Dort werden Kinder zu Terroristen erzogen.
08.05.2007 um 14:09
Der Kreuzzug der Southern Baptist Convention
Protestantisch-fundamentalistischeMissionare operieren mit Billigung der US-Militärbehörden im Irak.
"Wir werdenTod und Gewalt tragen in alle Himmelsrichtungen, um dieses wunderbare Land zu schützenund die Welt vom Bösen zu befreien" (George W. Bush)
Einige nehmen ihn sehr ernst,den "Kreuzzug gegen das Böse": "Ich bin bereit zu sterben. Ich würde in den Irak gehen,[auch] wenn es den Tod bedeutet. Wir müssen sie besiegen, sie wollen uns töten [...]. Unddann sollen alle Iraker Christen werden, alle im Nahen Osten. Es ist ein spirituellerKrieg. Wir kämpfen gegen die Mächte der Dunkelheit". (1) Der dies sagt, ist keingespenstischer Widergänger des Templerordens, nicht einmal ein kampfeshungriger GI. Esspricht ein Zivilist, Mitglied der Baptistischen Gemeinde von Broken Arrow - einMissionar. Mit einer Gruppe Gleichgesinnter bereitet sich der junge Mann in einerkleinen, schmucken Holzkirche darauf vor, hinauszuziehen, um das Wort Gottes zuverbreiten - allerdings (für diesmal) nicht in den Irak. Nach Mexiko.
"Es ist einReligionskrieg", sekundiert ihm ein weiterer Glaubensgenosse: "Sie hassen nicht uns,sondern unseren Gott. Sie glauben an eine Lüge. Es gab schon viele falsche Götter wieAllah. Aber es bleibt eine Lüge, das haben schon die Propheten gesagt". (2)
DieSouthern Baptist Convention (SBC), der die Gemeinde von Broken Arrow angehört, ist diegrößte protestantische Glaubensgemeinschaft der USA. Mit über 15,9 Millionen Mitgliedernrangiert sie unmittelbar hinter den US-amerikanischen Katholiken, und mit insgesamt37.000 Kirchen hat sie ihnen den Rang bereits abgelaufen. (3) Im sogenannten "bible belt"[Bibelgürtel], in Texas, Georgia, North Carolina, Tenessee und Alabama, hat die SouthernBaptist Convention ihre Basis. Ihr Einfluss allerdings reicht weit über die südlicheProvinz hinaus. George Bush Sr. war aktives Mitglied der First Baptist Church of Dallas,der bis zum Jahr 2002 der erzreaktionäre protestantische Kirchenmann Wallie Amos Criswellvorstand. (4) George W. Bushs damaliger demokratischer Gegenkandidat Al Gore betet in derMount Vernon Baptist Church in Arlington (5), und George W. Bush Jr., der sich selbsteinen "reborn christian" [wiedergeborenen Christen] nennt, gibt sich alle Mühe, dermächtigen religiösen Lobbygruppe gefällig zu sein. Die beileibe nicht mittellose SouthernBaptist Convention profitiert seit seinem Amtsantritt von großzügigen staatlichenZuwendungen, und auch die Bemühungen der neokonservativen Nomenklatura um denPräsidenten, konfessionellen den Vorzug vor religionsungebundenen sozialenHilfsorganisationen zu geben, kommen gut an. (6) Über 60% der organisiertenProtestantinnen und Protestanten danken es ihm, einer Umfrage vom Mai 2003 zufolge, mitrückhaltloser Unterstützung seiner globalen Kriegspolitik - vor allem im Irak. (7)Bereits am 15. Juni 2002 bedankte sich der Präsident bei einer landesweiten Zusammenkunftder SBC in einer Fernsehansprache: "Laura und ich sind so dankbar für eure Gebete. Ichhabe sie in schweren Stunden gefühlt [...]. Ich weiß eure große Unterstützung unsererBemühungen im Krieg gegen den Terror zu schätzen. Genau wie ihr, verstehe auch ichFreiheit nicht als ein Geschenk Amerikas an die Welt. Freiheit ist das Geschenk desallmächtigen Gottes an alle Männer und Frauen dieses Planeten (Applaus)". (8)
Vonder Beschaffenheit dieser "Freiheit" hat man in den oberen Etagen der Southern BaptistConvention sehr dezidierte Vorstellungen: 1998 verfügte ein Gremium führenderGemeindemitglieder (unter ihnen der bereits erwähnte W.A. Criswell), dass es Pflicht derEhefrau sei, sich "dankbar der Führung des Mannes zu unterwerfen". (9) Als Reaktionverließen mehrere protestantische Gemeinden die Convention. Ein Jahr zuvor, am 18. Juni1997, hatten Führer der SBC einen Boykott gegen die Walt Disney Company verhängt, um die"anti-christliche und familienfeindliche Ausrichtung" der Firma zu bekämpfen. Walt Disneyhatte in den Reihen seiner Belegschaft eine Gesundheitsfürsorge für gleichgeschlechtlichePaare eingeführt. (10) Am 14. Juni 2002 bekräftigte ein hochkarätiges Führungsgremiumeinen (allerdings für die Gemeinden nicht bindenden) Beschluss, nach dem Frauen für dasPriesteramt ungeeignet seien. Gleichzeitig wurde die Unterstützung der Todesstrafebetont. (11) Die Bibel gilt einem Großteil der in der Southern Baptist Conventionorganisierten Gläubigen als das "unvergängliche Wort Gottes". (12) Ihr historischerWahrheitsgehalt steht außer Frage. Der "allmächtige Gott der Freiheit"... für Mitgliederder SBC ist er der Gott des protestantischen Christentums - in seiner rigidestenAuslegung.
