königshaus Verbindungen mit der Familie von Osama Bin Laden hat.
Was täten wir nur ohne die Experten, ohne die namenlosen Ritter der Erkenntnis, die allgegenwärtigen Talkgäste für Moderatoren, deren hyperaktive Moderationsmethoden nur durch die gelassene Ruhestrahlung faktenlos vor sich hin sabbelnder Durchschnittstypen unterbrochen werden, untermalt von einer gefährlich epilepsieauslösenden Telefonnummer, die unaufhörlich blinkt um über diese das Buch zu bestellen, damit man sich den Stuss nicht anhören muss. Wer das Buch nicht bestellen will, der kann natürlich auch bei dem Gewinnspiel mitmachen, in dem es darum geht, ein Wort zu sagen, welches der Experte in seinen Vorhaltungen auch verwendet hat, wer das richtige Wort sagt, der gewinnt ein Buch des Experten oder den neuesten Toaster aus dem Hause Tchibo mit eingebauter LCD-Anzeige und integrierter Mustertoastfunktion, damit man nach zwei Monaten den nächsten Experten ins Studio rufen kann, der vor der Krebsgefahr von Toastern mit LCD-Anzeige und integrierter Mustertoastfunktion warnt.
Irgendwann, so sagt es die Wahrscheinlichkeit, wird ein Experte daherkommen, der vor der Krebsgefahr von Experten warnt. Und auch dieser Experte wird der festen Überzeugung sein, dass die niederländische Königsfamilie eine Verbindung zur Familie Osama Bin Ladens hat, denn schließlich bestehen wir alle aus Nachfahren des damals noch erfolgreichsten Pärchens (als Gene noch was wert waren...) und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein bielefelder Familienforscher aufdeckt, dass die Linien von Osama Bin Laden und dem niederländischen König im Jahre 23 666 911 vor Christus zusammenführen und daraus das Übel der Welt entstand. Samt krebserregender gelber Spielzeugbagger.
© GilbMLRS