Kein Wunder, dass nach den Anschlägen vom 11. September einer Reiheführender protestantischer Kirchenmänner der Mund überging. Hatte sich George W. Bushunmittelbar nach den Anschlägen noch öffentlich von anti-muslimischer Hetze distanziert,brauchten die protestantischen Eiferer bald keinen Widerspruch mehr zu fürchten. ReverendJerry Falwell, führendes Mitglied der SBC, nannte Mohammed in einer von CBSausgestrahlten Talkshow einen "Terroristen". (13) Sein Kollege Jerry Vines legte imRahmen jenes Treffens, bei dem die Dankesrede des Präsidenten via Satellit übertragenwurde, noch nach. Für ihn sei der Prophet nichts weiter als ein "vom Teufel besessenerPädophiler". (14) Reverend Franklin Graham, Sohn des TV-Evangelisten Billy Graham, dessenOrganisation Samaritans Purse [Börse des Samariters] der SBC angeschlossen ist undgleichfalls Missionare in den Nahen Osten entsendet, erklärte, der Islam sei eine "sehrböse und hinterlistige Religion". (15) Höhepunkt der anti-muslimischen Hetze war bishervermutlich der Auftritt des TV-Evangelisten Pat Robertson bei Hannity Colmes. Praktischmit Schaum vorm Mund eiferte Robertson gegen Mohammed und den Islam: "Dieser Mann war einabsolut irrsinniger Fanatiker. Er war ein Räuber und Marodeur. Und da behaupten Leute,diese Terroristen würden den Islam verzerren! Sie führen ihn aus! Ich meine, dieser Kerl[Mohammed] war ein Killer. Und zu glauben, seine Religion sei friedlich, ist einfachlächerlich. [...] Der Islam ist nichts weiter als ein gigantischer Haufen Abfall". (16)Gute Vorraussetzungen demnach für christliche Missionare in einem überwiegendmuslimischen Land...
Die Southern Baptist Convention hat aus ihrer ausgedehntenmissionarischen Tätigkeit nie einen Hehl gemacht. Stolz verkündet ihre Internetseite,keine andere religiöse Organisation habe weltweit so viele christliche Missionare imEinsatz wie die SBC. Unterschieden wird nach 4857 sogenannten "home missionaries"[Heimat-Missionaren], die in den USA, in Kanada, aber auch in so "heimatlichen" Gefildenwie Costa Rica oder den Virgin Islands tätig sind, und 4137 "foreign missionaries"[Auslands-Missionaren], die in über 130 weiteren Nationen verlorene Seelen zu errettensuchen. (17) Dass sich die Southern Baptist Convention, gemeinsam mit Organisationen wieSamaritans Purse oder der fundamentalistischen Protestantenorganisation Voice of theMartyrs [Stimme der Märtyrer], ungehindert im Nachkriegs-Irak betätigen kann, ist in derGeschichte der US-amerikanischen Außenpolitik allerdings eine Neuerung. Nach dem zweitenGolfkrieg 1991 mussten sich Mitglieder von Samaritans Purse noch verantworten, alsbekannt wurde, dass ihre Mitglieder in Saudi-Arabien Bibeln statt Hilfsgüter verteilten.(18) Im April 2003 geriet Präsident Bush jr. unter Druck: SBC und Samaritans Purse hattenan der Grenze Jordaniens einen wahren Massenaufmarsch glaubenseifriger Missionareinitiiert, die darauf brannten, im Gefolge US-amerikanischer und britischer Truppen dieBevölkerung des Irak zu bekehren. (19)
Mittlerweile hindert niemand mehr diechristlichen Missionare daran, im Irak ihre frohe Botschaft zu verkünden. "Die Imamehaben Angst", sagt Steve Hardy von der Southern Baptist Convention: "Wenn sich dasChristentum hier durchsetzt, wird es sich überall im Nahen Osten verbreiten. Im Momentgibt es keinen Ort, der für uns strategisch wichtiger wäre als der Irak". (20) "Innerhalbder Kirche sind wir der Leib Christi", erklärt John Brady, Koordinator der SBC für denMittleren Osten und Nordafrika: "Durch uns will er wirken in diesem gepeinigten Teil derWelt [...] Jene , die [in den Irak] gehen, werden die Freude haben, Gott zu dienen, unddas Privileg, zu sehen, wie er Wunder wirkt im Leben und in den Herzen der Menschen".(21)
Dem "Wunder der Bekehrung" helfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SBCim Irak gerne etwas nach. Offiziell für rein humanitäre Hilfe zuständig (die SBC betreibtbeispielsweise ein Krankenhaus in Bagdad), nutzen sie die Lieferung von Hilfsgütern, umchristliche Erbauungsliteratur und Bibeln zu verteilen. Wer Hunger hat, kriegt beides:geistige und körperliche Nahrung. "Ein Team von Baptistischen Freiwilligen war inverschiedenen Regionen des Irak tätig, um Nahrung und Bibeln zu verteilen und die Saatdes Interesses zu säen, was Gott mit dieser Nation zu tun beabsichtigt", heißt es ineinem Bericht über die Tätigkeit der SBC im Irak vom 5. März 2004, der auf ihrer Homepageöffentlich zugänglich ist: "Acht Mitglieder der Porter Memorial Baptist Church inLexington und zwei der Greenup Baptist Association im östlichen Kentucky verbrachten imvergangenen Dezember zwei Wochen damit, 200 Neue Testamente auf arabisch und 650 Beutelmit Nahrung im Nordirak zu verteilen [...]. 'Man ist sehr interessiert', sagt Asa Greear,Leiterin der Arbeit von Greenup Association: 'Wenn ich Arabisch oder Kurdisch sprechenkönnte, hätte ich einige Möglichkeiten, meinen Glauben zu teilen'". (22)
DieBefürchtung, islamistische Gruppen, die ohnehin bis zu den Knien im Blut stehen, könntendie Anwesenheit explizit anti-muslimischer Missionare zum Vorwand nehmen, ihren Terrorauf die bisher relativ unbehelligte, 500.000 Mitglieder starke christliche Gemeinde desIrak auszudehnen, wird lapidar beiseite gerückt. "Ja, unsere Tätigkeit kann für einigeden Tod bedeuten, das wissen wir", meint Tom White, Sprecher von Voice of the Martyrs:"Aber die Ewigkeit im Himmel zu verbringen statt in der Hölle - das ist doch ein guterDeal! Selbst wenn es vielleicht zu körperlicher Bestrafung hier auf der Erde führt". (23)
Die enge Zusammenarbeit von Militärs und Missionaren im Irak gießt Öl in dasFeuer der Gewalt und bestätigt muslimische Eiferer im gesamten Mittleren Osten ihrerseitsdarin, sich in einem "Glaubenskrieg" zu befinden. Dass nicht an jedem der fast 16Millionen Mitglieder der Southern Baptist Convention ein fundamentalistischer Frömmlerverloren gegangen ist, sollte dabei kaum der Erwähnung bedürfen. Die Kritik an dererzkonservativen Agenda ist innerhalb der Organisation scharf, und gekämpft wird mitharten Bandagen. Selbst in den Irak mögen viele mit den besten Absichten reisen, umbitter nötige humanitäre Hilfe zu leisten. Islamistische Gruppen wie etwa der algerischeFront Islamique du Salut (FIS) bedienen sich bei ihrer "Glaubenswerbung" weitausblutigerer Methoden als ihre christlichen Kollegen. Gleichviel: der Einfluss einesreaktionären, endzeitorientierten Protestantismus in den USA reicht bis in höchste Kreisevon Armee und Politik. Der hochdekorierte General William Boykin, der auf AnweisungPräsident Bushs im Pentagon die Jagd auf Osama bin Laden koordiniert, bekräftigte -ausgerechnet bei einem Vortrag in der Baptistenkirche von Broken Arrow - im Frühjahr 2004vor einem begeisterten Publikum noch einmal den Grundgedanken des US-amerikanischen"Kreuzzugs":
"Es geht nicht um Osama bin Laden - der Feind steht im Reich desSpirituellen". Und an die Musliminnen und Muslime überall in der Welt gewandt fügte erhinzu: "[Euer] Gott ist ein falscher Gott, ein Götze". (24)
Wer waren noch gleichdie Mamelukken?!
Joseph Steinbeiß